Patient bei Verhaltenstherapie
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Verhaltenstherapie und kognitive Verhaltenstherapie

Von: Daniela Kirschbaum (Medizinautorin)
Letzte Aktualisierung: 04.11.2024

Bei der Verhaltenstherapie handelt es sich um eine verbreitete und bewährte Methode aus der Psychotherapie, die für Erwachsene und Kinder gleichermaßen geeignet ist. Eine der bekanntesten Formen ist die kognitive Verhaltenstherapie. Charakteristisch sind sowohl der Gegenwartsbezug als auch der problemlösungsorientierte Ansatz. Zudem kommt die Therapieform für eine Vielzahl von psychischen Erkrankungen infrage. Mehr Details zum Einsatz der Therapiemethode sowie zum Ablauf und zu Übungen der Verhaltenstherapie erfahren Sie in folgendem Artikel.

Was ist eine Verhaltenstherapie?

Bei der Verhaltenstherapie handelt es sich um ein psychotherapeutisches Verfahren, das sich aus der sogenannten Lerntheorie heraus entwickelt hat. Der Verhaltenstherapie liegt die Annahme zugrunde, dass Verhaltensweisen – gerade auch problematische – erlernbar sind und daher wieder verlernt und durch andere ersetzt werden können. Insofern betrachtet man psychische Störungsbilder als falsch erlerntes Verhalten, das sich im Rahmen der Therapie umlernen lässt.

Was ist eine kognitive Verhaltenstherapie?

Die kognitive Verhaltenstherapie kombiniert Elemente aus kognitiver Therapie und Verhaltenstherapie.

Bei der kognitiven Verhaltenstherapie geht es darum, negative Kognitionen und Einstellungen abzubauen, um das emotionale Befinden zu verbessern. Unter Kognitionen versteht man in der Psychologie Gedanken, Vorstellungen, Wahrnehmungen und Erwartungen sowie Problemlösungen und Lernprozesse. Diese werden während der Therapie einer Überprüfung unterzogen und gegebenenfalls angepasst beziehungsweise verändert. Dazu bedient man sich unterschiedlicher Techniken und Methoden. Die Therapie ist dabei stets problem- und lösungsorientiert.

Kognitive Verhaltenstherapie und tiefenpsychologische Therapie: Was ist der Unterschied?

Bei der kognitiven Verhaltenstherapie liegt der Fokus in der Gegenwart. So wird stets an Problemlagen im Hier und Jetzt gearbeitet – mit dem Ziel, Betroffene zu befähigen, sich langfristig selbst helfen zu können. Dabei kann man Vergangenes in Ansätzen zwar berücksichtigen, es steht aber nicht im Mittelpunkt.

Anders verhält es sich bei tiefenpsychologisch orientierten Therapieansätzen, wo es darum geht, tiefgreifende Gründe für Probleme herauszuarbeiten und zu verstehen. Dabei handelt es sich häufig um ungelöste Konflikte aus der Vergangenheit, die weiterhin (bewusst oder unbewusst) das eigene Verhalten beeinflussen. Während die tiefenpsychologische Therapie also ursachenorientiert ausgerichtet ist, arbeitet man bei verhaltenstherapeutischen Ansätzen lösungsorientiert.

Bei welchen Erkrankungen kommt die kognitive Verhaltenstherapie infrage?

Die Verhaltenstherapie – allen voran der kognitive Ansatz – kommt bei einer Vielzahl unterschiedlicher psychischer Störungen und anderer Erkrankungen zum Einsatz. Vorteil dieser Therapieform ist, dass sie rasch Wirkung zeigt und daher den Leidensdruck deutlich reduziert. Darüber hinaus werden verschiedene Übungen und Techniken vermittelt, um problematische Verhaltens- und Denkmuster langfristig verändern zu können. So können nicht nur psychische Beschwerden gelindert werden – auch der Umgang mit körperlichen chronischen Erkrankungen und deren Folgen kann verbessert und so eine Erhöhung der Lebensqualität für Betroffene erreicht werden.

Bei folgenden Erkrankungen erzielt man mit verhaltenstherapeutischen Ansätzen gute Ergebnisse:

  • Depressionen
  • Angststörungen (auch Panikstörungen und Phobien)
  • Zwangsstörungen
  • Essstörungen (zum Beispiel Magersucht)
  • Suchterkrankungen (zum Beispiel Alkoholismus oder Spielsucht)
  • psychosomatische Störungen
  • chronische Schmerzen
  • Schlafstörungen
  • psychisch bedingte sexuelle Funktionsstörungen
  • körperliche Erkrankungen wie Rheuma oder Tinnitus
  • ADHS

Wie läuft eine Verhaltenstherapie ab?

Was macht man bei einer Verhaltenstherapie nun eigentlich? Wie ist der genaue Ablauf? Zunächst gilt es, aktuelle Probleme zu benennen, an denen gearbeitet werden soll. Dazu müssen Denk- und Verhaltensmuster aufgedeckt werden, die dieses Problem begünstigen und aufrechterhalten. In einem nächsten Schritt werden Therapieziele festgelegt. Der Fokus liegt dabei stets auf einer langfristigen Veränderung von Verhaltens- und Denkweisen. Mithilfe verschiedener Methoden kann dies im Therapieverlauf erreicht werden. Dabei ist ein engmaschiges Mitwirken der betroffenen Person – auch in Form von praktischen Übungen für zu Hause – notwendig. Die Dauer einer Verhaltenstherapie ist individuell verschieden und richtet sich nach dem Krankheitsbild und dem Leidensdruck. Gemeinhin handelt es sich bei dieser Therapieform allerdings um eine Kurzzeittherapie. Bereits nach wenigen Sitzungen tritt meist eine deutliche Besserung ein und die Hilfe zur Selbsthilfe bewirkt, dass die Verhaltenstherapie häufig nicht länger als ein Jahr dauert. Anfangs sind oftmals wöchentliche Therapiestunden notwendig. Im Laufe der Zeit können die Zeiträume zwischen den Sitzungen auch verlängert werden.

Eine Verhaltenstherapie kann stationär oder ambulant erfolgen. Eine Gruppentherapie ist möglich, wobei viele Betroffene die Einzeltherapie bevorzugen. Da in relativ kurzer Zeit sehr intensiv gearbeitet wird, ist eine gute Beziehung zwischen dem*der Patient*in und dem*der Therapeut*in besonders wichtig.

Eine ärztliche Überweisung in eine psychotherapeutische Praxis ist zur Inanspruchnahme einer Verhaltenstherapie nicht notwendig. Bei Vorliegen einer psychischen Erkrankung (oder starkem Leidensdruck durch andere Erkrankungen) übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen auch so die Kosten für die Behandlung.

Was sind Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie?

Bei der kognitiven Verhaltenstherapie kommen unterschiedliche Techniken zur Anwendung. Im Sinne einer Hilfe zur Selbsthilfe ist die betroffene Person stark eingebunden und absolviert zwischen den Therapiesitzungen immer wieder Übungen. Ist der Ablauf der Methoden bekannt, können diese langfristig auch selbst im Alltag angewendet werden. Vor allem zu Beginn ist aber eine engmaschige therapeutische Unterstützung notwendig.

Im Folgenden finden Sie die gängigsten Methoden und Techniken im Rahmen der kognitiven Verhaltenstherapie:

  • Reizkonfrontation beziehungsweise Expositionsbehandlung: Bei dieser Form der Konfrontationstherapie kommt es therapeutisch begleitet zu einer Auseinandersetzung mit solchen Reizen, die unangenehme oder unerwünschte Reaktionen bei Betroffenen auslösen. Die Erfahrung, dass sich negative Gefühle nicht ins Unendliche steigern, sondern irgendwann von selbst wieder abflauen, kann langfristig verinnerlicht werden, sodass der Reiz nicht mehr vermieden werden muss.
  • Systematische Desensibilisierung: Hier geht es darum, negative Emotionen, wie Ängste oder Suchthandlungen, schrittweise abzubauen, indem auslösende Gedanken oder Situationen mit Entspannung (zum Beispiel progressive Muskelentspannung nach Jacobson) gekoppelt werden. Dabei nähert man sich dem eigentlichen Auslöser immer weiter an, bis es zur direkten Konfrontation kommt.
  • Kognitive Umstrukturierung: Bei dieser Vorgehensweise werden negative Gedanken und Verhaltensmuster ermittelt und einer Realitätsprüfung unterzogen. Das heißt, es wird geprüft, inwieweit es wahrscheinlich ist, dass die befürchteten Szenarien wirklich eintreten. Anschließend werden die negativen Gedanken positiv ausgerichtet.
  • Entspannungstechniken: In der kognitiven Verhaltenstherapie wendet man ganz unterschiedliche Entspannungsverfahren an. Die bekanntesten Techniken sind progressive Muskelentspannung nach Jacobson, autogenes Training, Atemtechniken oder Meditation.

Verhaltenstherapie: Beispiele für konkrete Übungen

Techniken und entsprechende Übungen im Rahmen der Verhaltenstherapie sind vielseitig. Anhand zweier Beispiele möchten wir Ihnen folgend gerne erläutern, wie diese in der Praxis konkret aussehen können.

Kognitive Umstrukturierung am Beispiel Herrn Bs.

Bereits in der Kindheit hat Herr B. starke Versagensängste entwickelt, die ihn häufig handlungsunfähig machen. Erfährt er im Berufsleben oder privaten Bereich konstruktive Kritik, blockiert ihn das. Im Rahmen der Verhaltenstherapie lernt er, seinen negativen Gedankenmustern ("Ich bin wirklich schlecht. Das ist klar, dass das andere auch so sehen!") durch kognitive Umstrukturierung eine positive Wendung zu geben und diese mit der Zeit zu verinnerlichen ("Andere Menschen machen sich Gedanken um mich und das kann ich nutzen, um mich zu verbessern.").

Reizkonfrontation am Beispiel Frau Js.

Frau J. hat mit starken sozialen Ängsten zu kämpfen. Zu Beginn der Therapie ist ein Restaurantbesuch für sie undenkbar. In der Therapie wird mit der Technik der Reizkonfrontation gearbeitet. So wird der Restaurantbesuch mehrmals in Gedanken durchgespielt, wobei parallel dazu Atemtechniken zur Beruhigung angewendet werden. Als Frau J. bemerkt, dass die aufkeimenden Ängste beim Gedanken an den Restaurantbesuch weniger werden, wird dieser in die Tat umgesetzt. Gemeinsam mit ihrer Therapeutin besucht sie ein nahegelegenes Restaurant. Die Erfahrung, dass dabei nichts Schlimmes passiert, verhilft zu einem neuen Umgang mit der Angst.

Welche Schwierigkeiten können sich im Rahmen einer Verhaltenstherapie ergeben?

Bei einer Verhaltenstherapie setzt man sich intensiv mit problematischen Denk- und Verhaltensmustern auseinander, was vor allem zu Beginn überfordernd wirken kann. Aufkeimende Ängste oder Sorgen sollten daher offen im Rahmen der Therapie besprochen werden, denn dort finden diese Gefühle Platz.

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