Alkohol in Medikamenten
"Wer Sorgen hat, hat auch Likör", sagt der Volksmund. Man könnte auch sagen: "Wer Medikamente hat, hat Alkohol". Viele Medikamente, vor allem pflanzliche Präparate in flüssiger Form, enthalten Alkohol. Umgangssprachlich wird unter Alkohol Ethylalkohol bzw. Ethanol verstanden. Er findet sich in den klassischen Alkoholika Bier, Wein oder Hochprozentigem, aber auch als Konservierungsstoff und Auszugsmittel verschiedener Medikamente wieder. Ethanol ist also der bekannteste Vertreter aus der großen chemischen Gruppe der Alkohole.
Ethanol ist Auszugsmittel...
Zur Herstellung pflanzlicher Arzneimittel wird von je her Ethanol eingesetzt, um einen hohen Wirkstoffgehalt im Medikament zu erzielen. Dazu werden zum Beispiel Kräuter oder Pflanzenbestandteile über einen längeren Zeitraum in Alkohol eingelegt und anschließend abgegossen. Ethanol ist zudem ein natürlicher Alkohol, der überall dort vorkommt, wo nasse, zucker- oder stärkehaltige Substanzen durch allgegenwärtige Hefezellen vergoren werden.
Somit ist Alkohol ein natürlicher Bestandteil vieler Lebensmittel wie z.B. Brot oder Fruchtsäfte. Auch das menschliche Blut enthält Alkohol und zwar in Konzentrationen von 0,002-0,003 Prozent - ohne die Einnahme von Alkohol.
...und Konservierungsstoff
Gleichzeitig ist Ethanol ein natürliches Konservierungsmittel, so dass durch den Einsatz von Alkohol in Arzneimitteln auf andere, künstliche Konservierungsstoffe verzichtet werden kann. Ethanol inaktiviert Enzyme: Das wirkt sich vorteilhaft auf Umbau- und Abbaureaktionen in den Zellen aus und fördert so die Wirkung der Arzneimittel.
Risiken und Nebenwirkungen
Der Alkoholgehalt von Arzneimitteln ist für die meisten Menschen völlig ungefährlich, selbst wenn sie ein pflanzliches Medikament über einen längeren Zeitraum einnehmen. Alkohol in Arzneimitteln gilt unter Pharmazeuten nicht als Wegbereiter für eine Alkoholabhängigkeit. Das bedeutet aber nicht, dass Alkoholkranke alkoholhaltige Medikamente einnehmen dürfen. Hier hat das Gebot der absoluten Abstinenz Vorrang. Bei Kindern jedoch streiten sich die Geister.
Die heute erhältlichen Präparate enthalten üblicherweise 30 bis 50 Volumenprozent Alkohol, der in Einzeldosierungen von ca. 2 ml oder 2g eingenommen wird. Daraus lässt sich dann ein momentaner Blutalkoholspiegel von 0,01 bis 0,02 % ableiten, der bereits nach wenigen Minuten wieder abgebaut wird.
Gefahr für Kinder?
Aus pharmazeutischer Sicht besteht daher auch für Kinder keine Gefahr durch alkoholhaltige Arzneimittel. Vielmehr verweisen Pharmazeuten und Apotheker auf die ihrer Meinung nach größere Gefahr durch den fahrlässigen Umgang mit frei verkäuflichen Alkoholika hin. Darüber hinaus müssen Eltern und Erzieher dafür sorgen, dass jede Art von Medikamenten – also nicht nur alkoholhaltige – für Kinder unzugänglich aufbewahrt werden.
Alkoholersatz ist problematisch
Für Pharmazeuten ist Ethanol ein unumstrittener Bestandteil verschiedenster Rezepturen. Deren Zusammensetzung ist im Arzneimittelgesetz genau festlegt und reglementiert. Danach muss ein Medikament, das einen Fluidextrakt oder eine Tinktur enthält, immer Ethanol enthalten und darf nicht als "alkoholfrei" bezeichnet werden. Die physikalischen, technologischen und antimikrobiellen Eigenschaften von Ethanol lassen sich gut mit denen von Wasser ergänzen, sodass Ethanol-Wasser-Mischungen leicht herzustellen und vorteilhaft für den Verbraucher sind. Zwar gibt es Ersatzstoffe, doch die sind häufig nur Gemische höherer Alkohole.
Damit sind diese Zubereitungen auf keinen Fall "alkoholfrei", sondern lediglich "ethanolfrei". Die Verwendung anderer Lösungsmittel für die pflanzlichen Wirkstoffe wird daher von Pharmazeuten nicht empfohlen. Festzuhalten bleibt, dass Alkoholkranke auch keinen Alkohol in Medikamenten zu sich nehmen sollten.
Für Kinder gilt der bestimmungsmäßige Gebrauch als völlig ungefährlich – eine Flasche Bier in Kinderhand ist gefährlicher.