Frau mit Zwangsstörung wäscht sich die Hände
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Zwangsstörung: Ursachen & Mittel zur Behandlung

Von: Daniela Kirschbaum (Medizinautorin)
Letzte Aktualisierung: 02.04.2024

Die Zwangsstörung – auch als Obsessive Compulsive Disorder (OCD) bezeichnet – tritt verhältnismäßig oft auf. Sie zeichnet sich durch wiederkehrende Zwangsgedanken und -handlungen aus, die belastend sind und den Alltag Betroffener deutlich beeinträchtigen. Erste Symptome zeigen sich nicht selten bereits im Kindes- und Jugendalter. Bei einer frühen Diagnosestellung und einer entsprechenden Therapie ist die Prognose bei Zwangserkrankungen gut. Im Folgenden erfahren Sie mehr darüber, was eine Zwangsstörung ist, wie man sie erkennt und welche Mittel man ergreifen kann, um die Erkrankung zu behandeln.

Was ist eine Zwangsstörung?

Bei einer Zwangsstörung handelt es sich um eine relativ häufig auftretende psychische Erkrankung. Sie stellt eine eigenständige Diagnose dar und zählt nicht, wie oftmals fälschlicherweise angenommen wird, zu den zwanghaften Persönlichkeitsstörungen. Manche kennen die Krankheit noch unter dem veralteten Begriff Zwangsneurose. Eine etwas enger gefasste Definition der Störung lautet folgendermaßen:

Zwangsstörungen sind gekennzeichnet durch wiederkehrende und anhaltende Zwangsgedanken und -handlungen, die mit deutlichem Leidensdruck verbunden sind. Neben aufdringlichen Gedanken, Bildern oder auch Trieben besteht der Drang, bestimmten Handlungsimpulsen zu folgen. Bestehende Zwänge basieren dabei nicht selten auf unrealistischen Sorgen und Ängsten.

Zwanghafte und angstauslösende Gedanken kennzeichnen die Störung. Um diese unwirksam zu machen und so wieder ein psychisches Gleichgewicht herzustellen, kommt es zu Ausgleichshandlungen. Solche ritualisierten Zwangshandlungen können sichtbar sein – man denke etwa an einen Putz- oder Waschzwang – oder aber sie spielen sich im Verborgenen ab, wie zum Beispiel ein gedanklicher Zählzwang. In den meisten Fällen sind sich Betroffene darüber bewusst, dass ihre Zwänge auf recht unrealistischen Vorstellungen beruhen. Dennoch können die Handlungen nicht unterlassen werden, da dies mit immensen Ängsten und starker psychischer Anspannung einhergehen würde und die Ausführung von einem kurzzeitigen Gefühl der Erleichterung begleitet ist.

Auslöser von Zwangsstörungen

Zwangsstörungen: Häufigkeit und Auftreten

Die Zwangsstörung ist keine seltene Erkrankung. Etwa zwei bis drei Prozent der Bevölkerung sind davon betroffen. Man muss die Krankheit von der zwanghaften Persönlichkeitsstörung abgrenzen, wobei manchmal beide Diagnosen zugleich vorliegen. Zudem gehen Zwänge gehäuft mit Depressionen und Angststörungen einher.

Erste Symptome zeigen sich durchaus schon bei Kindern und Jugendlichen. Bei circa 85 Prozent aller Betroffenen liegt der Krankheitsbeginn vor dem 30. Lebensjahr. Jungen leiden statistisch betrachtet etwas öfter unter Zwängen als Mädchen. Im Erwachsenenalter sind Frauen und Männer etwa gleich häufig betroffen. Entgegen der landläufigen Meinung hängen Zwangserkrankungen und Intelligenz nicht zusammen und treten daher auch nicht vermehrt bei Hochbegabungen auf.

Ursachen: Was ist der Grund für Zwangsstörungen?

Wie bei anderen psychischen Leiden geht man davon aus, dass verschiedene Faktoren eine Zwangsstörung begünstigen. Neben der erblichen Komponente sind hier etwa Ursachen in der Kindheit und der Erziehung, belastende Lebensereignisse und Traumata, neurobiologische Faktoren, innere Konflikte oder auch generelle Persönlichkeitsaspekte zu nennen.

  • Genetische Faktoren: Es bestehen familiäre Häufungen. Vor allem Verwandte ersten Grades von erkrankten Personen sind betroffen. Allerdings ist die genetische Veranlagung bei einer Zwangserkrankung geringer als bei anderen psychischen Erkrankungen (etwa Depression oder Schizophrenie).
  • Neurobiologische Ursachen: Es konnte beobachtet werden, dass bei akutem Zwangsgeschehen bestimmte Gehirnareale übermäßig aktiv sind. Bei erfolgreicher Behandlung normalisiert sich dies wieder. Auch der Gehirnstoffwechsel – insbesondere der Botenstoff Serotonin – dürfte eine Rolle spielen.
  • Belastende Lebensereignisse und Erziehung: Belastende Lebensereignisse und Traumata (wie der Tod nahestehender Personen, Vernachlässigung, Missbrauch, Gewalt) können Zwangsstörungen begünstigen. Auch Erziehungserfahrungen, wie etwa ein übertriebener Fokus auf Reinlichkeit beziehungsweise ein stark kontrollierendes Elternhaus, spielen hier eine Rolle.
  • Persönlichkeitsaspekte: Manche Persönlichkeitsaspekte stehen im Verdacht, sich ungünstig auf die Entstehung von Zwangsstörungen auszuwirken. Dazu zählen etwa Perfektionismus oder Schüchternheit.

Welche Symptome zeigen sich bei einer Zwangsstörung?

Typische Symptome der Zwangsstörung sind vor allem das Auftreten verschiedene Arten von Zwängen. Allgemein wird dabei zwischen Zwangsgedanken und Zwangshandlungen unterschieden. Diese treten häufig gemeinsam auf, nehmen viel Zeit in Anspruch und bestimmen den Alltag Betroffener.

Bei Zwangsgedanken handelt es sich um immer wiederkehrende Gedankengänge. Diese sind deutlich belastend, erscheinen oftmals übertrieben oder unsinnig und lassen sich nicht unterdrücken. Entweder treten sie willkürlich auf, oder aber sie werden durch bestimmte Ereignisse ausgelöst.

Häufige Arten von Zwangsgedanken im Überblick:

  • Gedanken sexueller, aggressiver oder religiöser Natur
  • Gedanken im Hinblick auf Ordnung und Symmetrie
  • Gedanken im Hinblick auf Schäden, Verluste und Gefährdungen
  • Gedanken in Bezug auf Verunreinigungen und Krankheiten
  • abergläubische Zwangsgedanken

Bei Zwangshandlungen handelt es sich um ritualisierte Handlungen, die wieder und wieder ausgeführt werden. Man bezeichnet sie auch als Ausgleichshandlungen, weil sie die belastenden Zwangsgedanken und den damit verbundenen psychischen Druck neutralisieren sollen.

Häufige Zwangshandlungen im Überblick:

  • Waschzwänge
  • Putz- und Reinigungszwänge
  • Ordnungszwänge
  • Kontrollzwänge
  • Berührungszwänge
  • Sammelzwänge (seltener)
  • gedankliche Zwangshandlungen (zum Beispiel Zwang zu zählen, zwanghaftes Sprechen oder Beten)

Dass dieses Verhalten für großen Leidensdruck sorgt, scheint naheliegend. Ein Realitätsverlust ist damit in den meisten Fällen aber nicht verbunden. So sind sich erkrankte Personen ihrer Zwänge durchaus bewusst und haben auch nicht das Gefühl, dass die Zwangsgedanken von außen eingegeben sind.

In Kombination mit den Zwangssymptomen kann es auch zu körperlichen Beschwerden wie Zittern, Herzrasen, Schwitzen, Magen-Darm-Problemen oder Schlafstörungen kommen. Zudem ist das Suizidrisiko bei betroffenen Personen erhöht.

Wie fangen Zwangsstörungen an?

Wie bei vielen psychischen Erkrankungen ist der Verlauf einer Zwangserkrankung schleichend. Drängende Gedanken, Rituale und leichte Zwangshandlungen kennen wir alle. Klassische Beispiele dafür sind etwa zu kontrollieren, ob der Herd auch wirklich ausgeschaltet ist, bevor man das Haus verlässt, ob Türen wirklich abgeschlossen sind oder das dringende Bedürfnis, sich nach einer Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln die Hände zu waschen. Solche Zwänge haben für gewöhnlich keinen Krankheitswert.

Chronifiziert sich eine Zwangsstörung, zeigt sich das darin, dass diese Gedanken und Handlungen im Alltag allmählich immer mehr Raum einnehmen und mit der Zeit deutliches Leid verursachen. Zwangsgedanken kehren häufig wieder und lassen sich kaum noch verdrängen. Betroffene Personen wenden zudem viel Zeit auf, um ritualisierte Zwangshandlungen durchzuführen. Diese bereiten nicht nur keine Freude, sie machen außerdem einen normalen Alltag unmöglich. Bei schweren Zwangsstörungen nimmt die Erkrankung mitunter so viel Raum ein, dass man beruflichen und privaten Verpflichtungen sowie einer ausgleichenden Freizeitgestaltung kaum mehr nachgehen kann. Sozialer Rückzug und Isolation sind die Folge.

Wie wird eine Zwangsstörung diagnostiziert?

Um eine Zwangsstörung diagnostizieren zu können, müssen nicht nur bestimmte Kriterien erfüllt sein, andere Erkrankungen, die ursächlich für die Symptome sein könnten, gilt es zudem auszuschließen. Die Diagnose stellt der*die Facharzt*Fachärztin für Psychiatrie. Zwar sind für die Diagnosestellung selbst keine speziellen Tests notwendig, standardisierte Fragebögen können aber dabei helfen, den Schweregrad der Erkrankung einzuschätzen. Im Rahmen dieser Fragebögen wird beispielsweise abgefragt, wie stark Zwangsgedanken oder -handlungen den Alltag beeinträchtigen, ob die eigenen Handlungen vom sozialen Umfeld als übertrieben angesehen werden und ob das Durchführen einer Handlung kurzzeitig ein Gefühl der Erleichterung mit sich bringt.

Grundsätzlich müssen folgende Kriterien für das Vorliegen der Zwangserkrankung erfüllt sein:

  • Sich wiederholende Zwangsgedanken und/oder -handlungen dauern über zwei Wochen an (an allen oder den meisten Tagen).
  • Die Zwänge beeinträchtigen den Alltag deutlich. 

Um die psychische Erkrankung von anderen Krankheitsbildern (beispielsweise Tic-Störung, Demenz, Schlaganfall) abzugrenzen, ist zudem eine neurologische Untersuchung notwendig. Im Sinne einer Ausschlussdiagnose werden auch bildgebende Verfahren wie die Magnetresonanztomografie (MRT) eingesetzt.

Wie kann man eine Zwangsstörung behandeln?

Eine Zwangsstörung erschwert den Alltag ungemein. Dass Betroffene ihre Zwangsgedanken loswerden und Ausgleichshandlungen durchbrechen wollen, scheint logisch. Die Kombination aus einem starken Leidensdruck und einer entsprechenden Krankheitseinsicht wirkt sich positiv auf den Therapieerfolg aus. Selbst behandeln lässt sich die Erkrankung aber nicht. Zwangserkrankte sollten dies auch nicht versuchen, sondern sich in professionelle Hände begeben.

Was nun das beste Mittel bei Zwangsstörungen ist, ist von Person zu Person verschieden und hängt von der Ausprägung des Störungsbildes ab. Es gibt verschiedene Behandlungsmöglichkeiten, die auch kombiniert werden können. Als Mittel der Wahl gilt in der Regel die Psychotherapie – vor allem die Verhaltenstherapie. Mit den Zwängen verbundene Denkmuster werden hier schrittweise verändert. Die Psychotherapie ist eines der besten Mittel bei Zwangsstörungen. Denn oftmals reicht sie alleine aus, um eine deutliche Verbesserung der Symptomatik zu erreichen. Manchmal ist sogar eine völlige Beschwerdefreiheit möglich.

Ergänzend können Medikamente zum Einsatz kommen. Das ist vor allem bei schweren Zwangserkrankungen der Fall, oder wenn eine Psychotherapie noch nicht greift beziehungsweise verfügbar ist. In der Regel werden Antidepressiva verschrieben, und zwar vorwiegend selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI).

Manchen Betroffenen helfen zusätzlich alternative Methoden. Neben der Psychotherapie und der medikamentösen Behandlung gibt es einige Ansätze, die betroffenen Menschen dabei helfen können, mit dem Leidensdruck durch die Erkrankung in ihrem alltäglichen Leben besser umzugehen. Außer Selbsthilfegruppen sind das etwa Entspannungstechniken wie Meditation, progressive Muskelentspannung nach Jacobson oder autogenes Training. Auch Akupunktur zeigt bei manchen Betroffenen gute Wirkung.

Was können Angehörige tun?

Auch für Angehörige ist der Umgang mit der Erkrankung nicht einfach. Wichtig ist hier, dass man sich nicht in die Zwänge einbinden lässt, sondern sich entsprechend abgrenzt – auch wenn das mitunter schwerfällt. Trotzdem darf das Zwangsgeschehen nicht abgewertet werden, denn der Leidensdruck ist real. Vielmehr geht es darum, die Erkrankung ernst zu nehmen und Betroffenen dabei zu unterstützen, professionelle Therapieangebote in Anspruch zu nehmen.

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