Amyloidose: Was steckt hinter der seltenen Krankheit?
Eine Amyloidose kann im Rahmen verschiedener Erkrankungen, unter anderem dem Multiplen Myelom, auftreten. Es handelt sich dabei um eine sehr seltenen Proteinfaltungserkrankung. Hierbei lagern sich Eiweiße an Stellen ab, an die sie nicht gehören. Dadurch können Organe geschädigt werden und ihre Aufgabe nicht mehr richtig erfüllen. Heilbar ist die Amyloidose zwar nicht, jedoch können verschiedene Therapien den Verlauf stoppen und die Symptome lindern. Wir klären hier alle Fragen zur Entstehung, Behandlungsmöglichkeiten und dem Verlauf dieser seltenen Erkrankung.
Was ist eine Amyloidose?
Der Begriff Amyloidose umfasst eine Gruppe von verschiedenen Erkrankungen, bei denen im Körper Ablagerungen von Proteinen entstehen. Diese Proteine verklumpen und können in der Folge Organschäden verursachen. In schweren Fällen ist sogar ein tödlicher Verlauf möglich.
Es werden mehrere Formen der Amyloidose unterschieden, abhängig davon, welches Protein die Erkrankung verursacht. Hierzulande tritt die Leichtketten-Amyloidose am häufigsten auf.
Um die Ursache und Entstehung einer Amyloidose zu verstehen, hilft es, zunächst die Rolle von Proteinen im Körper zu betrachten.
Was ist ein Protein?
Proteine (Eiweiße) übernehmen wichtige Aufgaben in unserem Körper. Sie können als Enzyme andere Stoffe verarbeiten, als Hormone Botschaften von einem Organ zum nächsten übertragen, sie arbeiten beim Ablesen des Erbguts mit und vieles mehr. Damit sie diese Aufgaben erfüllen können, muss jedes Protein korrekt hergestellt werden.
Ein Protein besteht aus einer langen Aminosäurekette, die sich durch chemische Wechselwirkungen zwischen diesen Aminosäuren faltet und zusammendreht, bis das Protein seine richtige dreidimensionale Form erlangt hat. Zwei wichtige Strukturelemente sind hierbei die sogenannte alpha-Helix und das beta-Faltblatt. Bereits im Erbgut ist festgelegt, wie genau sich ein Protein falten muss, damit es seine Funktion später korrekt ausüben kann.
Wenn beim Herstellungsprozess etwas schiefläuft, kann es passieren, dass ein Protein sich falsch faltet und seine Funktion daher nicht ausüben kann. Das kaputte Protein wird normalerweise noch in der Zelle, in der es gebildet wurde, als fehlerhaft erkannt. Manchmal kann es noch repariert werden, andernfalls wird es direkt wieder abgebaut. Wird ein solches Protein von diesem Kontrollmechanismus übersehen, wird es wie ein gesundes Eiweiß aus der Zelle ausgeschleust und an seinen Einsatzort geschickt. Hier wird es in der Regel vom Immunsystem erkannt und von körpereigenen Zellen (Makrophagen) abgebaut.
Wie entsteht eine Amyloidose?
Bei der Amyloidose kommt es zu Fehlern in diesem Herstellungsprozess der Proteine. Je nach Form der Amyloidose wird ein bestimmtes Eiweiß fehlgefaltet. Die Amyloidose wird daher auch zu den Proteinfaltungskrankheiten gezählt.
Die fehlgefalteten Proteine werden vom Kontrollmechanismus der Zelle nicht erkannt und aus der Zelle ausgeschleust. Sie lagern sich im Bereich zwischen den Zellen einzelner Organe, im sogenannten Interstitium oder Extrazellularraum, zu langen Fasern – sogenannten Fibrillen – zusammen. Diese Fibrillen aus Proteinen werden als Amyloid bezeichnet.
Im Rahmen einer Amyloidose fallen sehr viele fehlerhafte Proteine an. Die Makrophagen schaffen es daher nicht, alle anfallenden Proteine abzubauen. Erschwerend kommt außerdem hinzu, dass die Amyloide zum Teil nicht von den Makrophagen erkannt werden. Dadurch vergrößern sich die Amyloidablagerungen weiter und zerstören im Verlauf der Erkrankung das betroffene Organ oder Gewebe. Es kommt zu unumkehrbaren Schädigungen und damit auch zu Funktionseinschränkungen oder -verlusten.
Die Ausprägung der Amyloidose kann unterschiedlich sein. Die systemische Amyloidose betrifft den ganzen Körper, während sich die lokale Amyloidose auf einzelne Organe oder Gewebe beschränkt. Je nach Typ der Amyloidose wird meist nur ein einziges Protein fehlgefaltet.
Ursachen der Amyloidose
In den meisten Fällen wird die Amyloidose durch eine andere Erkrankung hervorgerufen. Krankheiten, die in Verbindung mit einer Amyloidose stehen können, sind zum Beispiel:
- ein Multiples Myelom (auch: Plasmozytom)
- Infektionen wie Tuberkulose oder Osteomyelitis
- chronische Entzündungen wie Morbus Crohn, rheumatoide Arthritis
- Lymphome
- Diabetes mellitus
- Alzheimer
In seltenen Fällen kann die Amyloidose auch erblich bedingt sein und von einer Generation an die nächste weitergegeben werden.
Die verschiedenen Formen der Amyloidose
Die Amyloidose wird in verschieden Untergruppen unterteilt. Früher klassifizierte man die Amyloidose in einen primären Typen ohne erkennbare Grunderkrankungen, einen sekundären Typen, dessen Ursache eine andere Erkrankung ist, und einen hereditären Typen, bei dem die Vererbung eine Rolle spielt.
Heute ist man von der Einteilung in primär und sekundär weggekommen und spricht im Allgemeinen von erworbenen Formen der Amyloidose, in Abgrenzung zu den erblich bedingten Formen. Die Unterteilung wird nun anhand des betroffenen Eiweißes vorgenommen. Die Benennung der Typen erfolgt dabei mit einem A (für Amyloid) und einem Buchstaben, der das entsprechende Protein beschreibt.
AL-Amyloidose als häufigste Form
Die häufigste Amyloidoseform in industrialisierten Ländern wie Deutschland ist die AL-Amyloidose (L = Leichtkette) oder Leichtketten-Amyloidose. Häufig tritt sie im Rahmen eines Multiplen Myeloms auf, einer Form des Knochenmarkkrebs. Etwa zehn Prozent aller Menschen, die an einem Multiplen Myelom leiden, entwickeln im Verlauf der Krebserkrankung eine AL-Amyloidose. Man spricht dann auch von einer Myelom-assoziierten Amyloidose.
Noch öfter steht die AL-Amyloidose in Zusammenhang mit einer sogenannten Monoklonalen Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS). Ähnlich wie beim Multiplen Myelom sind hier fehlerhafte Plasmazellen für die Entstehung der Erkrankung verantwortlich.
Wie entsteht eine AL-Amyloidose?
Immunglobuline, die Abwehrkörper des Immunsystems, werden im Knochenmark von Plasmazellen gebildet. Sie bestehen aus je zwei leichten und zwei schweren Proteinketten. Auch im gesunden Menschen produzieren die zuständigen Plasmazellen mehr leichte als schwere Ketten. Nicht alle werden also zum Bau der Immunglobuline benötigt. Diese überschüssigen leichten Ketten befinden sich im gesunden Menschen als "Freie leichte Ketten" im Blutplasma.
Kommt es zu einer Störung der Plasmazellen im Knochenmark, wird dieser Überschuss nicht nur größer, es werden auch mehr anormale (also fehlerhafte) leichte Ketten gebildet. Diese sammeln sich nun wie oben beschrieben im Extrazellularraum an und verursachen dort Schäden.
Weitere erworbene Amyloidosen
Neben der AL-Amyloidose werden noch weitere erworbenen Formen der Amyloidose unterschieden. Dazu zählen, neben weiteren Formen, unter anderem:
- AA-Amyloidose: Sie tritt bei Infektionen oder chronischen Entzündung durch die vermehrte Bildung des Akute-Phase-Proteins Serum-Amyloid-A auf. Normalerweise helfen Akute-Phase-Proteine, die Erreger und Entzündungsursachen zu bekämpfen. Krankheiten, die dieser Form der Amyloidose vorausgehen können, sind Tuberkulose, chronisch entzündliche Darmerkrankungen, rheumatoide Arthritis und einige Lymphome und Krebserkrankungen.
- AE-Amyloidose: Die Amyloide stammen bei dieser Form von endokrinen Hormonen ab, also Botenstoffen, die von Drüsen wie der Bauchspeicheldrüse oder der Schilddrüse in das Innere des menschlichen Körpers abgegeben werden. Auslöser kann hier ein Diabetes mellitus sein.
- AS-Amyloidose: Durch Veränderungen im Alter verändert sich auch die Proteinherstellung und damit kommt es zu Fehlfaltungen, die sich in Form einer natürlichen Altersamyloidose zeigen. Die AS-Amyloidose kann aber auch im Rahmen einer Alzheimer- oder Herzmuskelerkrankung auftreten.
- Die Aβ-Amyloidose ist typisch für eine Alzheimererkrankung und betrifft nur das Gehirn.
- Die Aβ-2-Amyloidose kann nach langer Zeit der Dialyse (Nierenersatzverfahren) entstehen.
Was ist eine ATTR-Amyloidose?
Von den oben genannten erworbenen Formen unterscheidet man erbliche (heriditäre) Formen der Amyloidose. Am häufigsten unter den vererbbaren Amyloidosen ist die ATTR-Amyloidose. Durch eine Genmutation ist ein Protein des Blutserums, das Transthyretin, verändert.
Betroffen sind meistens das periphere Nervensystem, das heißt alle Nervenbahnen, die außerhalb des Gehirns verlaufen, und das Herz. Entsprechend leiden die betroffenen Menschen unter Problemen mit dem Gespür, der Bewegungssteuerung und der Herzfunktion.
Es gibt auch andere erbliche Formen der Amyloidose, die allerdings sehr selten sind. Hierzu zählen die AFib-Amyloidose, die nur die Nieren betrifft, und die ApoA-I-Amyloidose, die Niere, Leber und Herz betrifft.
Symptome: Wie zeigt sich eine Amyloidose?
Eine Amyloidose kann sowohl systemisch, also den ganzen Körper betreffend, oder lokal auf ein Organ oder Gewebe begrenzt auftreten. Am Anfang zeigt sich eine Amyloidose meistens mit allgemeinen Anzeichen wie Müdigkeit, Appetitlosigkeit und geringer körperlicher Belastbarkeit. Das macht eine Diagnose im frühen Stadium sehr schwierig.
Erst wenn bereits Organschädigungen entstanden sind, haben die Betroffenen speziellere Symptome. Diese hängen dann stark von dem oder den betroffenen Organen ab.
Ist beispielsweise das Herz im Rahmen einer kardialen Amyloidose betroffen, fallen den Betroffenen Herzstolpern oder -rasen, ein niedriger Blutdruck mit Schwindel, Schwellungen der Beine durch Wassereinlagerungen oder auch Kurzatmigkeit auf. Wassereinlagerungen zeigen sich auch bei Amyloidablagerungen in der Niere.
Ein Befall des peripheren Nervensystems, das für die Sensibilität und Teile der Bewegungssteuerung verantwortlich ist, zeigt sich mit Kribbeln, Taubheitsgefühlen und Bewegungseinschränkungen in den Armen und Beinen. Typisch bei der AL-Amyloidose zum Beispiel im Rahmen eines Multiplen Myeloms ist außerdem ein Karpaltunnelsyndrom, das ist eine Nervenquetschung im Bereich des Handballens. Allerdings kann auch das autonome (also nicht vom Menschen willkürlich zu steuernde) Nervensystem betroffen sein und Probleme mit der Ausscheidung (Stuhl und Urin) oder mit dem Herzschlag verursachen. Ein Befall des Magen-Darm-Traktes kann Beschwerden wie Durchfall oder Verstopfung auslösen.
Da die Anzeichen einer Amyloidose zunächst nur auf ein geschädigtes Organ hinweisen, kann keine Diagnose allein anhand der Symptome gestellt werden.
Diagnostik einer Amyloidose
Ein Hinweis auf eine Amyloidose ist es, wenn die oben genannten Grunderkrankungen bestehen und zusätzlich Anzeichen für Organschäden oder Funktionsstörungen auftreten. Wenn vermutet wird, dass eine Amyloidose besteht, entnimmt ein Arzt oder eine Ärztin eine Gewebeprobe (Biopsie). Diese Probe muss nicht aus dem betroffenen Organ entnommen werden. Meist wird sie aus dem Mastdarm (Rektum) oder dem Mund entnommen. Mit einer bestimmten Färbung und Beleuchtung kann dann unter dem Mikroskop das Amyloid nachgewiesen werden. Im Anschluss wird mithilfe der Immunhistologie (einer bestimmten Methode im Labor) untersucht, welches Protein die Amyloide ausbildet. So kann man den Typ der Amyloidose feststellen.
Außerdem erfolgen eine Blutentnahme und die Untersuchung des Urins auf Proteine. Anhand der Blutwerte können Ärztinnen und Ärzte die Funktion verschiedener Organe beurteilen und abschätzen, wo und in welchem Maße Schädigungen vorliegen. Auch ermöglichen die Blutwerte in vielen Fällen eine Einschätzung der zugrundeliegenden Krankheit.
Durch bildgebende Verfahren wie Röntgen-, CT- und MRT-Aufnahmen können einzelne Organe und Gewebe dargestellt werden. Auch die Amyloide sind auf den Bildern zu sehen. So kann die Ausbreitung der Amyloidose weiter abgeschätzt werden. Um die genaue Ausbreitung zu erfahren, kann eine Szintigraphie durchgeführt werden. Hierbei wird ein Bestandteil (Serum Amyloid P), der in allen Amyloidablagerungen unabhängig von der Amyloidoseform vorhanden ist, radioaktiv markiert und mithilfe einer MRT-Untersuchung sichtbar gemacht.
Behandlung: Kann man Amyloidose heilen?
Wird eine Amyloidose nicht behandelt, schreitet sie weiter fort und kann immer größere Schäden verursachen. Leider gibt es keine Therapie, die die Amyloidose heilt. Es ist lediglich möglich, die Symptome zu lindern und die Grunderkrankung zu behandeln. Durch die Behandlung der Grunderkrankung kann aber zum einen die Entstehung einer Amyloidose verhindert werden. Zum anderen kann das Fortschreiten der Amyloidose, wenn sie bereits entstanden ist, verlangsamt oder für eine gewisse Zeit sogar gestoppt werden.
Wie die Behandlung aussieht, richtet sich einerseits nach dem Typ der Amyloidose, andererseits nach den betroffenen Organen. Ist beispielsweise die Niere betroffen, werden Medikamente wie Diuretika (Entwässerungsmittel) eingesetzt oder es wird eine Nierenersatztherapie (Dialyse) vorgenommen. Wenn das Herz Probleme macht, können ein Herzschrittmacher oder Medikamente gegen Herzrhythmusstörungen helfen.
Betroffene, die am Mittelmeerfieber (einer genetisch bedingten Erkrankung mit Fieberschüben) leiden und damit ein hohes Risiko für eine AA-Amyloidose haben, können den Amyloidablagerungen durch das Medikament Colchicin entgegenwirken. Colchicin verhindert bei lebenslanger Einnahme die Entstehung einer Amyloidose.
Bei der AL-Amyloidose steht die Behandlung des Knochenmarks im Vordergrund. Mit hochdosierten Chemotherapien und einer Stammzelltransplantation wird versucht, die gestörten Plasmazellen zu beseitigen und eine normale Funktion des Knochenmarks wiederherzustellen. So wird verhindert, dass die Amyloidablagerungen immer größer werden. Es wird versucht, eine Remission, also einen Stillstand der Erkrankung, zu erreichen. Wenn dies gelingt, sind regelmäßige Kontrollen notwendig, um schnell reagieren zu können, wenn das Multiple Myelom oder die Monoklonalen Gammopathie unklarer Signifikanz wieder aktiv wird.
Ist Amyloidose tödlich?
Eine Amyloidose kann tödlich verlaufen, weil die Amyloidablagerungen Organe schädigen und diese sogar funktionsunfähig machen können. Wenn die Diagnose einer Amyloidose früh gestellt wird und eine Therapie der zugrunde liegenden Erkrankung möglich ist, können diese Organschäden verhindert oder zumindest für einige Zeit aufgehalten werden.
Trotzdem ist die Lebenserwartung der meisten Betroffenen eingeschränkt. Wie lange man mit Amyloidose leben kann, hängt aber sehr von der Art, den betroffenen Organen, dem Gesundheitszustand der betroffenen Person und dem Zeitpunkt der Diagnose ab und lässt sich nicht pauschal beantworten.
Leben mit Amyloidose – was kann ich tun?
Es gibt keinen speziellen Lebensstil, der die Prognose einer Amyloidose verbessert. Allerdings ist es wichtig, bei Kräften zu bleiben und den Körper zu stärken. Dafür spielen eine gesunde Ernährung und Bewegung wie bei vielen Krankheiten eine große Rolle.
Außerdem kann die Ernährung helfen, bestimmte Symptome zu lindern. So helfen bei Durchfällen zum Beispiel Reis oder pektinhaltige Lebensmittel wie Äpfel und gegen Verstopfung sind Vollkornprodukte mit vielen Ballaststoffen gut. Im Falle von Wassereinlagerungen durch Schädigung der Nieren oder bei Herzproblemen kann es ratsam sein, in Absprache mit dem behandelnden Arzt die Zufuhr von Salz und Flüssigkeit zu reduzieren.
Eine Forschungsgruppe der Universität zu Heidelberg hat außerdem die Wirkung von grünem Tee untersucht. Der Stoff Epigallocatechingallat (EGCG), der im grünen Tee zu finden ist, konnte im Reagenzglas die Bildung von Amyloidfibrillen verhindern.* Die Forschung zur tatsächlichen Wirksamkeit ist aber noch nicht abgeschlossen. Grüner Tee wirkt sich aber unabhängig von einer Amyloidose positiv auf unseren Stoffwechsel aus und kann daher ein Teil einer gesunden Ernährung sein.