Liquorpunktion - Nervenwasser zur Diagnostik
Erkrankungen des Nervensystems können lebensbedrohliche Ausmaße annehmen. Häufig sind sie nicht durch eine einfache Blutuntersuchung nachweisbar. Es besteht aber die Möglichkeit, Nervenwasser zu entnehmen und im Labor auf Veränderungen zu untersuchen.
Was ist Liquor?
Gehirn und Rückenmark werden von einer wasserklaren Flüssigkeit umspült, die im Gehirn gebildet wird und dort mit den Flüssigkeitsräumen im Innern in Verbindung steht. Deshalb wird sie auch Hirn- oder Nervenwasser genannt. Sie schützt die empfindlichen Strukturen vor äußeren Einflüssen. Im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule (lumbal) sammelt sich der Liquor in einer Art Reservoir, das kein Rückenmark mehr enthält, und lässt sich an dieser Stelle gefahrlos durch eine Punktion gewinnen. Die Prozedur wird deshalb auch Lumbalpunktion genannt; der hin und wieder verwendete Begriff Rückenmarkspunktion ist dagegen falsch.
Was kann die Liquorpunktion zeigen?
Zwischen dem Blut und der Gehirnflüssigkeit besteht nur ein eingeschränkter Austausch. Diese so genannte Blut-Hirn-Schranke wirkt wie ein Filter, der benötigte Substanzen wie Sauerstoff, Kohlenstoff und Wasser durchlässt und schädigende Stoffe vom Nervensystem fernhält. Bei einigen Krankheiten und Einflüssen wie elektromagnetischer Strahlung kann die Funktion dieser Barriere jedoch gestört sein.
Aus der Farbe der Flüssigkeit sowie der Art und Menge der im Liquor gefunden Substanzen lassen sich Rückschlüsse auf die Ursache der Störung ziehen. Im Labor bestimmt werden rote und weiße Blutkörperchen, Eiweiße - insbesondere Antikörper -, Zucker und Laktat sowie ggf. Erreger und Krebszellen. Bei der Beurteilung wird deren Zusammensetzung üblicherweise in Beziehung zu den gleichzeitig ermittelten Blutwerten gesetzt. In Speziallabors lassen sich weitere, spezifischen Fragestellungen vorbehaltene Substanzen wie Interferone oder Kupfer bestimmen.
Wann wird die Liquorpunktion durchgeführt?
- Bei Hirnblutungen z.B. nach einem Unfall oder infolge eines Gefäßrisses zeigen sich rote Blutkörperchen, das Nervenwasser ist rosa oder rot.
- Bei Infektionen wie der bakteriellen und viralen Hirnhautentzündung (Meningitis) oder Neuroborreliose sind Entzündungszellen und Antikörper vorhanden.
- Bei Hirntumoren, Metastasen und Leukämie eventuell Krebszellen. Das Nervenwasser ist dann häufig trüb-weiß oder -gelb.
- Bei Multiple Sklerose lassen sich bei sehr vielen Patienten typische Veränderungen nachweisen (sog. oligoklonale Banden).
- Liquorpunktionen werden auch bei plötzlich auftretenden starken Kopfschmerzen oder Bewusstseinsverlust eingesetzt, manchmal auch zur Diagnostik von unklaren Stoffwechselerkrankungen v.a. im Kindesalter.
Wie läuft die Untersuchung ab?
Es sind keine speziellen Vorbereitungen des Patienten nötig. Ist er sehr aufgeregt, erhält er vorab ein Medikament. Etwa eine halbe Stunde vor der Punktion wird Blut entnommen. Für die Punktion sind eine entspannte Rückenmuskulatur und möglichst weite Wirbelzwischenräume wichtig. Deshalb befindet sich der Patient in einer kauernden Position, bei der die Lendenwirbelsäule gekrümmt wird. Im Liegen rollt er sich wie ein Embryo zusammen, im Sitzen beugt er den Kopf und den Rücken möglichst weit nach vorn, ein Helfer hält von vorn seine Schultern.
Zunächst wird der Einstichbereich gründlich desinfiziert und lokal betäubt. Dann wird eine lange, dünne Hohlnadel zwischen zwei Wirbeln in den Liquorraum eingeführt. Es werden drei kleine Portionen Nervenwasser durch Abtropfen gewonnen und zum Labor geschickt. Die Nadel wird herausgezogen, die Einstichstelle zusammengedrückt und mit einem Pflaster verschlossen. Die gesamte Prozedur dauert meist nicht länger als 5 Minuten Der Patient muss - je nach verwendeter Nadel - zwischen 4 und 24 Stunden Bettruhe einhalten.
Gibt es Komplikationen?
Im Prinzip ist dies ein recht ungefährlicher, wenig schmerzhafter Eingriff, der selten mit Komplikationen einhergeht. Vor allem wenn die Bettruhe nicht eingehalten und zu wenig getrunken wird, kann es 24 bis 72 Stunden nach der Punktion zu Kopfschmerzen v.a. im Sitzen oder Stehen, eventuell mit Nackensteifigkeit, Erbrechen und Hörminderung kommen ("postpunktionelles Syndrom").
Sehr selten treten Infektionen oder Lähmungserscheinungen auf. Gefährlich ist eine Lumbalpunktion bei erhöhtem Hirndruck und Gerinnungsstörungen bzw. der Einnahme von gerinnungshemmenden Medikamenten. Dann darf sie nur in seltenen Ausnahmefällen durchgeführt werden.