Heilsamer Strom – Elektrotherapie
Strom, das lernen Kinder früh, ist gefährlich. Denn bei Unfällen mit elektrischem Strom können Herzrhythmus-Störungen auftreten: Muskeln, auch das Herz, krampfen sich zusammen. Es wird weniger oder kein Blut und damit zu wenig Sauerstoff im Körper transportiert. Dieser Zustand kann nach wenigen Minuten zum Tod führen. Sehr sanft hingegen ist die Elektrotherapie: Die Muskelkontraktionen werden gezielt herbeigeführt, indem Strom durch Elektroden, die auf die Haut geklebt werden, durch den Körper geleitet werden. Auf diese Weise dient die Elektrotherapie, auch Reizstromtherapie genannt, zur Behandlung von Schmerzen, Missempfindungen sowie zur Kräftigung schwacher Muskulatur.
TENS Reizstromtherapie
Seit über 30 Jahren setzen Ärzte und Physiotherapeuten die Transkutane Elektrische Nerven Stimulation (TENS) ein. Ein schwacher Wechselstrom mit niedriger Frequenz (gemessen in Hertz/hz), die vor allem zur Behandlung von Schmerzen und zur Muskelstimulation eingesetzt wird. Die Frequenz beträgt 10 bis 100 Hz.
Die Elektroden werden dabei in der Nähe der schmerzenden Stellen platziert. Der Reiz selbst ist dabei nicht schmerzhaft – man spürt vielleicht ein Kribbeln auf der Haut. Manchmal werden die Elektroden im Bereich der Wirbelsäule angelegt, aus dem der befallene Nerv austritt. Diese Hautgebiete werden dann mit hohen Frequenzen und niedrigen Stromstärken stimuliert und lösen nicht-schmerzhafte Missempfindungen aus. So wird ein Gegenreiz geschaffen und die Schmerzen bessern sich.
Grundsätzlich dient die Reizstromtherapie der Kräftigung der Muskulatur. Für eine erfolgreiche Behandlung wird zu einer täglichen Behandlung von 30 Minuten über einen Zeitraum von mindestens sechs Wochen geraten.
Prinzip Gegenirritation
Wie in der Akupunktur heißt das Prinzip der Reizstromtherapie Gegenirritation: Der eigentliche Schmerzreiz soll mithilfe eines lokalen Berührungs- oder Vibrationsreizes verringert werden.
Sehr häufig berichten Patienten von einer Besserung bei vielen chronischen Schmerzerkrankungen. Dazu zählen Muskelrheumatismus, Neuralgien wie Ischiasschmerzen, Arthrose, und sogar Lähmungen werden durch die Reize gemindert. Auch bei Muskelschwächen und fehlendem Muskelgefühl, mangelnder Durchblutung durch Durchblutungsstörungen, Knochenleiden als Folge von Unfallschäden und arteriellen Verschlusskrankheiten ist die Elektrotherapie angezeigt.
Venenentzündungen, Dekubitusgeschwüre, verzögerte Wundheilung, Osteoporose und verzögerte Knochenheilung sind weitere Anwendungsgebiete der Elektrotherapie.
Strom und Wasser: Das Stangerbad
Strom und Wasser – eine eigentlich gefährliche Kombination. Doch auch die kann heilsam sein. Der Gerbermeister Johann Jakob Stanger aus Ulm entwickelte am Anfang des 20. Jh. ein sogenanntes hydroelektrisches Bad, das heute vor allem bei chronischem Gelenkrheumatismus, Neuralgien und Morbus Bechterew (eine entzündliche chronische Erkrankung meist der Wirbelsäule) eingesetzt wird. Der durch den Körper fließende Gleichstrom sorgt für Muskelentspannung und stimuliert die Muskel- und Nerventätigkeit.
Der Patient setzt sich dabei in eine Wanne, in die Seitenwände sind große, plattenförmige Elektroden eingelassen: je zwei links und rechts und jeweils eine Kopf- und eine Fußelektrode. Diese Anordnung ermöglicht, dass der Strom den Körper wahlweise in verschiedene Richtungen durchfließen kann – ganz sanft.
Die Schaltung richtet sich nach den Indikationen. So wird bei rheumatischen Erkrankungen eine absteigende, also eine im Körper von oben nach unten verlaufende, Stromrichtung gewählt. Diese soll die Erregbarkeit der Nerven sowie die Muskelspannung herabsetzen. Bei Lähmungen hingegen versucht man durch aufsteigende Ströme die Muskel- und Nerventätigkeit zu stimulieren. Durch die Verwendung von Gleichstrom und die sehr hohen Sicherheitsstandards ist das Stangerbad vollkommen ungefährlich.
Bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen und der Lunge ist diese Therapie jedoch nicht geeignet. Das Stangerbad gehört im Rahmen der Elektrotherapie zur Gleichstromtherapie, auch Galvanisation genannt. Galvanisation setzt man grundsätzlich zur Schmerzlinderung und Durchblutungsförderung ein.
Ultraschall
Verbesserte Durchblutung, Schmerzlinderung und ein gesteigerter Stoffwechsel sind die Wirkungen von Ultraschall. Auch diese Anwendung zählt im weitesten Sinn zur Elektrotherapie.
Ultraschall wird auch als Mikrovibrationsmassage bezeichnet: Strom, umgewandelt in hochfrequente mechanische Schwingungen von etwa 1 Mhz (Vibrationen), die der Patient nicht spürt, wird über einen Schallkopf mit einem Kontaktgel auf die erkrankte Region aufgetragen und dabei kreisend bewegt.
Diese Anwendung kann auch in einer Teilwanne oder Behälter unter Wasser eingesetzt werden, etwa an Füßen und Händen. Der Schall wird dabei kontinuierlich oder gepulst abgegeben. Beim gepulsten Schall entsteht weniger Wärmewirkung.
Kurzwellentherapie
Zur Elektrotherapie zählt schließlich auch die Behandlung mit Kurzwellen (Diathermie). Sie arbeitet mit Wellen im Hochfrequenzbereich. Diese elektromagnetische Energie erzeugt Wärme. Durch gezielt eingesetzte Erwärmung auf 40 bis 41 Grad Celsius steigt die Blutzufuhr im Gewebe und es beginnt die Heilwirkung.
Mit geeigneten Geräten, so berichtet die Ärztezeitung, könne auch tief gelegenes Gewebe erreicht werden, wenn die Leistung der Geräte hoch genug ist und die Elektroden ein bis zwei Zentimeter von der Körperstelle entfernt plaziert werden können, die erwärmt werden soll. Vor allem Rheumaerkrankungen, aber auch Erkrankungen des Bewegungsapparates, der Muskeln und der Haut sowie bei bestimmten Formen der Turmorbildung hat die Kurzwellentherapie gute Ergebnisse gezeigt. Patienten mit Muskel- und Weichteilschmerzen wie zum Beispiel Verspannungen können ebenfalls von der Kurzwellentherapie profitieren.
Die Anwendungsdauer liegt zwischen sechs und zwölf Behandlungen von zehn bis 15 Minuten mit unterschiedlichen Wärmedosierungen.
Anwendung zu Hause möglich
Während Ultraschall, Kurzwellentherapie und Stangerbad von Physiotherapeuten oder in Kurkliniken angeboten wird, kann man die TENS auch gut zu Hause anwenden. Das Gerät für die Elektrotherapie ist etwa so groß wie eine Zigarettenschachtel, wird von einer Batterie getrieben und die verwendeten Elektroden sind nur weniger Quadratzentimeter groß.
Vor der Anwendung erklärt der Arzt, wie hoch die Stromstärke sein soll, wie oft und an welcher Stelle man es einsetzt. Man klebt die Elektroden direkt über die schmerzende Stelle bzw. auf die vom Arzt angegebenen Stellen. Danach wählt man die Stromstärke so, dass nur ein leichtes angenehmes Kribbeln verspüren.
Drei bis vier Behandlungen pro Tag für jeweils eine halbe Stunde reichen in der Regel aus. Nach einigen Wochen kann die Wirkung nachlassen, dann sollten man eine Pause einlegen oder die Elektroden an anderen Stellen einsetzen. Die vom Arzt verordneten Anwendungen der Elektrotherapie gelten als Heilmittel und werden von der Krankenkasse bezahlt. Das Gerät wird gemietet, meist schickt man es nach der Behandlung an den Hersteller zurück.
Die elektrische Stimulation ist fast immer sehr gut verträglich und fast nebenwirkungsfrei. Nur bei Patienten mit Herzschrittmachern oder größeren Metallimplantaten ist Vorsicht geboten. In Einzelfällen können Hautirritationen, Epilepsien, Aversionen gegen Elektrizität und psychisch bedingte Schmerzsyndrome gegen den Einsatz der TENS sprechen.