Aktivkohle und Kohletabletten: Wirkung bei Durchfall, Vergiftung & Co.
Aktivkohle gehört zu den ältesten bekannten Arzneimitteln. Heute findet man sie in verschiedenen Produkten für die medizinische Anwendung, gepresst als Kohletablette sowie als Kapsel, Pulver oder Granulat. Medizinische Kohle kommt aber nicht nur bei Durchfall oder Vergiftungen zum Einsatz, sondern wird auch in Zahnpasta, als Maske für die kosmetische Anwendung oder für die Filterung von Wasser oder Luft verwendet. Wissenswertes über die Anwendung, die Wirkung und die Nebenwirkungen von Aktivkohle und Kohletabletten und wo man sie kaufen kann, das verraten wir Ihnen hier.
Aktivkohle: Wirkung und Arten
Aktivkohle besteht zu mehr als 90 Prozent aus Kohlenstoff und ist sehr feinkörnig und porös. Das bedeutet, sie hat Poren wie ein Schwamm, die untereinander verbunden sind. Das hat zur Folge, dass sie eine extrem große innere Oberfläche besitzt. Zur Veranschaulichung: Vier bis fünf Gramm Aktivkohle weisen die Oberfläche von der Größe eines Fußballfelds auf! Durch diese Fähigkeit ergibt sich die charakteristische Wirkung, große Mengen anderer Substanzen wie etwa Giftstoffe (Toxine), Farb- und Aromastoffe, Chemikalien oder sogar manche Bakterien, aber auch Wasser an ihrer riesigen Oberfläche zu binden.
Man unterscheidet zwischen verschiedenen Arten von Aktivkohle, je nach Einsatzgebiet sind das folgende:
- medizinische Aktivkohle: in Arzneimitteln, zumeist Tabletten, zur Behandlung von Vergiftungen und Durchfall
- Aktivkohle für die Kosmetik: in Zahnpasta, Gesichtsmasken oder Detox-Produkten zur gründlichen Reinigung
- Aktivkohle für die industrielle Anwendung: als Bestandteil von Filtern zur Reinigung von beispielsweise Wasser oder Luft
Aktivkohle wird mehrheitlich aus pflanzlichen Rohstoffen wie Holz, Torf, Baumrinde, Nussschalen sowie Kokosfasern beziehungsweise Kokosnussschalen gewonnen.
Was sind Kohletabletten?
Bei Kohletabletten handelt es sich um gepresste medizinische Aktivkohle, die im Gegensatz zu Aktivkohle als Pulver meist noch Bindemittel enthalten. Der Vorteil von Kohletabletten: Sie lassen sich leichter dosieren und einnehmen als loses Pulver.
Kohletabletten bei Durchfall
Kohletabletten sind speziell für ihre Anwendung bei Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts bekannt. Zu nennen wären hier beispielsweise die Gastroenteritis (Magen-Darm-Infektion) oder Lebensmittelvergiftungen. Die Wirkung der Aktivkohle wird darauf zurückgeführt, dass sie die Auslöser der Symptome, wie etwa Bakterien oder Giftstoffe, aber auch Wasser an sich bindet. Auf diese Weise werden die Gifte zunächst adsorbiert und anschließend über den Stuhl auf natürlichem Weg aus dem Körper transportiert. Adsorption bedeutet, dass sich die Gifte beziehungsweise Bestandteile davon auf der Oberfläche der Kohle anlagern.
Wichtig: In der aktuellen Leitlinie der DGVS (Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten) wird von der Anwendung von Tabletten mit Kohle bei akuten Verdauungsbeschwerden, insbesondere bei Durchfall, abgeraten. Laut DGVS liegen keine wissenschaftlichen Beweise für die Wirkung von Kohletabletten & Co. bei Durchfallerkrankungen vor. Zudem wird von einer Eigenanwendung ohne ärztliche Empfehlung abgeraten, insbesondere wenn man den Auslöser des Durchfalls nicht kennt. Wirksam ist Aktivkohle hingegen bei bestimmten Formen von Vergiftungen.
Aktivkohle zur Entgiftung
Wurde eine Überdosis an Medikamenten, Chemikalien oder giftigen (toxischen) Substanzen aus Pflanzen oder Pilzen geschluckt, kann die nachträgliche Gabe von Aktivkohle bei der Entgiftung helfen. Die Kohlenstoffpartikel sind in der Lage, diejenigen Bestandteile zu binden, die giftig sind. Die Fähigkeit zur Adsorption des Kohlenstoffes verhindert, dass die Toxine in den Blutkreislauf gelangen.
Zu beachten ist hierbei, dass die Kohle möglichst zeitnah, das heißt etwa ein bis zwei Stunden nach der Aufnahme der Giftstoffe, eingenommen werden sollte. Die Dosierung ist dabei abhängig von der Menge des aufgenommenen Gifts und vom Körpergewicht der betreffenden Person. Das Verhältnis von Aktivkohle zu Gift sollte zehn Gramm Aktivkohle pro ein Gramm Gift betragen, um eine ausreichende Wirkung für die Entgiftung zu gewährleisten. Aktivkohle ist zwar gegen viele, aber nicht gegen alle Gifte wirksam.
Welche Giftstoffe bindet Aktivkohle?
In der Regel werden die meisten Wirkstoffe aus Arzneimitteln hervorragend von Aktivkohle gebunden. Auch pflanzliche Gifte sowie Pilzgifte werden wirkungsvoll aufgenommen. Dazu gehören unter anderem die Gifte von:
- Knollenblätterpilz
- Eisenhut
- Herbstzeitlose
- Fliegenpilz
- Pantherpilz
- Tabak
- Brechnuss
- Eibe
- Fingerhut
Andere Substanzen, die nicht ausreichend adsorbiert werden, sind beispielsweise Alkohole (darunter Methanol und Ethanol), Säuren und Laugen, anorganische Salze wie Speisesalz (Natriumchlorid), Metalle und Schwermetalle wie zum Beispiel Blei oder Quecksilber sowie organische Lösungsmittel (darunter Aceton).
Wichtig: Wenn Sie eine Vergiftung vermuten, dann rufen Sie umgehend den Rettungsdienst unter 112 oder die Giftnotrufzentrale in Ihrer Region an, anstatt zu versuchen, diese eigenmächtig mit Kohletabletten zu behandeln.
Wie nimmt man Kohletabletten und Aktivkohle ein?
Medizinische Kohle ist in Form von Tabletten, Kapseln oder Pulver erhältlich. Kohletabletten oder -kapseln können sowohl im Ganzen geschluckt als auch zuvor in einem Glas Wasser aufgelöst werden. Pulver kann ebenfalls einfach in Wasser gerührt oder dem Essen beigemengt werden. Ausreichendes Trinken ist das oberste Gebot, wenn Tabletten mit Kohle eingenommen werden. Denn nur mit viel Flüssigkeit kann der Kohlenstoff optimal zerfallen und seine Wirkung entfalten.
Nebenwirkungen bei der Einnahme von Aktivkohle
Die medizinische Aktivkohle wirkt auf rein physikalische Art im Körper. Das heißt, sie wird unverändert wieder ausgeschieden. Für die empfohlene Dosierung gemäß Packungsbeilage von Aktivkohle und Kohletabletten sind keine Nebenwirkungen bekannt, sie sind daher auch für eine Anwendung in der Schwangerschaft geeignet. Bei übermäßiger Einnahme kann es jedoch zu Verstopfungen oder auch Übelkeit und Erbrechen kommen.
Wird Aktivkohle sehr häufig oder dauerhaft eingenommen, kann dies Auswirkungen auf den Elektrolyt- und Wasserhaushalt haben, da sie nicht nur gelöste Stoffe, sondern auch Flüssigkeit bindet. Unvermeidbar dagegen ist eine Schwarzfärbung des Stuhls, hervorgerufen durch die Kohlenstoffpartikel. Diese Begleiterscheinung ist jedoch harmlos.
Aktivkohle bindet nicht nur schädliche Stoffe
Beachtet werden sollte, dass Aktivkohle in ihrer Wirkung nicht zwischen gesunden Nährstoffen und Gift unterscheidet. Sie bindet Schadstoffe und Toxine ebenso wie Vitamine, Mineralstoffe oder Spurenelemente. Auch die Neutralisierung von gewünschten Arzneimittelwirkungen wie beispielsweise von Blutdruckmedikamenten, Antibiotika oder oralen Verhütungsmitteln (Pille) ist als Nebenwirkung zu berücksichtigen. Die Einnahme von Kohletabletten oder Aktivkohle sollte daher in diesen Fällen mit zeitlichem Abstand zu den Medikamenten und nur nach ärztlicher Rücksprache erfolgen.
Zahnpasta: Aktivkohle für weiße Zähne?
Auch Zahnpasta ist bisweilen mit Aktivkohle versetzt. Mit ihrer Hilfe sollen Zahnbeläge und Verfärbungen durch Rückstände von Wein, Tee und Kaffee abgetragen werden – so wenigstens lauten die Versprechungen auf Verpackungen von Zahnpasta mit Aktivkohle.
Dass die Verwendung von Aktivkohle tatsächlich für weißere Zähne sorgt, ist nicht bewiesen. Zudem raten Mediziner*innen vom Zähneputzen mit Aktivkohlepulver oder -paste ab, da noch nicht geklärt ist, ob der Zahnschmelz durch das "Schrubben" abgeschmirgelt und so geschädigt wird. Darüber hinaus wird vermutet, dass die der Zahnpasta zugesetzte Aktivkohle die gewünschte Wirksamkeit von Fluorid beeinträchtigt.
Aktivkohle in Maske, Shampoo & Co.
Auch die Beauty-Industrie bewirbt Aktivkohle immer wieder als Wundermittel. Die Kohle ist beispielsweise in Produkten zur Reinigung von Haut und Haar wie Gesichtsmasken und Shampoos zu finden. Die Kosmetik-Branche macht sich hierbei ebenfalls die adsorbierende Eigenschaft der Kohlenstoffpartikel zu Nutze. Diese soll helfen, Haut und Haare von Verschmutzungen und Schadstoffen zu befreien.
Allerdings sollte man genau auf die Liste der Inhaltsstoffe der betreffenden Produkte schauen: Es muss sich unbedingt der Begriff "charcoal" (englisch: Aktivkohle) finden lassen. Andernfalls ist unter Umständen keine Aktivkohle, sondern lediglich ein schwarzer Farbstoff in dem Kosmetikprodukt enthalten.
Wie gesund ist Aktivkohle wirklich?
Gerade im Zusammenhang mit einer Kur zur Entgiftung (Detox-Kur) kommt Aktivkohle immer häufiger zum Einsatz. Dem Essen, einem Smoothie oder anderem Getränk beigemengt, soll sie das Entschlacken und Abnehmen unterstützen. Diese Art der Verwendung stützt sich auf die Annahme, Aktivkohle würde sich auch auf einen gesunden Organismus positiv auswirken. Schadstoffe, die sich im Verdauungstrakt angereichert haben, sollen dank des Kohlenstoffs schneller aus dem Körper transportiert werden.
Wissenschaftlich belegt ist dieser Effekt jedoch nicht. Die Theorie des bewussten "Entschlackens" ist zudem wissenschaftlich umstritten – unabhängig des dazu verwendeten Mittels. Grundsätzlich reinigt sich der Körper selbstständig von Giftstoffen & Co. Hinzu kommt, dass die den Säften und Smoothies beigemengte Aktivkohle einen Teil der darin enthaltenen Vitamine und Mineralstoffe bindet. So wird verhindert, dass diese eigentlich gesunden Inhaltsstoffe vom Körper aufgenommen und verarbeitet werden können.
Es wurde auch davon berichtet, dass in zahlreichen Kosmetikprodukten mit Aktivkohle sogenannte polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) nachgewiesen wurden. Diese chemischen Verbindungen entstehen bei der Herstellung der Kohle während des Verbrennungsprozesses und sind für den Menschen potenziell krebserregend.
Wann sollte man keine Aktivkohle nehmen?
Bei Magen-Darm-Infektionen mit Durchfall und Fieber sollte Aktivkohle unter anderem aufgrund fehlender Wirksamkeitsnachweise nicht eingenommen werden. Wenn Fieber auftritt, kann dies ein Zeichen für eine ernstzunehmende Erkrankung sein. Daher sollte in diesem Fall immer ärztlicher Rat eingeholt werden, um den Auslöser der Beschwerden festzustellen.
Bei Vergiftungen mit Säuren oder Laugen darf ebenfalls keine Aktivkohle eingenommen werden. Ätzende Stoffe werden nicht ausreichend gebunden und die Aktivkohle kann zu einer zusätzlichen Reizung der Schleimhäute im Verdauungstrakt führen.
Aktivkohle und Kohletabletten: wo kaufen?
Produkte mit Aktivkohle sind rezeptfrei in der Apotheke und in manchen Drogerien erhältlich. Das sind in den meisten Fällen Kohletabletten.
Auch medizinische Kohle als Pulver oder Granulat gibt es in der Apotheke zu kaufen. Stets lohnt sich allerdings ein Blick auf die Inhaltsstoffe. Dort kann sich etwa der Hinweis über Spuren von Laktose finden. Menschen mit einer Laktoseintoleranz sollten daher beim Kauf besonders aufmerksam sein.
Wofür wird Aktivkohle außerdem verwendet?
Außerhalb der medizinischen Anwendung kommt Aktivkohle auch als Filter zum Einsatz. Solche Aktivkohlefilter finden sich beispielsweise in Wasserfiltern für Trinkwasser, im Aquarium, als Innenraumfilter im Auto, in Atemschutzmasken oder auch in Zigaretten. Außerdem wird Aktivkohle als Farbstoff E 153 in Lebensmitteln verwendet, zum Beispiel in Lakritz oder fruchthaltigen Brotaufstrichen.