Fibromyalgie: Symptome & Behandlung des Syndroms
Fibromyalgie zeigt sich vor allem durch starke Muskelschmerzen in verschiedenen Körperregionen. Oft leiden die Betroffenen ständig an schlimmen Schmerzen, suchen immer wieder ärztlichen Rat und dennoch dauert es häufig Jahre, bis die Diagnose gestellt wird. Die Erkrankung ist zwar nicht gefährlich, kann aber eine enorme Belastung darstellen und die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Im Folgenden stellen wir Ihnen typische Symptome des Fibromyalgiesyndroms vor und erklären, was Sie über Ursachen, Behandlung und Verlauf der Krankheit wissen sollten.
Was ist Fibromyalgie?
Das Fibromyalgiesyndrom (FMS), kurz Fibromyalgie, ist eine chronische, nicht-entzündliche Schmerzerkrankung, deren Ursache noch nicht vollständig bekannt ist. Ihr charakteristisches Symptom sind starke Schmerzen in den Weichteilen, meist den Muskel- und Sehnenansätzen.
Wörtlich lässt sich der Begriff Fibro-my-algie mit Faser-Muskel-Schmerz übersetzen. Weitere Bezeichnungen sind generalisierte Tendomyopathie oder Fibrositis-Syndrom.
Früher war auch der Begriff Weichteilrheuma geläufig, der bis heute manchmal umgangssprachlich verwendet wird. Allerdings versteht man heute unter Weichteilrheuma einen Sammelbegriff für verschiedene Krankheiten, die mit rheumatischen Beschwerden im Bereich der Weichteile einhergehen. Darüber hinaus wurde Fibromyalgie zwar lange zu den Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises (Rheuma) gezählt, heute erfolgt diese Zuordnung aber nicht mehr.
Häufigkeit des Fibromyalgiesyndroms
Fibromyalgie betrifft etwa zwei Prozent der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland. Meist erfolgt die Diagnose zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr, doch auch Kinder und Jugendliche können in seltenen Fällen bereits Symptome zeigen (juvenile Fibromyalgie). Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer.
Ursachen: Wie bekommt man Fibromyalgie?
Welche Ursache hinter einer Fibromyalgie steckt, ist bislang nicht vollständig geklärt. In den letzten Jahren wurden jedoch einige neue Hinweise auf mögliche Ursachen gefunden. Mittlerweile weiß man, dass bei einer Fibromyalgie die Schmerzverarbeitung im Gehirn gestört ist. Dies führt dazu, dass die Schmerzschwelle, also die Schwelle ab der ein Reiz als Schmerz wahrgenommen wird, niedriger liegt als gewöhnlich.
Wie es dazu kommt, ist noch unklar. Man geht davon aus, dass mehrere Faktoren an der Entstehung einer Fibromyalgie beteiligt sind. Vermutet werden unter anderem genetische Auslöser oder psychische Ursachen (zum Beispiel Traumata in der Vergangenheit oder dauerhafte Überlastung) als Grund für die veränderte Schmerzverarbeitung. Auch entzündlich-rheumatische Autoimmunerkrankungen wie die rheumatoide Arthritis oder Lupus erythematodes könnten mögliche körperliche Ursachen darstellen.
Daneben werden auch Lebensstilfaktoren wie Stress, Rauchen, mangelnde Bewegung und Übergewicht als Auslöser diskutiert. Auch konnten Untersuchungen zeigen, dass bei Menschen mit dem Fibromyalgiesyndrom kleine Nervenfasern (small fibres) geschädigt sind – diese schmerzleitenden Nervenfasern ermöglichen es uns, Schmerzen und Temperaturempfindungen wahrzunehmen.
Fibromyalgie erkennen
Symptome: Wie erkennt man eine Fibromyalgie?
Zentrales Symptom ist ein generalisierter (über den Körper verteilter) Schmerz in den Weichteilen. Meist handelt es sich um Muskelschmerzen, Betroffene berichten aber auch von Schmerzen der Haut, des Bindegewebes oder der Umgebung der Gelenke. Die Muskelschmerzen werden als tiefliegend beschrieben und mit starkem Muskelkater oder Muskelzerrungen verglichen – mal sind sie brennend, mal ziehend, dumpf oder stechend. Sie können beispielsweise am Rücken, am Bauch, an den Armen oder Beinen, aber auch im Gesicht auftreten. Betroffene reagieren zudem schmerzempfindlich auf Druck.
Die Schmerzen sind sehr wechselhaft in ihrer Art, Intensität oder Lokalisation – von einem Tag auf den anderen können sie stark zunehmen oder andere Körperstellen betreffen. Auch können sie durch das Wetter (Nässe oder Kälte), Stress oder beispielsweise durch längeres Sitzen beziehungsweise Liegen beeinflusst werden.
Teils verlaufen die Schmerzen schubweise, sodass sie zum Beispiel stundenweise nachlassen oder es längere fast beschwerdefreie Phasen gibt. Gerade zu Beginn der Erkrankung gibt es meist einzelne Schübe mit symptomfreien Zeiten dazwischen.
Fibromyalgie: Liste der Symptome ist lang
Dieser diffuse Schmerz ist von einer Reihe weiterer Beschwerden begleitet, weshalb die Fibromyalgie heutzutage als Syndrom bezeichnet wird. Zu den wichtigsten charakteristischen Anzeichen gehören neben den typischen Schmerzen:
- Müdigkeit und chronische Erschöpfung (Fatigue) – geistig wie körperlich
- Schlafstörungen mit Beeinträchtigungen der Tiefschlaf-Phase – Betroffene wachen nachts oft auf oder liegen aufgrund von Schmerzen wach
Da das Syndrom das gesamte vegetative Nervensystem betreffen kann, ist die Liste der möglichen Symptome lang. So können beispielsweise folgende Beschwerden auftreten:
- Gedächtnis- und Konzentrationsprobleme (auch als "Fibro Fog" oder "Fibro-Nebel" bezeichnet)
- Morgensteifigkeit (etwa steife und geschwollene Finger)
- Sensibilitätsstörungen wie Taubheitsgefühle, Kribbeln oder Schwellungsgefühl
- allgemeine Schmerzempfindlichkeit oder Überempfindlichkeit auf Sinnesreize
- Magen-Darm-Beschwerden
- Kopfschmerzen (oft Spannungskopfschmerz, der vom Nacken bis zu den Augen und Schläfen zieht)
- Herzbeschwerden oder Kreislauf-Probleme wie Herzrasen oder Schwindel
- Atembeschwerden
- Schwellungen oder Ödeme (Wassereinlagerungen), auch um die Augen
- übermäßiges Schwitzen oder Frieren
Des Weiteren treten oftmals psychische Beschwerden wie beispielsweise Depressionen und Angststörungen auf. Ob diese unmittelbar durch die Fibromyalgie als solche ausgelöst werden oder erst durch den Leidensdruck infolge des oft langwierigen Krankheitsverlaufes und der häufig erst spät gestellten Diagnose entstehen, ist bisher nicht geklärt. Auch leiden Betroffene häufig an weiteren (Schmerz-)Erkrankungen, etwa dem Reizdarmsyndrom, Migräne, Endometriose oder der rheumatischen Arthritis – die Symptome sind daher oft nicht eindeutig einer der Krankheiten zuzuordnen.
Diagnose: Wie stellt man Fibromyalgie fest?
Typisch für die Fibromyalgie ist ein generalisierter (über den Körper verteilter) Schmerz, der schleichend beginnt und nur die Weichteile betrifft, sodass keine Veränderungen an den Gelenken oder Knochen feststellbar sind. Daher sind weder in Laboruntersuchungen noch in bildgebenden Verfahren (wie dem Röntgen) diagnostische Hinweise zu finden – dies erschwert beziehungsweise verzögert in vielen Fällen die Diagnosestellung und hat oft zur Folge, dass Betroffene lange Zeit nicht ernst genommen werden.
Wenn mindestens drei Monate lang Schmerzen in drei verschiedenen Körperbereichen bestehen, sollte eine Untersuchung auf Fibromyalgie erfolgen. Die erste Anlaufstelle ist meist der*die Hausarzt*Hausärztin, anschließend können Spezialisten*tinnen hinzugezogen werden. Ein*e Facharzt*Fachärztin für Rheumatologie, Neurologie oder Schmerzmedizin ist häufig eine geeignete Anlaufstelle.
Test auf Fibromyalgie
Erster Schritt der Diagnostik ist die ausführliche Anamnese, also das Arzt-Patient-Gespräch. Zur Diagnosestellung können bei der klinischen Untersuchung zwei Methoden zum Einsatz kommen.
Zum einen können die sogenannten Tender Points (schmerzhafte Druckpunkte oder Triggerpunkte) genutzt werden. Diese befinden sich im Übergangsbereich von Muskeln zu Sehnen und sind im Bereich der Nacken- und Lendenregion, des Becken- und Schultergürtels sowie an Ellenbogen und Knie zu finden. Wenn 11 der 18 Tenderpoints druckempfindlich sind, gilt eine Fibromyalgie als wahrscheinlich.
Alternativ wird anhand eines Fragebogens abgefragt, ob in den letzten sieben Tagen Schmerzen in 19 festgelegten Schmerzzonen auftraten und ob bestimmte Kern- und Begleitsymptome vorliegen. Mithilfe eines festgelegten Punktesystems kann aufgrund der Angaben die Diagnose gestellt werden.
Andere Erkrankungen ausschließen
Laboruntersuchungen und bildgebende Verfahren liefern beim Fibromyalgiesyndrom in der Regel keine auffälligen Befunde, können aber zum Ausschluss möglicher anderer Erkrankungen dienen. Gibt es keine Hinweise auf das Vorliegen anderer Krankheiten, wird nur die Blutuntersuchung empfohlen, um andere Diagnosen auszuschließen.
Als Differentialdiagnose kommen unter anderem folgende Erkrankungen infrage:
- rheumatische Erkrankungen
- Erkrankungen der Muskeln
- das myofasziale Schmerzsyndrom (MSS)
- Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS)
- Schilddrüsenunterfunktion
- Nebenwirkungen von Medikamenten (zum Beispiel durch Statine oder Protonenpumpenhemmer)
- Infektionskrankheiten
Fibromyalgiesyndrom – Behandlung
Die Behandlung der Fibromyalgie beinhaltet verschiedene Ansätze, die individuell auf die Patient*innen abgestimmt werden sollten. Die Therapiemöglichkeiten umfassen neben Medikamenten beispielsweise auch Bewegung und Methoden zur Entspannung oder Stressbewältigung. Häufig ist es die individuelle Kombination verschiedener Maßnahmen, die Betroffenen Linderung verschafft (multimodale Schmerztherapie).
Information und psychologische Unterstützung
Bei einer Patientenschulung lernen Betroffene alles über das Fibromyalgiesyndrom und wie sie die Erkrankung durch ihr eigenes Verhalten beeinflussen können. Sie werden zudem über den chronischen, aber gutartigen Charakter der Krankheit informiert. Dabei werden Tipps vermittelt, wie beispielsweise die Einhaltung eines regelmäßigen Schlaf-Wach-Rhythmus mit täglich gleichen Einschlafzeiten zur Linderung der Schlafstörungen.
Wichtig ist, dass Betroffene lernen, wie sie am besten ihren privaten und beruflichen Alltag mit der Erkrankung bewältigen. Dazu gehört es, die eigenen Grenzen kennenzulernen und Strategien zu entwickeln, um Aktivitäten auch bei Beschwerden wahrnehmen zu können (zum Beispiel durch häufigere Pausen, kurzzeitige Schonung oder Techniken zur Entspannung). Denn viele Erkrankte ziehen sich zunehmend zurück und meiden sowohl körperliche als auch soziale Aktivitäten – dies ist dem Krankheitsverlauf jedoch nicht zuträglich und führt sogar im Gegenteil zu stärkeren Beschwerden.
Eine psychologische Behandlung (zum Beispiel kognitive Verhaltenstherapie), Achtsamkeitsübungen, Entspannungsverfahren wie autogenes Training oder progressive Muskelrelaxation nach Jacobson sollten ebenfalls zur Behandlung gehören. Bestehen zusätzliche psychische Beschwerden wie eine Depression, sollte unbedingt eine entsprechende Psychotherapie erfolgen.
Auch soziale Kontakte können eine wichtige Rolle spielen. Wichtig sind dabei die Geduld und Akzeptanz durch das Umfeld, denn auch wenn keine körperlichen Ursachen sichtbar sind, sind die Beschwerden keineswegs eingebildet. Oft erweist sich der Austausch in Selbsthilfegruppen als hilfreich.
Fibromyalgie: Bewegung als Therapie
Sehr wichtig ist beim Fibromyalgiesyndrom regelmäßige körperliche Betätigung (zwei- bis dreimal wöchentlich für mindestens 30 Minuten). Anfangs kann dies im Rahmen einer Physiotherapie erfolgen, langfristig kann aber eine eigenständig durchgeführte Übungseinheit pro Tag zur Reduktion der Schmerzen beitragen und den Körper stärken.
Geeignet sind leichte Sportarten zum Ausdauertraining sowie leichte Übungen zur Muskelkräftigung und Dehnung. Empfohlen werden beispielsweise:
- Walking
- Radfahren
- Tanzen
- Schwimmen
- Aquajogging
- Tai Chi
- ruhige Yoga-Formen
- Qi-Gong
- Vibrationstraining
Da der Sport die Muskelschmerzen anfänglich verschlimmern kann, sollte das Training behutsam begonnen und langsam gesteigert werden. Viele Betroffene meiden körperliche Anstrengung aus Furcht vor Schmerzen völlig. Doch ein Mangel an Bewegung führt zu Muskelabbau, Schäden an Sehnen und Gelenken, Verspannungen sowie Fehlhaltungen und fördert somit erst recht die Entstehung von Schmerzen im Bewegungsapparat.
Therapie durch Medikamente
Als Medikamente werden Antidepressiva (vor allem Amitriptylin oder Duloxetin) sowie das Antiepileptikum Pregabalin zur Veränderung der Schmerzwahrnehmung eingesetzt. Nebenwirkungen sind etwa Gewichtszunahme, Mundtrockenheit, Schlafstörungen, Übelkeit und Bewusstseinsstörungen.
Herkömmliche Schmerzmittel, wie die nichtsteroidalen Antirheumatika Diclofenac oder Ibuprofen, sind zur Therapie der Fibromyalgie nicht geeignet, da der Schmerz nicht durch eine Entzündung verursacht wird. Aufgrund ihrer Nebenwirkungen sollten diese Medikamente daher nicht eingesetzt werden. Auch von Opioiden oder kortisonhaltigen Mitteln wird abgeraten.
Weitere Behandlung bei Fibromyalgie
Begleitend kommen physikalisch-therapeutische Maßnahmen wie Wärmetherapie oder Massage zum Einsatz. Auch Saunabesuche oder ein Aufenthalt im Thermalbad werden oft als angenehm empfunden. Daneben kann die Ergotherapie Anwendung finden. Ergänzend werden Akupunktur oder Biofeedback eingesetzt.
Von einer Behandlung in einer Kältekammer, einer Magnetfeldtherapie oder Lasertherapie raten Fachleute angesichts der aktuellen Studienlage ab.
Die Rolle der Ernährung wird derzeit noch untersucht. Studien deuten darauf hin, dass eine überwiegend pflanzliche (vegetarische) Ernährung dazu beitragen könnte, die Symptome zu lindern, unzweifelhaft wissenschaftlich belegt sind diese Vermutungen bislang allerdings noch nicht. Liegen außerdem weitere Erkrankungen vor, etwa eine Glutenunverträglichkeit, sollte auf eine entsprechende Ernährungsweise geachtet werden. Auch beim Abbau von Übergewicht kann die Ernährung von Bedeutung sein.
Verlauf und Folgen von Fibromyalgie
Der Verlauf ist chronisch, meist treten die Beschwerden in Schüben auf. Eine Langzeitstudie deutet darauf hin, dass die Symptome bei einigen Betroffenen mit der Zeit abnehmen, bei der Mehrheit bleiben sie jedoch über längere Zeit gleich. Für Betroffene führt die Erkrankung dazu, dass viele Aktivitäten sehr viel Kraft kosten und zudem aufgrund der Unvorhersehbarkeit der Beschwerden schlecht zu planen sind. Manche Betroffene erfahren in ihrem Umfeld deshalb Unverständnis oder Vorwürfe. Dies kann zu psychischen Problemen führen oder diese verstärken.
Eine kausale Therapie ist derzeit nicht möglich. Die Forschung beschäftigt sich aber weiterhin mit den Ursachen und Therapiemöglichkeiten und liefert diesbezüglich immer wieder neue Erkenntnisse. Eine Heilung oder dauerhafte Besserung tritt eher selten ein, man kann aber in vielen Fällen die Symptome durch eine Langzeitbehandlung lindern.
Grundsätzlich gilt die Prognose als besser, je früher mit der Therapie begonnen wird – dann kann es sogar zu einer spontanen Remission kommen. Dennoch sehen sich viele Menschen mit dem Fibromyalgiesyndrom, insbesondere bei einem schweren Verlauf, aufgrund ihrer beeinträchtigten Arbeitsfähigkeit gezwungen, vorzeitig in Rente zu gehen.
Betroffene sollten allerdings wissen, dass eine Fibromyalgie nicht mit funktionellen Beeinträchtigungen einhergeht – anders als bei vielen rheumatischen Erkrankungen. Auch die inneren Organe sind gesund, die Lebenserwartung ist also nicht beeinträchtigt. Eine große Rolle spielt eine konsequente Therapie jedoch zum Erhalt der Beweglichkeit und zur Steigerung der Lebensqualität.