Frau mit Vaginismus sitzt traurig auf Bett
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Vaginismus: Was tun bei einem Scheidenkrampf?

Von: Dr. rer. nat. Julia Hautz (Diplom-Biologin und Medizinautorin)
Letzte Aktualisierung: 22.08.2022

Vaginismus (Scheidenkrampf) bezeichnet die regelmäßig auftretende reflexartige und unwillkürliche Verkrampfung der Scheiden- und Beckenbodenmuskulatur. Diese Verkrampfung kann beim Geschlechtsverkehr, gynäkologischen Untersuchungen oder auch dem Einführen eines Tampons oder Fingers auftreten. Es gibt Schätzungen, nach denen etwa ein bis sieben Prozent aller Frauen weltweit von Vaginismus betroffen sind. Dabei gilt es jedoch zu beachten, dass dieses Thema sehr schambesetzt ist und daher von einer höheren Dunkelziffer ausgegangen werden kann. Was ist Vaginismus und welche Therapie kann helfen? Was hinter der Erkrankung steckt, wie die Diagnose abläuft und mit welcher Therapie man Vaginismus erfolgreich behandeln kann, erfahren Sie in diesem Artikel.

Was ist Vaginismus?

Vaginismus – auch Scheiden- oder Vaginalkrampf genannt – gilt als eine der häufigsten Sexualstörungen von Frauen und stellt eine psychogene Abwehrreaktion dar. Dabei verkrampfen sich unwillkürlich und ohne Vorliegen einer organischen Ursache die Muskulatur, welche die Vagina umgibt, sowie die Beckenbodenmuskulatur durch den Versuch, während des Geschlechtsverkehrs in die Vagina einzudringen. Das geschieht trotz des ausdrücklichen Wunsches der Frau nach Penetration.

Die Definition von Vaginismus umfasst zwei Formen: Es wird zwischen primärem und sekundärem Vaginismus unterschieden. Das heißt, die Symptome können schon immer (primär) vorhanden gewesen sein – wobei diese häufig erst in der Pubertät oder Adoleszenz entdeckt werden – oder sich erst im Laufe des Lebens entwickeln (sekundär).

Wie äußert sich Vaginismus?

Vaginismus äußert sich durch einen unwillkürlich auftretenden Scheidenkrampf beim Geschlechtsverkehr. Durch die Verkrampfung wird der Scheideneingang zu eng, was entweder starke Schmerzen beim Sexualverkehr verursacht oder jegliches Eindringen sogar ganz verhindert. Auch die Anspannung der Muskulatur selbst verursacht in der Regel Schmerzen.

Die Probleme können auf das Eindringen des Penis während des Geschlechtsverkehrs beschränkt sein, sodass beispielsweise gynäkologische Untersuchungen oder die Verwendung von Tampons möglich bleiben. Gleichzeitig gibt es aber auch Frauen, bei denen zusätzlich vollständiges oder teilweises Einführen anderer Objekte wie beispielsweise Tampons in die Scheide unmöglich ist. Dadurch können bei Vaginismus auch gynäkologische vaginale Untersuchungen erschwert oder ganz verhindert werden. Während ihrer Periode verwenden betroffene Frauen dann Binden.

Viele vaginistische Frauen sind sexuell aktiv und beschreiben ihre Sexualität als befriedigend und lustvoll mit Ausnahme der beschriebenen Symptomatik.

Symptome von Vaginismus im Überblick

Zu den Symptomen von Vaginismus gehören:

  • Verkrampfungen der Beckenboden- und Vaginalmuskulatur
  • Schmerzen
  • ein belastetes Selbstwertgefühl
  • negative Gefühle wie Scham und Schuld
  • Ängste
  • Depressionen

Was Vaginismus nicht ist: Dyspareunie oder Vulvodynie

Vaginismus ist von der Dyspareunie (Schmerzen beim Sexualverkehr, die sowohl bei Männern als auch Frauen auftreten können,) sowie der Vulvodynie (Scheidenschmerz) abzugrenzen. Bei Letzterer leiden die Betroffenen ohne kausale Ursache unter anhaltenden Schmerzen im Bereich des Scheideneingangs. Diese Schmerzen treten unabhängig von mechanischen Belastungen auf und können bereits durch leichte Berührung, beispielsweise durch das Tragen von eng anliegender Unterwäsche, ausgelöst werden.

Was ist die Genito-Pelvine Schmerz-Penetrationsstörung (GPSPS)?

Die GPSPS ist eine relativ neue Diagnose, bei der das gleichzeitige Auftreten der sexuellen Funktionsstörung Dyspareunie (Schmerzen beim Sexualverkehr) und Vaginismus in einem Krankheitsbild vereint sind. Bei der GPSPS liegt demnach der Fokus auf den Gemeinsamkeiten beider Beschwerdebilder: der erschwerten bis nicht möglichen Penetration sowie den Schmerzen.

Scheidenkrampf beim Sex – Herausforderung für die Partnerschaft

Wenn überhaupt, so ist bei Vaginismus nur ein schmerzhafter Geschlechtsverkehr für die Betroffenen möglich. Eine dadurch entstehende sexuelle Funktionsstörung kann starke negative Auswirkungen auf eine Partnerschaft haben. Häufig leiden die Partner in der Folge an Erektionsstörungen und/oder eine Partnerschaft zerbricht an der zu hohen Belastung. Auch ein möglicherweise bestehender Kinderwunsch kann unerreichbar erscheinen. Die Partner*innen von Frauen mit Vaginismus sollten, wenn möglich, in die Therapie eingebunden werden.

Übrigens: Es ranken sich zahlreiche Mythen um den Scheidenkrampf, etwa dass dieser einen Penisbruch zur Folge haben oder dass der Penis steckenbleiben und nur mit notärztlicher Hilfe befreit werden könne. Normalerweise besteht diesbezüglich kein Grund zur Sorge, denn meistens verhindert der Vaginalkrampf das Eindringen des Penis ohnehin. Zudem beträgt die Dauer eines Scheidenkrampfs meist höchstens einige Minuten. Nur in den seltensten Fällen tritt der Krampf erst beim Sexualverkehr auf oder dauert längere Zeit an.

Die Auslöser: Was verursacht einen Scheidenkrampf?

Für eine erfolgreiche Therapie ist es wichtig zu verstehen, was die Ursachen des Vaginismus, also der Schmerzen und der unwillkürlichen Anspannung der Vagina, sein können. Da es sich dabei um einen bedingten (also erworbenen), psychologischen Abwehrreflex handelt, verbindet die Patientin sexuelle Aktivität mit Schmerzen und Angst. Diese Sexualangst kann anerzogen sein oder auf unangenehme oder sogar traumatische Erlebnisse wie zum Beispiel Missbrauch, Verletzungsangst nach Geburten oder auch schmerzhafte vaginale Untersuchungen zurückgehen. Auch die Tabuisierung von Sexualität in der Erziehung, unzureichende Informationen über das Geschlecht oder negative Assoziationen in Bezug auf Geschlechtsverkehr im Allgemeinen können Ursachen von Vaginismus sein.

In den allermeisten Fällen ist Vaginismus psychisch bedingt. In seltenen Fällen können jedoch auch körperliche Ursachen die Probleme auslösen, etwa angeborene Fehlbildungen im Intimbereich oder Vernarbungen nach einer Geburt. Darüber hinaus können beispielsweise Blasenentzündungen oder eine hormonell bedingte Scheidentrockenheit infolge der Wechseljahre den Geschlechtsverkehr schmerzhaft werden lassen und so aus Angst vor unangenehmen Empfindungen den Anspannungsreflex verursachen.

Wie wird die Diagnose gestellt?

Ein wichtiger Bestandteil der Diagnose von Vaginismus ist ein systematisches Anamnesegespräch. Hier werden Symptomatik, sexuelle Beschwerden und das Sexualleben der Patientin besprochen, um so mögliche psychische Ursachen aufzudecken. Da es für Betroffene häufig mit Scham besetzt ist, über ihre Sexualität zu sprechen, sind eine vertrauensvolle Atmosphäre und Einfühlungsvermögen ärztlicherseits für ein erfolgreiches Anamnesegespräch wichtig.

Des Weiteren wird mit Einverständnis der Patientin und sofern körperlich möglich die*der Ärztin*Arzt auch eine gynäkologische Untersuchung vornehmen. Bei Patientinnen, die unter Vaginismus leiden, ist hierbei ein besonderes Vorgehen nötig. Je nachdem, welche körperlichen Einschränkungen bei der Betroffenen vorliegen, erfolgen beispielsweise ein Tastbefund, Ultraschall oder Abstrich.

Mit welcher Therapie kann man Vaginismus heilen?

Die positive Nachricht: Der Erfolg einer Therapie bei Vaginismus liegt bei etwa 90 Prozent. Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Beschwerden zu behandeln.

Grundsätzlich ist eine multimodale Behandlung – also das Verfolgen unterschiedlicher Behandlungsansätze – für eine erfolgreiche Therapie sinnvoll. Die Behandlung kann folgende Bestandteile umfassen:

  • Sexual- / Psychotherapie
  • Gewöhnung durch Übungen zum Dehnen der Vagina
  • Medikamente

Psychotherapeutische Behandlung bei Scheidenkrämpfen

Bei der Therapie der Scheidenkrämpfe ist eine begleitende konfliktzentrierte Psycho- beziehungsweise Sexualtherapie essenziell. Diese sollte auf einer vertrauensvollen Basis stattfinden und es ist meist sinnvoll, auch den*die Partner*in in die Therapie miteinzubeziehen.

Ebenso wichtig ist die Aufklärung der Betroffenen in Bezug auf die Anatomie des weiblichen Geschlechtsorgans und das Abbauen etwaiger Hemmungen vor der Berührung des eigenen Körpers. Auf diesem Weg können auch die eigene Körperwahrnehmung und die Wahrnehmung eigener sexueller Bedürfnisse verbessert werden.

Dehnübungen bei Vaginismus

Die Psychotherapie kann bei Zustimmung der Patientin mit langsamer Gewöhnung und Dehnübungen der Vagina kombiniert werden, wobei die Gewöhnung meist durch eine gynäkologische Untersuchung eingeleitet wird. Wenn diese Untersuchung bei der jeweiligen Patientin mit Vaginismus möglich ist, kann mittels eines Spekulums behutsam die Dehnungsfähigkeit der Vagina veranschaulicht werden. Das Spekulum ist ein metallenes Untersuchungsinstrument, mit dem die Scheide sanft aufgespreizt werden kann.

Sollte eine gynäkologische Untersuchung nicht möglich sein, kann die Patientin zu Hause selbst versuchen, die vaginale Dehnungsfähigkeit zu erkunden. Dafür kann sie entweder ihre Finger einsetzen oder auch einen Vaginaldilator. Ein Dilator ist ein medizinisches Hilfsmittel zum Weiten der Vagina und zur „Desensibilisierung“ der Muskeln. Die stabförmigen Geräte werden meist in einem Set aus verschiedenen Größen angeboten, sodass eine langsame Steigerung von dünn zu dick erfolgen kann.

Medikamentöse Behandlung bei Scheidenkrämpfen

Bei Vaginismus können zusätzlich zu den genannten Maßnahmen Medikamente zur Vorbeugung der Verkrampfungen eingesetzt werden. Dazu gehören zum Beispiel Lokalanästhetika und Muskelrelaxantien. Injektionen mit Botulinumtoxin A (Botox®) lösen Verspannungen der Muskulatur, werden aber nur experimentell eingesetzt. Generell gilt, dass für eine erfolgreiche Heilung des Vaginismus eine Psycho- beziehungsweise Sexualtherapie notwendig ist.

Wie lange dauert es, Vaginismus zu heilen?

Der Erfolg einer gesprächsbasierten Psychotherapie ist von mehreren Faktoren stark abhängig. Dazu zählen beispielsweise die Motivation der Betroffenen, aber auch die Schwere der psychogenen Ursache. In der Regel sind fünf bis zehn Sitzungen einer (Paar-)Therapie ausreichend, um Erfolge bei der Behandlung des Vaginismus zu erzielen.

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Was kann ich bei Vaginismus selbst machen?

Betroffene fragen sich häufig, was sie selbst zur Behandlung des Vaginismus beitragen können. Zusätzlich zu den Therapien mit ärztlicher Begleitung gibt es noch die folgenden Maßnahmen zur Verbesserung der Symptomatik:

  • Erlernen von Entspannungstechniken (beispielsweise Progressive Muskelrelaxation oder Atemübungen)
  • Beckenbodentraining zur Kontrolle der willkürlichen Beckenbodenmuskulatur
  • Übungen zur Dehnung des vaginalen Gewebes mit Dilatoren

Scheidenkrampf selber lösen?

Sobald Schmerzen während des Geschlechtsverkehrs auftreten, sollte die Betroffene mit ihrem*ihrer Partner*in darüber sprechen. Gegebenenfalls können gemeinsame Entspannungsübungen in der Situation für Linderung sorgen. Wichtig bleibt aber, behutsam vorzugehen und die Ruhe zu bewahren. In einer Sexualtherapie kann der Umgang mit einer akuten Situation besprochen werden, um für Entlastung zu sorgen.

Vaginismus: Prognose und Verlauf

Unbehandelt bessert sich Vaginismus meist nicht. Sofern allerdings eine Behandlung erfolgt, ist die Prognose ausgesprochen günstig: Etwa 90 Prozent der Fälle werden erfolgreich therapiert.

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