Hypochonder: Symptome und Behandlung bei Hypochondrie
Wer an Hypochondrie leidet, der befürchtet, eine ernsthafte Erkrankung zu haben, auch wenn sich keine körperlichen Ursachen feststellen lassen, die eine solche Angst stützen würden. Bei manchen Betroffenen wird diese Angst so stark, dass ihr beruflicher oder persönlicher Alltag dadurch eingeschränkt wird. Was ist ein Hypochonder, gibt es Verhaltensweisen und körperliche Symptome, die auf die Störung hinweisen und wie kann man Hypochondrie behandeln?
Hinweis: In diesem Artikel wird aus Gründen der Lesbarkeit der Begriff "Hypochonder" stellvertretend für alle Geschlechter verwendet.
Definition: Was ist ein Hypochonder?
Menschen mit Hypochondrie reagieren äußerst sensibel auf kleinste körperliche Veränderungen, die sie dann als Anzeichen für eine Erkrankung deuten. Bei der Hypochondrie handelt es sich nicht um eine Laune, sondern um eine psychische Störung, die Hypochonder schwer belasten kann.
Der Begriff Hypochondrie gilt mittlerweile als veraltet, auch wenn er weiterhin häufig verwendet wird. Eine heute gängige Bezeichnung ist "Krankheitsangststörung". Die Krankheitsangststörung wird zur Gruppe der somatoformen Störungen gezählt. Eine solche Störung liegt vor, wenn es zu Krankheitssymptomen kommt, für die keine körperliche Ursache gefunden werden kann.
Nach den Kriterien der internationalen Klassifikation von Krankheiten ("International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems", kurz ICD) ist ein Hypochonder jemand, der über einen Zeitraum von mindestens einem halben Jahr glaubt, an einer oder mehreren schweren Erkrankungen zu leiden. Häufig bezieht sich diese Angst auf eine bestimmte Krankheit, wie Multiple Sklerose oder Krebs. Die Sorge um diese Erkrankung stellt eine starke emotionale Belastung dar, die auch das tägliche Leben beeinträchtigt. Auch wenn der Verdacht auf eine schwere Erkrankung durch medizinisches Fachpersonal nicht bestätigt werden kann, glaubt die betroffene Person höchstens kurzfristig an diese Aussage. Die Ängste werden nicht dauerhaft zerstreut.
Grundsätzlich kann jede Person eine Hypochondrie entwickeln. Männer und Frauen sind ungefähr gleich häufig betroffen. Alle Altersklassen sind vertreten, wobei die hypochondrische Störung besonders oft ab dem 50. Lebensjahr auftritt.
Hypochondrie – Wichtiges im Überblick
Auslöser und Ursachen von Hypochondrie
Individuelle Ursachen spielen in der Regel bei der Entwicklung einer Krankheitsangststörung eine wichtige eine Rolle:
- Es handelt sich häufig von Natur aus um ängstliche und vorsichtige Menschen, die schon seit der Pubertät Angst vor Krankheiten haben.
- Oft erleben sie in jungen Jahren eine schwere Krankheit oder einen Klinikaufenthalt.
- Manchmal ist ein chronisch krankes Familienmitglied der Auslöser.
- Auch eine ängstliche und überbehütende Umgebung spielt eine Rolle. Etwa, wenn das Kind wegen eines harmlosen Schnupfens nicht in die Schule darf, sondern ins Bett gesteckt wird.
- Ebenso kann ein sehr schmerzhaftes Lebensereignis wie der Tod eines geliebten Menschen die Störung auslösen.
Daneben können externe Auslöser, wie das Lesen von Informationen über Erkrankungen im Internet, die Vorstellung einer Krankheit in einer Fernsehsendung oder auch die Beschäftigung mit Krankheitsbildern im Medizinstudium ("morbus clinicus") zu Entstehung einer Hypochondrie beitragen.
Körperliche Symptome und Verhaltensweisen beim Hypochonder
Zum Krankheitsbild der Hypochondrie gehört die Überzeugung, eine schlimme Krankheit zu haben. Treten körperliche Beschwerden auf, werde diese als Anzeichen einer Erkrankung gedeutet – beispielsweise besteht bei einem geschwollenen Lymphknoten die Befürchtung, an Lymphdrüsenkrebs erkrankt zu sein, bei Kopfschmerzen wird ein Hirntumor vermutet.
Diese unklaren körperlichen Symptome sind dabei keineswegs eingebildet, nur werden sie bei einem Hypochonder in den allermeisten Fällen nicht durch die befürchtete Krankheit ausgelöst, sondern fehlinterpretiert. Dies kann Stress und Ängste zur Folge haben, welche wiederum körperliche Symptome, wie Magenschmerzen, Übelkeit oder Schwindel, hervorrufen können.
Eine einheitliche Liste von körperlichen Symptomen, die auf Hypochondrie hinweisen können, gibt es nicht. Einige Verhaltensweisen und Denkmuster können jedoch als Anzeichen gesehen werden, die auf die psychische Störung hinweisen. Dazu gehören:
- starke Befürchtung, an einer schweren Krankheit zu leiden, die auch durch eine anderslautende Diagnose nicht zerstreut werden kann
- häufige Arztbesuche und Arztwechsel oder das Vermeiden von Arztterminen, da man sich nicht verstanden fühlt
- zwanghafte Beschäftigung mit der eigenen Gesundheit
- starke Ängste vor den unmittelbaren oder zukünftigen Folgen für die Gesundheit durch eine mögliche Erkrankung
Wie erfolgt die Diagnose?
Eine hypochondrische Störung zu entdecken, ist nicht ganz einfach. Zuerst muss der*die Arzt*Ärztin in jedem Fall sichergehen, dass keines der befürchteten Leiden tatsächlich eine reale körperliche Ursache hat. Wichtig ist deshalb eine gründliche physische Untersuchung. Wird keine zugrunde liegende Krankheit gefunden, heißt es: mit der betroffenen Person sprechen, sie aufklären und gemeinsam nach Lösungsmöglichkeiten suchen.
Bei der Diagnose können verschiedene standardisierte Fragebögen helfen. Eingesetzt werden der sogenannte "Whiteley-Index" sowie die "Illness-Attitude-Scales". Beide Fragebögen dienen dazu, das Verhalten der betroffenen Person und die persönliche Einschätzung der eigenen Gesundheit zu ermitteln.
Differenzialdiagnose wichtig
Verschiedene Kriterien helfen außerdem bei der Differenzialdiagnose. Da die Krankheitsangst auch die Folge einiger anderer psychischer Erkrankungen sein oder ihnen ähneln kann, müssen Ärzte*Ärztinnen diese Möglichkeiten in Erwägung ziehen. Die Angewohnheit von Betroffenen, ihre Körperfunktionen ständig zu kontrollieren ("Checking Behavior"), erinnert beispielsweise an eine Zwangsstörung. So wie diese Patient*innen ständig die Tür oder den Backofen kontrollieren, überprüfen Hypochonder unablässig ihre Gesundheit. Auch Panik- oder Angststörungen sowie Schizophrenie können ähnliche Symptome hervorrufen wie eine Hypochondrie. Je nachdem, ob eine andere psychische Störung den Beschwerden zugrunde liegt oder nicht, spricht man von einer sekundären oder primären Hypochondrie.
Außerdem kann die ständige Angst vor einer Erkrankung die psychische Gesundheit weitergehend beeinflussen. Viele Menschen mit einer Krankheitsangststörung leiden zusätzlich unter einer mehr oder weniger ausgeprägten Form von Depression. Daher muss in der Regel unbedingt jemand hinzugezogen werden, der mit der hypochondrischen Störung Erfahrung hat, beispielsweise aus dem Bereich Psychiatrie, Psychotherapie oder psychosomatische Medizin.
Ein ganz anderes Krankheitsbild, das mit dem der Hypochondrie auf keinen Fall verwechselt werden sollte, ist das Münchhausen-Syndrom. Dabei handelt es sich um eine schwere psychische Erkrankung, bei der Beschwerden nur vorgegeben oder künstlich erzeugt werden. Menschen mit dem Münchhausen-Syndrom spielen schwerste Erkrankungen täuschend echt und erzwingen eine ärztliche Behandlung – mitunter auch gefährliche Eingriffe. Häufig suchen sie auf diese Weise Aufmerksamkeit, Fürsorge und Sympathie.
Bedeutung für das soziale Umfeld
Die übertriebene Beschäftigung mit körperlichen Beschwerden kann leicht chronisch und damit zu einem bleibenden Persönlichkeitsmerkmal werden. Problematisch wird es, wenn sich die ständige Sorge um die eigene Gesundheit auf das soziale Zusammenleben auswirkt.
Hypochonder erwarten nicht selten von Partner*innen, Freund*innen und auch Kindern besondere Rücksichtnahme. Bekommen sie diese nicht, ziehen sie sich frustriert zurück und konzentrieren sich umso mehr auf ihren Körper. Die berufliche beziehungsweise schulische Leistungsfähigkeit sinkt – in einigen Fällen werden betroffene Personen sogar auf Dauer arbeitsunfähig.
Eine Selbstheilung bei Hypochondrie ist nicht möglich. Stattdessen ist es wichtig, dass Betroffene sich ihre Probleme eingestehen und sich professionelle Hilfe suchen.
Behandlung: kognitive Verhaltenstherapie bei Hypochondern
Sind die Betroffenen bereit, ihre Befürchtungen als Folge einer psychischen Erkrankung zu sehen, kann eine kognitive Verhaltenstherapie helfen. Schon sechs ambulante Einzelsitzungen sollen laut Studien amerikanischer Forschender eine Verbesserung bringen.
Während der Therapie sollen die Patient*innen lernen, ihre Beschwerden realistisch zu bewerten. So ist beispielsweise nicht jeder Muskelkrampf oder jeder Kopfschmerz das Zeichen einer schweren Stoffwechselstörung oder eines Hirntumors. Stattdessen können andere, weniger bedrohliche Erklärungen für die Missempfindungen beziehungsweise Argumente gegen die befürchtete schwere Krankheit gefunden werden.
Auch einem möglichen Zusammenhang zwischen der Zunahme von Krankheitsängsten und stressigen Lebensphasen wird auf den Grund gegangen. Stress kann auch als Erklärung für körperliche Symptome herangezogen werden.
Außerdem bauen die Betroffenen nach und nach Verhaltensweisen in ihren Alltag ein, die sie zuvor vermieden haben. Sie geben zum Beispiel fremden Menschen bei der Begrüßung die Hand, was sie früher aus Angst vor Ansteckung abgelehnt haben. Darüber hinaus können andere Verhaltensweisen reduziert werden, beispielsweise bei Frauen die ständige Kontrolle der Brust auf Knoten oder Veränderungen.
In der nächsten Stufe versuchen sie, nicht bei jeder neuen Beschwerde nachzuforschen, ob nicht doch eine ernsthafte Erkrankung dahinterstecken könnte.
Ist die Therapie im Gange, kann auch der Besuch von Selbsthilfegruppen und dadurch der Austausch mit anderen Betroffenen dabei unterstützen, mit der Situation besser umzugehen.
Eine Krankheitsangststörung lässt sich in der Regel nicht komplett heilen – dennoch kann eine passende Therapie dazu beitragen, die belastenden Verhaltensweisen und Denkmuster zu reduzieren und damit auch den Alltag für die Betroffenen stark zu erleichtern.
Wie sollte man als Kontaktperson einen Hypochonder behandeln?
Personen mit einer hypochondrischen Störung sind auf menschliche Nähe und Ablenkung angewiesen. Und dies gelingt am besten in Gesellschaft. Partner*in, Freund*innen und Verwandte sollten Betroffenen zu verstehen geben, dass sie das Problem ernst nehmen und die Beschwerden auf keinen Fall als Einbildung abtun.
Denn eine Person mit Hypochondrie ist krank, auch wenn die Krankheit nicht organischer, sondern psychischer Natur ist. Angehörige müssen Hypochonder ermutigen, offen mit dem*der Hausarzt*Hausärztin über ihre Befürchtungen zu sprechen, und ihnen davon abraten, zu häufig die Praxis zu wechseln. Und auch wenn es keine leichte Aufgabe ist: Der Rat, auch psychologische Hilfe zu suchen, ist ebenfalls wichtig.