Spinalkanalstenose an HWS und LWS: Symptome, Übungen und OP
Die Wirbelsäule nimmt eine zentrale Funktion in unserem Körper wahr. Durch sie erhalten wir Stabilität und Beweglichkeit und sie ist äußerst wichtig für unseren aufrechten Gang. Dadurch wird die Wirbelsäule jedoch tagtäglich stark beansprucht. So scheint es nicht überraschend, dass sie häufig von Erkrankungen im Rahmen von Verschleißerscheinungen betroffen ist. Bis zur Vollendung des 50. Lebensjahres haben mehr als 70 Prozent der Deutschen schon Erfahrungen mit Rückenbeschwerden gemacht, Wirbelsäulenerkrankungen führen zu etwa 20 Prozent aller krankheitsbedingten Arbeitsausfälle. Eine häufige Erkrankung stellt hierbei die Spinalkanalstenose dar. Was man darunter versteht, welche Symptome für das Krankheitsbild typisch sind und was man gegen eine Spinalkanalstenose machen kann, das erfahren Sie im Folgenden.
Was ist eine Spinalkanalstenose?
Um das Krankheitsbild der Spinalkanalstenose zu verstehen, ist es notwendig, kurz in den Aufbau unseres Rückens beziehungsweise unserer Wirbelsäule einzusteigen. Unsere Wirbelsäule besteht aus verschiedenen Abschnitten: der Halswirbelsäule (sieben Wirbelkörper), der Brustwirbelsäule (zwölf Wirbelkörper), der Lendenwirbelsäule (fünf Wirbelkörper) sowie fünf Sakralwirbeln und drei bis fünf Steißwirbeln.
Jeder Wirbelkörper besitzt in der Mitte einen Hohlraum (Foramen vertebrale), durch den das Rückenmark verläuft. Dieser Raum nennt sich Spinalkanal oder Wirbelkanal. Immer links und rechts der Wirbelkörper, beziehungsweise meistens etwas nach unten versetzt, verlassen die sogenannten Spinalnerven das Rückenmark. Diese versorgen verschiedene Muskeln und Hautabschnitte unseres Körpers. Die Spinalnerven zweigen vom Rückenmark ab und treten an den Wirbelkörpern an den sogenannten Zwischenwirbellöchern (Foramina intervertebralia) links und rechts vom Spinalkanal aus. Kommt es nun zu einer Spinalkanalverengung (Stenose) oder aber zu einer Verengung der Zwischenwirbellöcher, tritt typischerweise das Krankheitsbild der Spinalkanalstenose (auch Wirbelkanalstenose genannt) auf.
HWS, BWS und LWS – wo hat man eine Spinalkanalstenose?
Wie bereits erwähnt, besteht unsere Wirbelsäule aus verschiedenen Abschnitten. Die Halswirbelsäule (HWS), die Brustwirbelsäule (BWS) und die Lendenwirbelsäule (LWS) bilden hierbei jeweils einen einzelnen Abschnitt. Von der Spinalkanalstenose kann prinzipiell jeder dieser Abschnitte betroffen sein.
Ist die Halswirbelsäule betroffen, spricht man von einer zervikalen Spinalkanalstenose, bei der Brustwirbelsäule von einer thorakalen und bei der Lendenwirbelsäule von einer lumbalen Spinalkanalstenose. Je nach Verortung der Schädigung treten unterschiedliche Symptome auf.
Am häufigsten betroffen ist übrigens die Lendenwirbelsäule. Eine Stenose tritt hierbei zumeist zwischen dem dritten und vierten Lendenwirbelkörper (LWK 3/4) oder dem vierten und fünften Lendenwirbelkörper (LWK 4/5) auf. Die Halswirbelsäule ist am zweithäufigsten betroffen.
Eine Spinalkanalstenose an der Brustwirbelsäule tritt eher selten auf.
Wodurch wird eine Spinalkanalstenose verursacht?
Unser aufrechter Gang ist eine große Errungenschaft der Evolution. Jedoch fordert er, ebenso wie unsere überwiegend sitzende Tätigkeit, seinen Tribut. Im Laufe des Lebens kommt es an der Wirbelsäule und damit auch am Spinalkanal und den Zwischenwirbellöchern zu Verschleißerscheinungen. Medizinisch spricht man hierbei von sogenannten "degenerativen Veränderungen". Diese führen zu einer Wirbelkanalverengung oder einer Verengung der Zwischenwirbellöcher und somit letztendlich zum Krankheitsbild der Spinalkanalstenose.
Ein Beispiel für diese Veränderungen sind knöcherne Anbauten (Spondylophyten), die den Platz für das Rückenmark und die Spinalnerven vermindern. Eine weitere Ursache sind Alterserscheinungen der Gelenke zwischen den Wirbelkörpern (Facettengelenke). Wie bei allen Gelenken im Körper kann es auch hier zu Abnutzungen kommen. Man spricht dann von einer "Facettengelenksarthrose" (Spondylarthrose). Zudem kann es altersbedingt zu einer Instabilität der Wirbelsäule und damit zu einer Verschiebung der Wirbelkörper gegeneinander kommen (Spondylolisthesis oder auch "Wirbelgleiten").
Eine häufigere und bekanntere Ursache sind zudem Bandscheibenvorfälle. Oftmals reicht aber auch schon eine Höhenminderung der Bandscheiben als Auslöser der Beschwerden aus, was eine häufige Alterserscheinung darstellt. Natürlich gibt es noch viele andere, seltenere Ursachen, die zu einer Einengung des Spinalkanals führen können. Jedoch zählen die zuvor genannten (Spondylophyten, Facettengelenksarthrose, Bandscheibenvorfälle) zu den häufigsten.
Welche Symptome treten bei einer Spinalkanalstenose auf?
Typischerweise tritt die Spinalkanalstenose am unteren Abschnitt der Wirbelsäule (Lendenwirbelsäule) auf. Es kann dann zu folgenden Symptomen kommen:
- starke Schmerzen an der unteren Rückenpartie, die bis in das Gesäß oder die Beine ausstrahlen können (einschießende Beinschmerzen)
- Taubheitsgefühl der Beine
- Besserung der Symptome durch Vorbeugen, weil dann wieder mehr Platz im Spinalkanal geschaffen wird
- Verschlechterung der Beschwerden durch ein Beugen nach hinten (Überstrecken der Wirbelsäule)
Weiterhin ist Bergaufgehen meist erträglicher als Bergabgehen, weil auch beim Bergabgehen eine leicht nach hinten gebeugte Haltung eingenommen wird und somit weniger Platz im Wirbelkanal vorhanden ist.
Die Schmerzen können in allen Lebenslagen auftreten. Beim Gehen, Stehen oder aber auch beim Treppensteigen. Betroffene können oft nur eine kurze Gehstrecke zurücklegen, bevor sie der Schmerz in einem oder beiden Beinen zum Stehenbleiben zwingt. Man spricht bei diesen Beschwerden auch von Claudicatio spinalis.
In seltenen Fällen kommt es zu einem Abdrücken (Kompression) der unteren Fasern des Rückenmarkes, was zu einem Verlust der Blasen- und Darmfunktion führt. Dies zeigt sich beispielsweise durch unkontrolliertes Absetzen von Harn oder Stuhl oder der mangelnden Fähigkeit, die Blase oder den Darm zu entleeren. Weiterhin können Lähmungserscheinungen auftreten. In solchen Fällen muss sofort ärztliche Hilfe aufgesucht werden.
Besondere Symptome bei Spinalkanalstenose an der HWS
Ist die Halswirbelsäule betroffen, können bisweilen auch gar keine Symptome auftreten. Dann kann es sein, dass die Wirbelkanalverengung im Rahmen eines CT oder eines MRT per Zufall festgestellt wird. Betroffene von zervikaler Spinalkanalstenose können aber auch über Nackenschmerzen sowie über eine eingeschränkte Beweglichkeit des Halses klagen.
Weiterhin kann es einseitig oder beidseitig zu Taubheitsgefühlen oder Kribbeln in Armen, Händen, Beinen oder Füßen kommen. Ebenso können Probleme mit dem Gleichgewichtssinn und Schwindel auftreten.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es bei Spinalkanalstenose?
Generell hängt die Behandlung von der Ausprägung sowie von der Schwere der Symptome ab. Jedoch wird in aller Regel zunächst mit einer konservativen Therapie mittels Physiotherapie, vorübergehender körperlicher Schonung und Schmerzmitteln begonnen.
Auch eine Spritzentherapie kann notwendig werden, beziehungsweise zu einer Linderung der Symptome beitragen. Hierbei werden bei sehr starken und anhaltenden Schmerzen Kortison und eine lokale Betäubung, ähnlich wie in der Zahnarztpraxis, in den Raum zwischen der Wirbelsäule und der Gewebsschicht, die das Rückenmark umhüllt, gespritzt. Manchmal erfolgt auch eine Injektion in den Raum der Facettengelenke.
Physiotherapie und Sport bei Wirbelkanalverengung
Bewegung ist bei einer Spinalkanalstenose ein elementarer Bestandteil der Therapie. Sprechen Sie deshalb in jedem Fall mit Ihrem*Ihrer Arzt*Ärztin über das Verschreiben von Physiotherapie. Die im Rahmen der Therapie erlernten Übungen können in vielen Fällen auch zu Hause durchgeführt werden.
Auch sportliche Betätigung kann hilfreich sein. Für den Rücken geeignete Sportarten stellen Nordic Walking und Schwimmen dar. Beim Schwimmen sollte man jedoch auf Brustschwimmen verzichten. Rückenschwimmen und Kraulen stellen schonende Alternativen dar. Beide Sportarten trainieren auch das Herz-Kreislauf-System. Weiterhin gibt es sogenannte Rückenzentren. In diesen meist speziellen Fitnessstudios hat man sich auf das Stärken des Rückens spezialisiert und kann Sie ausführlich beraten.
Welche Übungen gibt es bei Spinalkanalstenose?
Ein wichtiger Bestandteil, bei dem die Tiefenmuskulatur des Rückens gestärkt wird, ist ein Gleichgewichtstraining. So kann zum Beispiel das Training auf wackeligem Untergrund erfolgen. Zu Hause lässt sich dies unter anderem durch das Balancieren auf einem Bein üben.
Weiterhin sollte die Rückenmuskulatur gestärkt werden, etwa durch gezieltes Trainieren an Geräten. In den eigenen vier Wänden können die Übungen oftmals auch mit einem Theraband durchgeführt werden.
Folgende zwei Übungen können Sie zu Hause durchführen:
- Aktivierung an der Wand bei Spinalkanalstenose an der LWS: Lehnen Sie sich mit leicht gebeugten Knien gegen die Wand und schieben Sie anschließend das Becken nach vorne. Der Rücken wird so sanft gegen die Wand gedrückt. Halten Sie die Position für 20 Sekunden und wiederholen Sie die Übung anschließend mindestens zweimal.
- "Kinnschub" bei Spinalkanalstenose an der HWS: Setzen Sie sich aufrecht auf einen Stuhl, den Blick nach vorne gerichtet, Mittel- und Zeigefinger einer Hand befinden sich am Kinn. Schieben Sie nun das Kinn vorsichtig nach hinten, bis ein Doppelkinn entsteht. Diese Position sollte für insgesamt fünf Sekunden beibehalten werden. Anschließend sollten Sie die Übung mindestens zweimal wiederholen.
Welche Schmerzmittel werden bei Spinalkanalstenose verwendet?
Auch beim Krankheitsbild der Spinalkanalstenose kommen die gängigen und bekannten Schmerzmittel zum Einsatz. So werden hier nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) wie Paracetamol und Ibuprofen angewendet. Bringen diese keine Linderung der Beschwerden, können sie durch stärkere Schmerzmittel wie zum Beispiel Tramadol ergänzt werden.
Außerdem können Medikamente zur Linderung von Nervenschmerzen Besserung erbringen. Hierzu zählt zum Beispiel Gabapentin. Weiterhin können Epilepsiemedikamente und bestimmte Antidepressiva ergänzend zu den gängigen Schmerzmitteln eine Besserung der Symptome erbringen. Denn einige Antidepressiva beeinflussen die Schmerzweiterleitung im zentralen Nervensystem und können deshalb auch in bestimmten Fällen zur Linderung der Symptome beitragen.
OP bei Spinalkanalstenose
Bringen alle konservativen Therapiemöglichkeiten keine Besserung der Symptome, kann eine Operation notwendig werden. Weiterhin ist diese unumgehbar, wenn sich schwere Ausfälle der Nerven zeigen. Ein absoluter Notfall, der einer sofortigen OP bedarf, ist ein Verlust der Blasen- oder Darmfunktion. Die geplante Operation sollte idealerweise in einem Wirbelsäulenzentrum stattfinden. Die zuständige Fachrichtung ist zum Beispiel die Orthopädie oder die Neurochirurgie, oft arbeiten diese auch zusammen.
Bei der lumbalen Spinalkanalstenose erfolgt die Operation mittels sogenannter lumbaler Laminektomie. Hierbei wird ein Teil der Wirbel, die sogenannte Lamina als ein Teil des Wirbelbogens, entfernt, um den Druck auf das Rückenmark und die Spinalnerven zu verringern (Dekompression). In einigen Fällen kann auch die Bohrung eines Loches in den Wirbelbogen ausreichen, um den Druck zu mindern.
Müssen mehrere Wirbelbögen entfernt werden, kann eine Stabilisierung der Wirbelsäule mittels Metallimplantaten notwendig werden. Der Eingriff erfolgt heutzutage in der Regel minimalinvasiv, also durch kleine Schnitte.
Kommt es durch Wirbelgleiten zu einer Spinalkanalstenose, kann es zusätzlich zur Laminektomie notwendig sein, einzelne Wirbel miteinander zu verbinden und so zu versteifen.
OP bei zervikaler Spinalkanalstenose
Bei der zervikalen Spinalkanalstenose sieht der Eingriff vom Prinzip her ähnlich aus. Ein großer Unterschied besteht darin, dass es zwei unterschiedliche Herangehensweisen gibt. Der Zugang von vorne am Hals (ventral) ist eine OP-Technik, der Zugang von hinten am Hals (dorsal) der andere.
Sollte Ihnen eine OP empfohlen werden und alle konservativen Therapiemöglichkeiten zu keiner Besserung geführt haben, sprechen Sie in jedem Fall über die OP-Möglichkeiten und den Ablauf mit einem*einer Spezialist*in und lassen Sie sich ausführlich beraten. Die Erfolgsaussichten bei einer Operation sind aber in aller Regel vielversprechend und erbringen rasch eine Besserung der Symptome.
Kann sich eine Spinalkanalstenose zurückbilden?
Zurückbilden kann sich eine Spinalkanalstenose leider nicht. Einmal entstanden, bleibt die Verengung bestehen. Durch gezielte Übungen, auch unterstützt durch Physiotherapie, ausreichend Bewegung und einen gesunden Lebensstil kann jedoch ein Fortschreiten oft erfolgreich verhindert und die Symptome verbessert werden. Die gute Nachricht lautet außerdem: Eine Operation ist nur in seltenen Fällen notwendig.