Glückliche Frau dank Serotonin
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Serotonin: Wirkung, Mangel & Überschuss

Von: Dr. Kathrin Holzschneider (Psychologin), Jasmin Rauch (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 19.07.2024

Serotonin ist ein wichtiger Botenstoff des Nervensystems (Neurotransmitter), der bei der Übertragung von Signalen im Gehirn eine prominente Rolle spielt, aber auch im Herz-Kreislauf-System oder im Darm eine entscheidende Bedeutung hat. Das Hormon wird auch als Enteramin oder 5-Hydroxytryptamin bezeichnet, abgekürzt als 5-HT. Welche Wirkung der Neurotransmitter auf Körper und Psyche hat, ob ein Mangel an Serotonin gesundheitliche Beschwerden auslöst und was es mit dem Serotonin-Syndrom auf sich hat, erfahren Sie im Folgenden.

Serotonin: Wirkung des Glückshormons

Serotonin wirkt, wie die meisten Botenstoffe, indem es sich im Körper an bestimmte Rezeptoren, also spezielle Bestandteile einer Zelle, bindet. Es gibt mindestens 19 verschiedene Serotoninrezeptoren, die sogenannten 5-HT-Rezeptoren. Serotonin ist an der Steuerung unterschiedlicher Körpervorgänge beteiligt.

Im Herz-Kreislauf-System beeinflusst es beispielsweise die Erweiterung und das Zusammenziehen der Blutgefäße und im Magen-Darm-Trakt ist es an der Steuerung der Darmbewegungen (Darmperistaltik) beteiligt. Auch bei der Blutgerinnung spielt es eine Rolle, indem es die Aktivität der Blutplättchen (Thrombozyten) steigert.

Das Gewebshormon wird an unterschiedlichen Stellen des Körpers gebildet, unter anderem im Darm, in der Lunge, in der Milz und im zentralen Nervensystem im Gehirn.

Wirkung von Serotonin auf die Psyche

Seine allgemein bekannteste Wirkung entfaltet das Serotonin wohl im zentralen Nervensystem, also im Gehirn. Dort trägt es unter anderem zur Steuerung des Schlafs, Schmerzempfindens und Appetits sowie der sexuellen Lust bei.

Serotonin wird, neben Dopamin und Noradrenalin, auch häufig als Glückshormon bezeichnet. Auch als "Wohlfühlhormon" ist Serotonin bekannt, denn es wirkt nicht nur stimmungsaufhellend, sondern dämpft die Stressantwort des Körpers ab. Dabei wirkt es unter anderem

  • entspannend
  • schlaffördernd
  • schmerzhemmend
  • motivationsfördernd

Wann misst man den Serotoninspiegel?

Auch wenn Serotonin einen Einfluss auf die Psyche hat, wird der Serotoninwert nicht bei Verdacht auf psychische Erkrankungen bestimmt. Stattdessen wird Serotonin, beziehungsweise dessen Abbauprodukt Hydroxyindolessigsäure (5-HIES), im Urin gemessen, wenn der Verdacht besteht, dass ein neuroendokriner Tumor im Dünndarm vorliegt.

Als neuroendokrine Tumoren (früher auch Karzinoide genannt) bezeichnet man eine Gruppe von Tumoren, die aus einer bestimmten Gruppe von Zellen, die zum sogenannten diffusen neuroendokrinen System gehören, hervorgehen.

Da Serotonin unter anderem im Darm gebildet wird, kann ein erhöhter Serotonin- beziehungsweise 5-HIES-Wert darauf hinweisen, dass ein solcher Tumor vorliegt, welcher die Freisetzung des Hormons im Übermaß steigert.

Der 5-HIES-Wert im Urin lässt keine Rückschlüsse auf die Serotoninkonzentration im Gehirn zu. Dazu wäre eine Punktion der Rückenmarksflüssigkeit (Liquorpunktion) notwendig. Da der Eingriff mit einigen Risiken für die Gesundheit verbunden ist, wird eine Liquorpunktion in aller Regel nicht durchgeführt, um den Serotoninwert zu bestimmen.

Serotonin: Normalwerte

Das Serotonin-Abbauprodukt 5-HIES wird über den Urin bestimmt. Dieser wird über 24 Stunden gesammelt und anschließend im Labor ausgewertet. Folgende Werte gelten als Normalwerte:

  • 5-HIES aus dem 24-Stunden-Sammelurin: 0 bis 9 Milligramm pro Tag (mg/24 h).

Zu viel Serotonin – erhöhte Werte

Ist zu viel Serotonin im Urin vorhanden, sprich liegt die 5-HIES-Ausscheidung im 24-Stunden-Sammelurin bei über 9 Milligramm, kann dies ein Hinweis auf das Vorliegen eines neuroendokrinen Tumors sein. Bei deutlich höheren Werten von über 40 Milligramm gilt das Vorhandensein eines solchen Tumors als erwiesen.

Ebenfalls können Erkrankungen wie eine Zöliakie oder Epilepsie hinter erhöhten Serotoninwerten stecken. Nach der Bestimmung des Laborwerts sollten also weitere Untersuchungen folgen, um eine genaue Diagnose stellen zu können.

Was ist das Serotonin-Syndrom?

Kommt es in Folge von Wechselwirkungen mit Medikamenten zu einem starken Serotoninüberschuss und damit einer erhöhten Aktivität von Serotonin im zentralen Nervensystem, spricht man vom Serotonin-Syndrom.

Wie hoch die Serotoninwerte beim Vorliegen eines Serotonin-Syndroms genau sind, ist nicht bekannt. Eine Messung wäre in diesem speziellen Fall nur mittels Liquorpunktion möglich, was aufgrund der möglichen Komplikationen bei ohnehin erkrankten Personen nicht durchgeführt wird. Die Diagnose erfolgt also anhand des Arzt-Patienten-Gesprächs und typischer Beschwerden.  Symptome des Serotonin-Syndroms sind unter anderem:

In schweren Fällen kann das Syndrom lebensbedrohlich sein, wenn eine starke Tachykardie und ein massiver Anstieg des Blutdrucks (hypertensive Krise) zu einem kardiogenen Schock führen. Das Herz ist dann nicht mehr in der Lage, ausreichend Blut durch den Körper zu pumpen, um die Organe zu versorgen. Auch ein starker Anstieg der Körpertemperatur über 41 Grad Celsius ist möglich und potenziell lebensgefährlich.

Auslöser des Serotonin-Syndroms sind in der Regel Überdosierungen von oder Wechselwirkungen zwischen Medikamenten, die den Serotoninspiegel anheben. Dazu gehören Antidepressiva aus den Klassen der selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI), Johanniskraut sowie der Hustenstiller Dextromethorphan

Um ein Serotonin-Syndrom zu vermeiden, sollten Antidepressiva immer in Rücksprache mit dem*der behandelnden Arzt*Ärztin dosiert und die zeitgleiche Einnahme weiterer Medikamente unbedingt ärztlich oder mit dem Fachpersonal in der Apotheke abgesprochen werden.

Wichtig: Der selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer Fluoxetin hat eine vergleichsweise lange Halbwertszeit, verbleibt also lange im Organismus. Aus diesem Grund kann der Wirkstoff bis zu sechs Wochen, nachdem er abgesetzt wurde, noch zu Wechselwirkungen führen. Die erfolgte Einnahme von Fluoxetin sollte also auch nach dem Absetzen ärztlich besprochen werden.

Serotoninüberschuss abbauen?

Ein Serotoninüberschuss entsteht immer krankheitsbedingt oder als Folge einer falschen Medikamentengabe. Das heißt, ohne ärztliche Behandlung lässt sich ein Serotoninüberschuss nicht wieder abbauen. Liegt eine Erkrankung zugrunde, muss diese entsprechend therapiert werden. Bei einem Serotonin-Syndrom werden in der Regel unter ärztlicher Aufsicht die auslösenden Medikamente reduziert oder abgesetzt und, falls notwendig, Mittel gegeben, die die Aufnahme von Serotonin im Körper hemmen (Serotonin-Antagonisten).

Serotoninmangel: Depression als Folge?

Der Wert des 24-Stunden-Urins sagt nichts über den Serotoningehalt im Gehirn aus. Aktuell ist zudem nicht klar, ob ein Mangel an Serotonin tatsächlich negative Einflüsse auf die Psyche und bestimmte Körperfunktionen, wie die Darmbewegungen, haben kann. Deshalb gelten selbst Werte von 0 Milligramm Serotonin im Urin als normal, das heißt, ihnen wird kein Krankheitswert beigemessen.

Serotonin wird ein entscheidender Einfluss auf die Stimmung zugeschrieben. Ein Serotoninmangel wurde daher für lange Zeit auch mit Symptomen wie Erschöpfung, Schlafstörungen und einem veränderten Appetit sowie der Entstehung von Depression in Zusammenhang gebracht. Diese Hypothese gilt heute als umstritten. Grund dafür sind zum einen Untersuchungen mit Personen, bei denen ein Serotoninmangel künstlich herbeigeführt wurde, um so zu testen, ob ein solcher Mangel eine Depression auslösen könnte. Diese Annahme hat sich im Rahmen der Studie nicht bestätigt. Zum anderen konnten Studien, bei denen die Konzentration von Serotonin im Liquor gemessen wurde, diesbezüglich keine Unterschiede zwischen Menschen mit und ohne Depressionen feststellen.

SSRI zur Behandlung psychischer Erkrankungen?

Diese neueren Erkenntnisse zum Zusammenhang zwischen Serotonin und depressiven Erkrankungen führen auch dazu, dass die Behandlung von Depressionen mithilfe von sogenannten selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (kurz SSRI für Selective Serotonin Reuptake Inhibitor) mittlerweile etwas anders bewertet wird.

SSRI führen dazu, dass das Serotonin, das im Gehirn zur Kommunikation zwischen Nervenzellen ausgeschüttet wird, über einen längeren Zeitraum wirken kann. So lässt sich indirekt der Serotoninmangel ausgleichen und der Serotoninspiegel im Gehirn erhöhen. Die Medikamente werden verschrieben und sind nicht rezeptfrei erhältlich.

Auch wenn ein Zusammenhang zwischen einem niedrigen Serotoninspiegel und der Entstehung von Depressionen mittlerweile angezweifelt wird, werden SSRI in der aktuellen Leitlinie zur Behandlung der Erkrankung weiterhin empfohlen, da sich eine Wirksamkeit der Medikamente in vielen Fällen auch nachweisen lässt – wenn auch unklar ist, worauf diese Wirkung genau beruht. Die Behandlung einer Depression sollte aber nicht allein auf der Gabe von Medikamenten beruhen, sondern um weitere Maßnahmen, wie eine Psychotherapie, ergänzt werden.

Auch zur Behandlung von Angst- und Zwangsstörungen werden häufig SSRI in Form von Tabletten verschrieben. Antidepressiva aus der Gruppe der selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer sind zum Beispiel:

Gibt es "Serotonin-Räuber"?

Es gibt keine bestimmten Lebensmittel oder (mit Ausnahme von Serotonin-Antagonisten) Medikamente, die den Serotoninspiegel herabsetzen. Möglich ist, dass eine erhöhte psychische Belastung, wie andauernder Stress, zu einer Störung der Serotoninproduktion beitragen könnte. Auch chronische Erkrankungen oder ein Vitamin-B6-Mangel könnten dazu beitragen, dass die Bildung des Hormons beeinträchtigt wird.

Serotonin erhöhen

Serotonin wird nicht nur vom menschlichen Körper produziert, sondern kommt indirekt auch in verschiedenen Lebensmitteln vor. Genauer gesagt ist die Aminosäure Tryptophan in Lebensmitteln enthalten, die im Körper wiederum zu Serotonin umgewandelt wird.

Lebensmittel mit hohem Tryptophan-Gehalt sind unter anderem:

Allerdings ist umstritten, ob der Verzehr solcher Lebensmittel dazu beitragen kann, Serotonin auf natürlichem Wege zu erhöhen. Der Gehalt an Tryptophan ist vermutlich, betrachtet auf üblicherweise verzehrte Mengen, zu niedrig, um wirklich einen Effekt zu bewirken. Zudem kann Serotonin die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden. Der Stoff gelangt also vom Blut nicht in das Gehirn, um dort Nervenzellen zu beeinflussen.

Die stimmungsaufhellende Wirkung von Lebensmitteln wie Schokolade ist deshalb weniger auf das im Kakao enthaltene Tryptophan als auf den hohen Kohlenhydratgehalt zurückzuführen. Denn kohlenhydratreiche Nahrung stimuliert – über eine Reihe von Zwischenschritten – die Serotoninbildung im Gehirn.

Eine kalorienärmere Methode, um die Stimmung positiv zu beeinflussen, stellt das Treiben von Sport dar: Studien an Menschen und Tieren haben gezeigt, dass sportliches Ausdauertraining den Serotoninspiegel heben kann. Denn durch körperliche Betätigung wird die Verfügbarkeit der Aminosäure Tryptophan im Gehirn erhöht.

Regelmäßiger Sport kann also dauerhaft den Serotoninspiegel erhöhen. So kann Serotonin indirekt nicht nur zu körperlicher, sondern auch zu psychischer Gesundheit beitragen.

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