Ichthyose
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Ichthyose (Ichthyosis)

Von: Sigrid Born (Medizinautorin)
Letzte Aktualisierung: 14.06.2018 - 16:27 Uhr

Ichthyose, auch unter dem Fachbegriff Ichthyosis bekannt, bezeichnet eine genetisch verursachte Hauterkrankung, bei welcher die Hautzellerneuerung gestört ist. Eine vermehrte bis extreme Schuppung und Verhornung der Haut ist das zentrale Symptom der Ichthyose, die in zahlreichen Erscheinungsbildern auftritt und durch Fehler im Erbgut ausgelöst wird. Das Leben der Erkrankten ist geprägt von täglicher mehrstündiger Hautpflege und von gesundheitlichen Problemen, da viele Betroffene wegen der Verhornungen nicht schwitzen. Schließlich schafft eine häufige soziale Ausgrenzung zusätzlich psychische Probleme. Was steckt hinter der Erkrankung?

Was ist Ichthyose?

Bei der Ichthyose ist es so, als würden sich die Zellen stauen. Einerseits werden zu viele Zellen produziert, andererseits ist der natürliche Abschuppungsprozess verlangsamt oder behindert. Die deutlich verdickte Hornschicht kann nicht ausreichend Wasser binden und leidet daher ständig an einem hohen Feuchtigkeitsverlust.

Die verdickte Haut wird dabei immer trockener, sie schrumpft und bricht auf. Die entstandenen Risse vertiefen und verbreitern sich. Die Haut sieht aus, als ob sie mit Schuppen bedeckt sei. Für Betroffene bedeutet dies einen hohen Leidensdruck und viel Zeitaufwand für die tägliche Hautpflege.

Der Ausdruck "Ichthyose" kommt aus dem Altgriechischen "ichthýs" für "Fisch". Dieser Ausdruck bezieht sich auf die Hautschuppen, die an Fischschuppen erinnern. Dennoch sieht die Schuppung bei Ichthyose-Betroffenen nicht wie bei einem Fisch aus. Der Begriff "Fischschuppen-Krankheit" ist also nicht nur irritierend, sondern für die Betroffenen auch diskriminierend und sollte daher vermieden werden.

Ichthyose: Symptome

Typisches Symptom der Ichthyose ist, dass sich die Haut der Betroffenen beträchtlich aufbaut. Manchmal entstehen auch dicke Schuppen oder sogar Hornstachel, die sich dann zusammengeballt und verklumpt als deutlich sichtbare Schuppen ablösen.

Auch Rötungen und Juckreiz sowie trockene Haut im Winter sind typische Symptome. Dagegen sind Blasenbildungen bei Ichthyose relativ selten.

Formen der Ichthyose

Hautärzte schätzen, dass es rund 20 verschiedene Arten von Ichthyose gibt.

Die Ichthyosis vulgaris ist die häufigste und mildeste Form der Ichthyosen und wird autosomal-dominant vererbt: Unabhängig vom Geschlecht und – wenn auch nur ein krankhaftes Merkmal seitens der Vaters oder der Mutter vorliegt – in jedem Fall krankheitsauslösend. Männer und Frauen sind gleichermaßen häufig betroffen. Ichthyosis vulgaris ist vorwiegend geprägt von trockener Haut und Schuppen. 

Neben der häufigsten Form, der Ichthyosis vulgaris,ist die x-chromosomal (geschlechtsgebunden)vererbbare Ichthyosis fast nur bei Männern sichtbar. Weibliche Überträger der Erkrankung zeigen allenfalls eine trockene Haut. Sie ist die zweithäufigste Form der Ichthyose. An ihr erkrankt einer von 6.000 Menschen.

Weniger häufig treten schwere Ichthyosen in Verbindung mit weiteren Gesundheitsstörungen auf, wie es bei der Ichthyose Harlekin beispielsweise der Fall ist.

Unterteilung in vier Gruppen

Ichthyosen lassen sich zunächst in zwei große Gruppen einteilen:

  • Ichthyosen, die nicht bei Geburt bestehen, sondern sich in den ersten Lebenswochen oder -monaten entwickeln. Diese werden vulgäre Ichthyosen genannt.
  • Angeborene Ichthyosen, die als kongenitale Ichthyosen bezeichnet werden.

Eine weitere Unterteilung lässt sich danach treffen, ob nur eine Ichthyose vorliegt oder weitere Merkmale (zum Beispiel Haarveränderungen, Bewegungsstörungen, Entwicklungsverzögerungen) bestehen. In diese vier Gruppen (vulgäre Ichthyosen mit und ohne weitere Merkmale sowie kongenitale Ichthyosen mit und ohne weitere Merkmale) lassen sich alle verschiedenen Formen der Ichthyosen einordnen.

Im Falle der letzteren Einteilung der Ichthyoseformen spricht man auch von sogenannten isolierten Ichthyosen und Verhornungsstörungen, bei denen nur die Haut betroffen ist, im Gegensatz zu komplexen Ichthyosen, bei denen die Hautbeteiligung nur eine von mehreren Erkrankungen einer übergeordneten Krankheit ist.

Lamelläre Ichthyose

"Marc war eine Frühgeburt. Seine Haut erinnerte an geöltes Pergament. Die gelblich-bräunliche Haut war durchsichtig und riss nach und nach ein. Die Haut darunter war rötlich und schuppig." Marcs Eltern erfuhren, dass ihr Sohn an der angeborenen lamellären Ichthyose leidet, medizinisch "autosomal-rezessiv lamellären Ichthyose" genannt. Babys mit diesen Symptomen heißen auch Kollodiumbabys (griech.-lat. "leimartig"). Manchmal ist die Haut vollständig gerötet, während bei anderen Betroffenen keine Rötung besteht.

Sehr unterschiedlich sind Größe und Farbe der Schuppung. Bei vielen besteht eine eher feine und hellbraune Schuppung, doch bei anderen kann eine sehr viel dickere, plattenartige und häufig sehr dunkle Verhornung vorliegen. Die Schuppen bestehen immer aus dünnen Schichten von Zellen, die wie Lamellen übereinander liegen; daher kommt die Bezeichnung "lamelläre Ichthyose".

Da die Haut sehr trocken ist kann es zu einem Herunterziehen der Unterlider kommen, ein sogenanntes Ektropion. Handflächen und Fußsohlen sind oft von ausgeprägten Linien durchfurcht und zeigen vermehrtes Horn. Babys mit der Kollodiummembran sind Risikopatienten, die intensivmedizinisch überwacht werden. Ihre Haut hat durch die genetisch veränderte Struktur der Hornschicht eine nur geringe Fähigkeit der Wasserbindung. Die Kinder verlieren also sehr schnell Flüssigkeit und außerdem Wärme.

Diagnose der Ichthyose

Von 300 Menschen leidet einer an Ichthyose. Die Haut erfordert gute Pflege, häufiges Baden und Eincremen, aber bei den meisten verschwinden die Symptome bis zur Pubertät.

Ärzte erkennen die Ichthyose eigentlich sofort am typischen Erscheinungsbild der Haut. Um die Krankheitsform zu bestimmen, wird eine Gewebeprobe der Haut entnommen und unter einem Mikroskop analysiert. Darüber hinaus wird eine Blutprobe molekulargenetisch untersucht. So kann der Hautarzt herausfinden, welcher Gendefekt genau die Erkrankung verursacht hat.

Gendefekt als Ursache

Über die Ursachen der autosomal-rezessiven lamellären Ichthyosen ist noch nicht viel bekannt. Allerdings hat man Mutationen in dem Enzym Transglutaminase gefunden. Die Transglutaminase ist für die Bildung der Zellmembran in den Hornschichtzellen zuständig. Inzwischen ist ein zweiter Genort gefunden, doch was an dieser Stelle kodiert wird, ist zurzeit noch nicht bekannt. Außer diesen beiden Genorten muss es mindestens noch eine dritte Stelle im Erbgut geben, die bei einem Defekt zu einer Ichthyose führt.

Bisher zeigt sich, dass kein Zusammenhang zwischen dem Schweregrad der Ichthyose und den verschiedenen Genorten besteht. Um herauszufinden, ob Patienten tatsächlich dieses wichtige Enzym fehlt, wird eine kleine Hautprobe entnommen und tiefgefroren, um anschließend mit einem von der münsterschen Arbeitsgruppe entwickelten neuartigen biochemischen Test die Aktivität des Enzyms zu messen.

Eine Mutation im Transglutaminase 1-Gen konnten die Wissenschaftler beispielsweise beim "Kollodium-Baby" nachweisen. Die Entwicklung neuer Therapiestrategien für die schweren Formen der Ichthyose zielt darauf ab, die fehlenden Enzyme in Bakterien oder Hefekulturen gentechnisch herzustellen und in Salben einzubringen. Sollte sich dieser Ansatz als erfolgreich erweisen, wäre damit tatsächlich der Durchbruch zu einer ursächlichen Behandlung gelungen.

Professor Dr. Heiko Traupe, Dermatologe und Sprecher des "Netzwerks für Ichthyosen und verwandte Verhornungsstörungen" (NIRK), will jedoch nicht zu früh falsche Hoffnungen wecken. Zunächst seien noch experimentelle Arbeiten erforderlich. "In fünf Jahren", so lautet seine Schätzung, "werden wir soweit sein, erste klinische Studien am Menschen durchzuführen."

Behandlung

Ichthyosen sind nicht heilbar. Ihre Behandlung richtet sich daher nach den individuellen Krankheitszeichen und ist daher nur symptomatisch. Da die Haut insgesamt zu trocken ist, braucht sie Wasser und Fett und muss "entschuppt" werden. Bäder mit Kochsalz und Badeöl gelten als sehr nützlich. Schwämme zum Abbürsten der Haut sind unerlässlich.

Äußerliche Behandlung von Ichthyosen

Salben und Cremes für die äußere Ichthyosebehandlung bestehen aus einer Öl-Wasser-Mischung in verschiedenen Konzentrationen, etwa Vaseline, Glycerin, Eucerin, Wollwachsalkohole usw. In diese Grundlagen lassen sich vom Apotheker verschiedene Wirkstoffe einarbeiten, die eine Abschuppung fördern: Harnstoff, Salizylsäure, Kochsalz, Milchsäure und Vitamin-A-Säure. Auch die Salbengrundlage Polyäthylenglykol hat einen abschuppenden Effekt. Am besten bewährt hat sich nach Aussage der Dermatologen Harnstoff.

Salizylsäure darf vor allem bei kleineren Kindern nur an kleinflächigen Hautpartien und nur für kurze Zeit verwendet werden, da es bei großflächiger hochkonzentrierter Dauerbehandlung zu Vergiftungen kommt. Der stärkste Schuppenablöser ist Vitamin-A-Säure. Allerdings verursacht sie schnell Hautreizungen und Hautbrennen, sodass man bei der Anwendung vorsichtig sein muss.

Einige Wirkstoffe lassen sich auch miteinander kombinieren, um die Wirkung zu verstärken. Übliche und wirksame Konzentrationen dieser hornablösenden Substanzen sind:

  • Salizylsäure bis 5%
  • Vitamin-A-Säure 0,025%
  • Harnstoff bis 12%
  • Kochsalz bis 5%
  • Milchsäure bis 5%
  • Polyäthylenglykol 300-400

Weitere Maßnahmen zur Therapie

Dampfbäder bei mäßigen Temperaturen mit hoher Luftfeuchtigkeit weichen die Verhornungen auf. Neben den Öl- oder Salzbädern wirken Sonne oder warmes und feuchtes Klima positiv auf den Zustand der Haut.

Zur umfassenden Behandlung gehört auch immer eine Berufsberatung, die auf die empfindliche Haut Rücksicht nimmt.

Innerliche Behandlung von Ichthyosen

Eine innerliche Behandlung ist mit Tabletten mit dem Wirkstoff Acitretin möglich. Diese Tabletten gehören in die Gruppe der Retinoide, das sind mit dem Vitamin A verwandte Substanzen – Arzneistoffe also, die in Aufbau und Wirkung dem Vitamin A (Retinol) gleichen. Retinoide beeinflussen die Umsetzung der Erbinformation einer Zelle.

Bei Verhornungsstörungen greifen sie regulierend in die unkontrollierte Vermehrung der Hautzellen ein und fördern das langsame Ausreifen der neu gebildeten Zellen. Sie besitzen außerdem eine direkte hornhautlösende Wirkung, die bereits nach wenigen Tagen eintritt. Retinoide beeinflussen Zellen des Immunsystems in der Haut und wirken entzündungshemmend. Acitretin löst Verhornungen der Haut ab und verhindert für eine gewisse Zeit deren Neubildung.

Achtung: Acitretin ist für Frauen im gebärfähigen Alter nicht geeignet, da es in der Schwangerschaft schwerste Schäden am ungeborenen Kind verursacht. Eine Schwangerschaft muss daher vor, während und bis zwei Jahre nach Ende der Therapie sicher ausgeschlossen werden.

Vorsicht vor einem Wärmestau

Sehr problematisch ist die Unfähigkeit zu schwitzen. Für die Betroffenen ist dies häufig schlimmer als die Schuppung der Haut. Für Kinder bedeutet dies in den Sommermonaten, dass sie nicht spielen können. Aber auch Erwachsene sind trotz vorsorglicher Maßnahmen deutlich in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt.

Bereits bei Temperaturen um 20 °C kann es schon bei mäßiger körperlicher Belastung zu einem Wärmestau kommen. Bei höheren Temperaturen treten eine massive Gesichtsrötung und eine Überhitzung des Körpers mit gleichzeitiger Dehydrierung (Austrocknung) auf. Nur eine innerliche (Getränke, Speiseeis) und besonders äußerliche Kühlung sowie Flüssigkeitszufuhr können einen Kreislaufkollaps und bei Kindern einen Fieberkrampf zu verhindern.

Psychosoziale Folgen von Ichthyose

Die Sichtbarkeit ihrer Hauterkrankung bereitet den Betroffenen erhebliche Probleme. Ablehnung, irritierende und diskriminierende Bemerkungen und eine soziale Ausgrenzung beginnen bereits im Kleinkindesalter und ziehen sich durch das Leben. Immer wieder neue Therapien, neue Ärzte, nicht selten Hoffnungslosigkeit und eine ermüdende immerwährende Hautpflege sind eine Belastung, die niemand nachvollziehen kann. Eine psychotherapeutische Unterstützung kann hilfreich sein.

"Die Betroffenen fühlen sich nicht nur im wahrsten Sinne des Wortes unwohl in ihrer Haut", betont Professor Traupe, "sie haben in der Regel auch große Probleme, sich selber anzunehmen. Viele leben äußerst zurückgezogen, weil sie die Reaktion der Umwelt auf ihr äußeres Erscheinungsbild fürchten. Hinzu kommt ein extremer Pflegeaufwand. Zur Behandlung der am gesamten Körper extrem trockenen und verhornten Haut, von der unablässig Schuppen rieseln, verbringen die Patienten in der Regel ihr Leben lang jeden Tag mindestens eine Stunde in der Wanne."

Möglichkeiten der Unterstützung bei der Pflege

Es ist bereits bei Kleinkindern möglich, beim Versorgungsamt einen Schwerbehindertenausweis zu beantragen. Der Grad der Behinderung (GdB) beträgt bei kongenitalen Ichthyosen meistens zwischen 50 und 70 von 100, je nach Ausprägung aber auch bis 100.

Die Behandlung eines Kindes mit Ichthyose ist nicht nur mit sehr viel seelischer Belastung, Zeit- und Kraftaufwand verbunden, sondern auch mit erheblichen zusätzlichen Kosten (wie Wasser, Waschmittel, Kleidung, nicht erstattungsfähige Pflegepräparate). Deshalb ist die Beantragung von Pflegegeld nach SGB XI gerechtfertigt.