Vergesslichkeit im Alter: normal oder Demenz?
Vergesslichkeit und Probleme mit der Konzentration – viele ältere Menschen sehen darin schon Vorboten einer Alzheimer-Erkrankung oder einer anderen Form der Demenz. Glücklicherweise trifft dies in den meisten Fällen nicht zu. Dennoch ist es wichtig, den Ursachen auf den Grund zu gehen, um etwaige Erkrankungen möglichst frühzeitig zu erkennen. Den Schlüssel verloren, die Telefonnummer des Freundes vergessen – was steckt dahinter? Und wie kann man Vergesslichkeit im Alter von einer Demenz unterscheiden?
Altersvergesslichkeit und Demenz: Unterscheidung der Begriffe
Unter "Altersvergesslichkeit" wird der normale, altersbedingte Verlust von Nervenzellen im Gehirn verstanden, der auch zu einer verminderten Gedächtnisleistung führen kann.
Der Begriff "Demenz" bezeichnet eine krankhafte Vergesslichkeit, die durch das verstärkte Absterben von Nervenzellen im Gehirn ausgelöst wird. Neben einer Demenz in Form einer Alzheimer-Erkrankung, bei der aus bisher nicht geklärter Ursache Nervenzellen im Gehirn absterben, können auch andere Auslöser hinter einer krankhaften Vergesslichkeit stecken.
Welche Ursachen können hinter einer Demenz stecken?
Neben einer Alzheimer-Erkrankung können eine Demenz und die damit verbundene eingeschränktere Alltagsbewältigung auch durch eine körperliche Erkrankung, zum Beispiel von Herz, Leber, Nieren oder Lunge, ausgelöst werden. Als Auslöser kommen auch Erkrankungen des Gehirns (Parkinson-Krankheit, Schlaganfall, Hirntumor, Gehirnentzündung oder Kopfverletzung) infrage.
Bei einigen Demenzformen treten die Symptome plötzlicher auf als bei einer Alzheimer-Demenz. Häufig leiden Betroffene aber auch an einer Mischform aus unterschiedlichen Demenzarten, sodass eine Unterscheidung in der Praxis häufig schwierig ist.
Manchmal verbirgt sich hinter einer vermeintlichen Demenz aber auch ein seelisches Krankheitsbild wie zum Beispiel eine Depression.
Möglicherweise werden die Symptome aber auch durch äußere Faktoren, wie Medikamente, Alkohol, großen Stress, schlechten Schlaf, falsche Ernährung oder Drogen verursacht.
Altersvergesslichkeit oder Demenz? Anzeichen deuten
Ein wenig Vergesslichkeit ist gerade in höherem Alter normal. Allerdings kann Vergesslichkeit auch krankhafte Ursachen haben und ein Anzeichen für eine Demenz sein. Die folgende Tabelle gibt konkrete Hinweise, welche Symptome eher im Rahmen einer normalen Altersvergesslichkeit auftreten und welche auf eine Demenz hinweisen können.
Spricht eher für Altersvergesslichkeit | Spricht eher für eine Demenz |
Beginn der Symptome im Alter von über 60 Jahren. | Beginn der Symptome im Alter von unter 60 Jahren. |
Lediglich vorübergehendes Auftreten von Vergesslichkeit. | Die Vergesslichkeit dauert an und wird im Verlauf von Monaten sogar stetig schlimmer. |
Die Schwierigkeiten (Verlegen von Brille, Schlüssel etc., Vergessen von Namen) treten nur gelegentlich auf. | Das Verlegen oder Vergessen häuft sich, insbesondere bei wichtigen Gegenständen, auf die man normalerweise gut achtet (Geldbörse, Scheckheft, Ausweis). |
Durch intensives Nachdenken oder Konzentration fällt der betroffenen Person das Vergessene meist wieder ein. | Die betroffene Person vergisst ganze Erlebnisbereiche und Gedächtnisinhalte und kann sich trotz intensiven Nachdenkens auch später nicht daran erinnern. |
Die betroffene Person weiß sich durch bestimmte Merkhilfen (zum Beispiel Notizzettel) zu helfen. | Die betroffene Person kann mündlichen oder schriftlichen Anweisungen nicht folgen. |
Beim Kochen wird eine Zutat vergessen. | Es wird vergessen, dass überhaupt etwas auf den Herd gestellt wurde. Generell werden Routineaktivitäten im Alltag immer schwieriger. |
Eine Geschichte wird mehrmals erzählt. | Eine Geschichte wird mehrmals derselben Person innerhalb einer Stunde erzählt. |
Vereinzelt dauert es etwas, bis bestimmte Wörter oder Namen wieder einfallen. | Das Sprachvermögen und der Wortschatz sind deutlich beeinträchtigt. |
Es werden eher Sachen vergessen, die vor langer Zeit passiert sind (Langzeitgedächtnis). | Es werden vermehrt Sachen vergessen, die sich erst vor kurzer Zeit ereignet haben (Kurzzeitgedächtnis). |
Ein Anzeichen für eine Demenz ist auch die falsche Bewertung von Situationen. Dazu gehören beispielsweise das Auswählen von Kleidung, die für die Witterungsverhältnisse völlig ungeeignet ist oder Probleme beim Umgang mit Geld.
Auch bei der Orientierung in einer eigentlich vertrauten Umgebung oder bei der Einschätzung von Zeiten kommt es zunehmend zu Schwierigkeiten. Typisch für Menschen mit Demenz ist darüber hinaus ein zunehmender sozialer Rückzug und eine gewisse Antriebslosigkeit. Auch zunehmende Aggressivität oder andere auffällige Verhaltensänderungen ist sind mögliche Anzeichen.
Steckt eine Depression dahinter?
Auch bei Personen mit Depression erscheint die geistige Leistungsfähigkeit oft herabgesetzt, man spricht dann auch von Pseudodemenz. Die Unterscheidung ist wegen der unterschiedlichen Behandlungsansätze wichtig und für den Therapieerfolg von entscheidender Bedeutung.
Typische Merkmale einer Depression | Typische Merkmale einer Demenz |
Die Ausfallerscheinungen schreiten am Anfang schnell voran. | Die Ausfallerscheinungen nehmen während der gesamten Krankheitsdauer schleichend zu. |
Klagen über den Verlust bestimmter geistiger Fähigkeiten. | Normalerweise keine Klagen über den Verlust bestimmter geistiger Fähigkeiten. |
Die betroffene Person versucht nicht, leistungsfähig zu bleiben. | Die betroffene Person versucht, Defizite zum Beispiel mit Erinnerungshilfen auszugleichen. |
Die Stimmung ist anhaltend niedergedrückt. | Die Stimmung schwankt. |
Desorientierung ist nicht vorhanden. | Probleme bei der Orientierung treten auf. |
Bei Symptomen ärztlichen Rat suchen
Erste Anlaufstation bei einer fraglichen Demenz-Erkrankung sollte der*die Hausarzt*Hausärztin sein. Diese*r kennt die betroffene Person in der Regel über viele Jahre und kann daher Veränderungen der geistigen und funktionalen Fähigkeiten oder Verhaltensauffälligkeiten am besten einordnen.
Am Anfang wird ein ausführliches Gespräch mit dem*der Patient*in geführt. Zunächst mithilfe bestimmter Fragen und Aufgaben geprüft, ob tatsächlich eine krankhafte Störung von Konzentration und Gedächtnis vorliegt oder ob es sich um einen normalen altersbedingten Leistungsverlust handelt.
Auch andere Erkrankungen müssen als Ursache für die Vergesslichkeit ausgeschlossen werden. Im Rahmen der Diagnose kann das Gehirn beispielsweise mittels CT oder MRT auf sichtbare Veränderungen untersucht werden. Auch ein Blutbild kann Hilfestellung bieten, beispielsweise mit Blick auf die Entzündungswerte.
Bisweilen erfolgt dann eine Überweisung an eine neurologisch-psychiatrische Praxis. Dort wird zwischen einer Demenz und einer Depression unterschieden oder die vorliegende Demenzform bestimmt.
Für Betroffene: Memory-Kliniken oder Gedächtnis-Sprechstunden
In fast allen größeren Städten gibt es Einrichtungen, die auf die Diagnose und Therapie von Demenz-Krankheiten spezialisiert sind – sogenannte Gedächtnis-Sprechstunden, Gedächtnis-Ambulanzen oder auch Memory-Kliniken. In den Gedächtnissprechstunden arbeiten Fachleute aus Neurologie, Psychiatrie, Innerer Medizin, Geriatrie und/oder Psychologie zusammen, die den*die Patient*in gründlich untersuchen, um die genaue Ursache der Gedächtnisstörung abzuklären.
Das Team fasst die Einzelergebnisse in der "Diagnose-Konferenz" zusammen und bewertet sie. Der*die betreuende Arzt*Ärztin erörtert die Diagnose in einem ausführlichen Beratungsgespräch mit der betroffenen Person und ihren Angehörigen und bespricht die Therapiemöglichkeiten. Viele Memory-Kliniken bieten außerdem Angehörigen-Selbsthilfegruppen oder Gesprächskreise an.
Frühzeitige Diagnose ermöglicht bestmögliche Therapie
Die Angst vor der Diagnose Alzheimer führt bei vielen Menschen dazu, sich erst gar nicht untersuchen zu lassen. Erst wenn die Symptome deutlich und der Leidensdruck bei der betroffenen Person oder den Angehörigen groß ist, wird ärztlicher Rat gesucht. Eine frühe Abklärung wäre aber sinnvoll für den leichteren Umgang mit Betroffenen und für eine passende Behandlung.
Zwar ist eine Demenz nicht heilbar, jedoch können Cholinesterasehemmer und NMDA-Rezeptorblocker den Krankheitsverlauf zumindest verlangsam. Bereits zerstörte Nervenzellen im Gehirn können aber nicht wiederhergestellt werden.
Auch wenn andere Erkrankungen, wie eine Gehirnentzündung oder ein Schlaganfall, eine krankhafte Vergesslichkeit mit sich bringen, kann eine frühzeitige Diagnose dabei helfen, die Beschwerden zu lindern und eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes möglichst zu verhindern.