Mann mit plötzlicher Brustenge
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Herz in Gefahr – im Notfall entscheiden Sekunden

Von: Gesundheit-Redaktion
Letzte Aktualisierung: 14.05.2018

70.000 Menschen sterben jedes Jahr in Deutschland an einem Herzinfarkt. Viele von ihnen deshalb, weil Herzinfarktpatienten in Deutschland rund 15 Stunden (!) brauchen, ehe sie im Krankenhaus sind. Viel zu lange! Der Grund liegt meist beim Patienten selber: Abwarten, ob die Beschwerden von selbst verschwinden, Schmerzen nicht ernst nehmen, niemanden belästigen wollen…

Brustenge – Wenn die Durchblutung des Herzgewebes gestört ist

Brustenge und Herzinfarkt haben sehr ähnliche Symptome. Deshalb werden sie unter dem Begriff Akutes Koronarsyndrom zusammengefasst. Ein Herzinfarkt oder eine Angina pectoris (Brustenge) entsteht meist durch Ablagerungen (Plaques) in den Herzkranzarterien auf dem Boden jahrelang fortschreitender Arterienverkalkung.

Die Herzkranzarterien (Synonym: Koronararterien) sollen den Herzmuskel mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgen. Sind sie durch die Plaques eingeengt, kommt es zu einer Unterversorgung des Herzmuskels mit Sauerstoff. Das kann sich als immer wiederkehrender Brustschmerz äußern, insbesondere bei Belastung, Stress, Kälte. Kurz: Angina pectoris.

Doch der Verschluss eines Herzkranzgefäßes kann auch unbemerkt verlaufen oder/und weiter fortschreiten, so lange, bis plötzlich ein solcher Plaque einreißt und sich an ihm ein Blutgerinnsel festsetzt und das Gefäß abrupt verschließt: der Herzinfarkt, ein lebensbedrohlicher Notfall!

Schon beim kleinsten Alarmzeichen aufmerksam werden

Bei folgenden Symptomen sollten Sie sofort an Angina Pectoris oder einen Herzinfarkt denken:

  • Brustbeschwerden: dumpf, drückend, eng, brennend, flächig in der Mitte der Brust, mehr als 5 Minuten anhaltend oder weggehend und wiederkommend
  • Beschwerden woanders: in einem oder beiden Armen, in Oberbauch, Hals, Rücken oder Nacken
  • Luftnot: oft mit anderen Beschwerden
  • Andere Beschwerden: Übelkeit, Schwindel, Schwäche, kalter Schweiß
  • Treten diese Beschwerden erstmals auf und dauern mehr als 10 Minuten an: Sofort ins Krankenhaus, am besten den Notruf unter Tel. 112 wählen!

​Erste Hilfe mit Nitro-Spray

Im Optimalfall ist wenige Minuten nach Eintritt der oben genannten Schmerzen ein Notarzt bei dem Patienten und begleitet ihn im Rettungswagen ins Krankenhaus. Hat er den Verdacht auf Angina pectoris oder gar Herzinfarkt, sollte er zunächst Notfallmedikament Nr. 1 anwenden: Nitro-Spray (z.B. Nitrolingual® N-Spray).

Dieses Medikament, zwei Hübe unter die Zunge gesprüht, erweitert in Minuten die Herzkranzgefäße und sorgt dadurch für eine Verbesserung der Durchblutung des Herzens. Und es hilft bei der Unterscheidung zwischen Infarkt und Angina pectoris. Denn: Bringt Nitro-Spray keine Besserung der Beschwerden, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit vom Herzinfarkt auszugehen. Der Arzt wird dann schmerzstillende, beruhigende und blutverdünnende Medikamente verabreichen.

Notfallhilfe im Krankenhaus

Im Krankenhaus wird dann versucht, das Herzkranzgefäß wieder durchgängig zu machen.Durch die Unterversorgung mit Sauerstoff stirbt das Herzmuskelgewebe unumkehrbar ab, je mehr, desto schlimmer die Spätfolgen wie beispielsweise Herzschwäche, so Prof. Dr. Michael Kentsch, Chefarzt am Klinikum Itzehoe.

Dieser Vorgang setzt schon nach 30 Minuten ein, deshalb gilt: Je schneller das Blutgefäß wieder durchgängig gemacht werden kann, desto kleiner sind die Schäden. Experten sprechen daher von der Goldenen ersten Stunde nach einem Infarkt. Laut Prof. Kentsch wird sie leider oft verpasst, weil die Patienten zunächst selbst lange abwarten oder beim Herzinfarkt nicht direkt ins Krankenhaus kommen.

"Die erste Stunde nach Symptombeginn ist besonders gefährlich, weil es gehäuft zum plötzlichen Herztod und zum lebensbedrohlichen Kammerflimmern kommt. Kammerflimmern heißt: Herz-Stillstand. Das Herz kann nicht mehr pumpen. Nur eine sofortige Wiederbelebung mit Elektrobehandlung (Defibrillation) kann hier helfen. Also: Je schneller ärztliche Hilfe eintrifft, desto besser."

Herzkatheter öffnet den Gefäßverschluss

Nachdem ein Herzinfarkt durch Beschwerdebild und ggf. EKG nachgewiesen ist, wird der Gefäßverschluss am besten mittels Herzkatheter wieder eröffnet. Eine Alternative stellt die medikamentöse Gerinnselauflösung dar. Bei der Behandlung mittels Herzkatheter wird über die Leistenarterie ein dünner Schlauch zum Herzen vorgeschoben, an dessen Ende sich ein kleiner Ballon befindet. Unter Röntgenkontrolle wird er genau an der Engstelle aufgeblasen und dadurch eine auf ihm liegende Gefäßstütze (Stent) entfaltet.

Auch nach Entfernen des Ballons hält sie das Herzkranzgefäß offen – das Blut kann wieder ungehindert fließen. Im Idealfall passiert dieser Eingriff in der ersten Stunde nach dem Infarkt – und es ist noch kein Herzgewebe zerstört.

Zu spät ins Krankenhaus

Kommt allerdings der Patient erst sehr viele Stunden später ins Krankenhaus, geht wertvolle Zeit verloren und die Gefäßerweiterung ergibt oft keinen Sinn mehr, weil zuviel Herzmuskelgewebe untergegangen ist. Bei über der Hälfte der Patienten ist genau dies der Fall. Spätfolge: Herzschwäche, d. h. Pumpversagen des Herzens mit Luftnot bei Anstrengungen wie Treppensteigen.

Ist bei einem Patienten eine Angina pectoris mit regelmäßig bei Belastung wiederkehrenden Beschwerden bekannt (stabile Angina pectoris), wird der Arzt ihm neben anderen Arzneien in der Regel ein Nitro-Spray für den Alltag verordnen. Bei Beschwerden bringen ein bis zwei Hübe dieses Medikaments, unter die Zunge gesprüht, schnelle Abhilfe.

Wenn die Beschwerden innerhalb weniger Minuten vollständig und anhaltend verschwinden, ist das Problem akut gelöst. Sonst spricht man von einer instabilen Angina pectoris. Weil hier ein Herzinfarkt droht, sollte sofort der Notarzt gerufen werden.

Was tue ich, wenn jemand einen Herzinfarkt erleidet?

  • Zuerst: Wählen Sie den Notruf (Tel. 112), sagen Sie, wer Sie sind und was Sie melden. Bleiben Sie solange in der Leitung, bis keine Rückfragen von der Leitstelle mehr kommen.
  • Ist der Betroffene bei Bewusstsein: Sprechen Sie mit ihm, beruhigen Sie ihn. Lockern Sie enge Kleidungsstücke (Krawatte, Hemdkragen) und lagern Sie ihn mit leicht erhöhtem Oberkörper.
  • Hat er Nitro-Spray bei sich und einen kräftigen Puls, sprühen Sie zwei Hübe unter die Zunge!
  • Ist der Patient nicht ansprechbar, atmet nicht und bewegt sich nicht, heißt das: Kreislaufstillstand. Schnelles Handeln ist jetzt wichtig – Atemspende und Herzdruckmassage!
  • Patient auf harte Unterlage legen
  • 30 Mal Herzdruckmassage, (Frequenz: 100 Mal pro Minute): Druckpunkt etwa 3 bis 4 cm oberhalb des Brustbeinendes, also des Punktes, an dem sich die Rippen treffen. Eine Hand flach drauf legen, den Ballen der zweiten Hand darüber. Beim Eindrücken des Brustkorbes (mit gestreckten Armen) etwa vier Zentimeter tief eindrücken. Häufigster Fehler: Es wird nicht kräftig genug gedrückt. Danach wieder zweimal beatmen.
  • Kopf des Patienten überstrecken und 2 x Mund-zu-Mund- (Nase zuhalten) oder Mund-zu-Nase-Beatmung (Mund zudrücken) durchführen.
  • Weitermachen, bis der Notarzt kommt oder der Patient wieder selbst atmet.

"Beim Herzinfarkt muss man abwägen: Abwarten heißt: plötzlicher Herztod, Herzschwäche, kürzer leben. Reagieren heißt: überleben, leistungsfähig bleiben, länger leben", so Prof. Dr. Michael Kentsch.