Tilidin – Schmerzmittel mit Nebenwirkungen
Tilidin ist ein künstlich hergestellter Wirkstoff, der in starken Schmerzmitteln zum Einsatz kommt. Traurige Berühmtheit erlangte die Substanz durch ihre Beliebtheit als Modedroge. Dabei ist mit den Nebenwirkungen von Tilidin nicht zu spaßen, denn die Substanz kann bei dauerhafter Anwendung abhängig machen und starke Entzugserscheinungen nach sich ziehen. Welche Wirkung hat Tilidin, was ist bei der Dosierung der Tabletten oder Tropfen zu beachten und welche Nebenwirkungen sind möglich?
Was ist Tilidin?
Tilidin ist ein synthetisch hergestellter und schmerzlindernder Wirkstoff aus der Gruppe der Opioide. Im Vergleich zu Morphin oder Oxycodon ist der schmerzstillende Effekt jedoch weitaus geringer. Zusammen mit Codein oder Tramadol wird Tilidin daher zu den schwach wirksamen Opioiden gezählt.
Wirkung von Tilidin
Tilidin ist eine sogenannte Prodrug, die selbst kaum eine schmerzstillende Wirkung hat. Sie wird jedoch in der Leber in die Stoffwechselprodukte Nortilidin und Bisnortilidin umgewandelt, die für die eigentliche Wirkung verantwortlich sind. Diese Stoffe entfalten ihre Effekte im zentralen Nervensystem, wo sie das körpereigene schmerzhemmende System aktivieren und die Wahrnehmung und Weiterleitung von Schmerzen unterdrücken.
Aufgrund seiner Wirkungsweise zählt Tilidin zu den Opioiden, also zu den opiatartigen Stoffen, und hat somit auch eine euphorisierende, enthemmende Wirkung. Im Gegensatz zu vielen anderen Schmerzmitteln wirkt es nicht entzündungshemmend oder fiebersenkend.
Tilidin und Naloxon: Kombi soll Missbrauch verhindern
Um Missbrauch vorzubeugen, sind Tilidin-Medikamente im Mischverhältnis 50:4 mit dem Arzneistoff Naloxon kombiniert. Dieser ist so dosiert, dass er bei hoher, intravenöser Gabe die Wirkung von Tilidin blockiert. Bei der ärztlich verordneten niedrigen Dosierung, die oral eingenommen wird, hat Naloxon hingegen keine hemmende Wirkung auf das Tilidin.
Zudem erzeugt das Naloxon bei einer Opioidabhängigkeit Entzugssymptome. Durch diese Kombination sollen die Medikamente für Drogenabhängige, die meist eine stärkere Dosierung benötigen, um einen Effekt zu spüren, unattraktiv werden.
Monopräparate, die kein Naloxon enthalten, werden in Deutschland nicht eingesetzt. Je nach Wirkweise unterliegen manche Tilidin-Präparate dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG).
Anwendungsgebiete von Tilidin
Tilidin wird in der Regel bei mittelstarken bis sehr starken Schmerzen eingesetzt, beispielsweise:
- nach Operationen (auch Zahn-OPs)
- bei Verletzungen oder Verbrennungen
- bei Schmerzen in der Brust durch Angina pectoris oder einen Herzinfarkt
- bei krampfartigen Bauchschmerzen, etwa im Rahmen einer Gallenkolik, oder schmerzhaften Entzündungen
- bei einer Neuralgie (Nervenschmerzen)
- bei akuten oder chronischen Schmerzen durch Erkrankungen wie Rheuma, einen Bandscheibenvorfall oder Krebs
- zur Behandlung des Restless-Legs-Syndroms
Allerdings sollte die Anwendung nur erfolgen, wenn nicht-opioide Analgetika (Schmerzmittel), zum Beispiel Novaminsulfon, Diclofenac oder Ibuprofen, zuvor nicht ausreichend wirksam waren.
Nebenwirkungen von Tilidin
Sowohl Schmerzpatient*innen als auch Menschen, die Tilidin als Droge verwenden, haben oft mit den starken Nebenwirkungen des Medikaments zu kämpfen – diese können sowohl den Körper als auch die Psyche betreffen. Zu den sehr häufigen bis gelegentlich auftretenden Nebenwirkungen von Tilidin zählen:
- Übelkeit und Erbrechen, vor allem zu Beginn der Behandlung
- Störungen des Wahrnehmungs- und Urteilsvermögens, Schwindel und Benommenheit
- Müdigkeit oder Schläfrigkeit
- Kopfschmerzen
- Nervosität
- Durchfall und Bauchschmerzen
- vermehrtes Schwitzen
- Juckreiz
- Fahruntüchtigkeit
Darüber hinaus können folgende Beschwerden auftreten:
- Halluzinationen und Verwirrtheit
- euphorische Stimmung
- Zittern, Muskelzuckungen und verstärkte Reflexe
- Verstopfung
- abgeflachte Atmung (Atemdepression)
- orthostatische Dysregulation (Schwierigkeiten bei der Anpassung des Blutdrucks bei Positionswechseln des Körpers)
- Beeinträchtigung der Sexualität (zum Beispiel Libidoverlust oder Erektionsstörungen) bei chronischer Einnahme
Bei körperlicher Belastung können sich die Beschwerden verstärken. Körperliche Anstrengung sollte daher bei der Einnahme von Tilidin möglichst vermieden werden. Ob Autofahren mit Tilidin möglich ist, sollte individuell besprochen werden – ein generelles Fahrverbot besteht bei der Einnahme nicht.
Unspezifische Symptome wie Appetitlosigkeit, Übelkeit, Müdigkeit, Schwindel, Schwäche und niedriger Blutdruck können auch auf eine Nebennierenrindeninsuffizienz hindeuten und sollten daher immer ärztlich abgeklärt werden. Auch bei Verdacht auf eine Überdosis ist umgehend ärztliche Hilfe zu suchen. Dabei kann es unter anderem zu Schwindelgefühlen, Ataxie (Problemen bei der Bewegungskoordination) oder einer Verminderung der Atmung kommen.
Nebenwirkungen bei einer Tilidin-Abhängigkeit
Darüber hinaus macht Tilidin auf Dauer abhängig und zieht starke Entzugserscheinungen nach sich. Bei der missbräuchlichen Anwendung von Tilidin zeigen sich ein vermindertes Schmerzempfinden, aber auch Persönlichkeitsveränderungen wie Angstfreiheit, Enthemmung, Selbstüberschätzung, Größenwahnsinn, Kaltblütigkeit und in Einzelfällen auch ein erhöhtes Aggressionspotenzial.
Es können Schlafstörungen, Depressionen, Krampfanfälle oder Wahnideen auftreten. Hinzu kommen mögliche Langzeitschäden durch eine solche Sucht, etwa in Bezug auf die Gesundheit und das Sozialleben.
Dosierung von Tilidin
Tilidin ist sowohl in Form von Tropfen als auch von Kapseln, Tabletten oder Retardtabletten erhältlich. In Arzneimitteln wird es in Form von Tilidinhydrochlorid verwendet. Bei der Dosierung sollte die ärztliche Empfehlung streng beachtet werden. Diese bezieht unter anderem Alter, Gewicht und Schmerzzustand ein. Die Dosis sollte immer so gering wie möglich gewählt werden. Oft wird auch ein Zeitschema mit genauen Einnahmezeitpunkten festgelegt.
In der Regel nehmen Erwachsene und Jugendliche je nach Arzneiform maximal vier- bis sechsmal täglich zwischen 50 und 100 Milligramm Tilidinhydrochlorid ein. Die Tageshöchstdosis beträgt 600 Milligramm. Kinder zwischen drei und 14 Jahren sollten maximal viermal pro Tag 2,5 Milligramm pro Lebensjahr schlucken.
Die auf der Packung zu findende Angabe 50/4 mg bezieht sich auf das Mischverhältnis von Tilidin zu Naloxon. Im gleichen Verhältnis können die Tabletten beispielsweise auch 100/8 mg oder 150/12 mg enthalten.
Wie schnell und wie lange wirkt Tilidin?
Bei den Tropfen macht sich bereits nach etwa 10 bis 15 Minuten die schmerzstillende Wirkung des Medikaments bemerkbar. Der Wirkungshöhepunkt wird nach etwa 25 bis 50 Minuten erreicht.
Insgesamt dauert die Wirkung des Arzneimittels etwa vier bis sechs Stunden an. Retardtabletten sind hingegen so konzipiert, dass sie eine gleichmäßige Wirkung entfalten und dabei eine längere Wirkungsdauer aufweisen.
Bei Leberfunktionsstörungen kann die Wirkung reduziert sein oder es kann sogar vorkommen, dass Tilidin gar nicht wirkt.
Wechselwirkungen mit anderen Stoffen
Wird Tilidin mit Alkohol oder Beruhigungsmitteln (zum Beispiel Benzodiazepinen) kombiniert, verstärkt sich die dämpfende Wirkung der Stoffe gegenseitig. Dies kann ein so starkes Abflachen der Atmung bewirken (Atemdepression), dass ein Koma oder eine tödliche Atemlähmung eintreten können.
Auch bei der gleichzeitigen Anwendung von anderen Opioiden kann es zu kaum vorhersehbaren Wechselwirkungen kommen. In Verbindung mit serotonergen Arzneimitteln wie Fluoxetin, Citalopram oder MAO-Hemmern gegen Depressionen kann ein Serotonin-Syndrom die Folge sein. Dabei kommt es zu einer potenziell lebensgefährlichen Überaktivierung der Serotonin-Rezeptoren.
Kontraindikationen: Wann sollte man Tilidin nicht verwenden?
Neben Überempfindlichkeit gegen die enthaltenen Stoffe sollte Tilidin auch nicht bei einer Opioidabhängigkeit, in der Stillzeit, bei der gleichzeitigen Einnahme von MAO-Hemmern sowie bei einer Reihe verschiedener körperlicher Einschränkungen eingesetzt werden. Dazu zählen unter anderem schwere Lungenfunktionsstörungen, Störungen der Magen-Darm-Passage oder eine Porphyrie (eine Gruppe von Stoffwechselerkrankungen). In der Schwangerschaft ist besondere Vorsicht geboten, es sollte eine strenge Nutzen-Risiken-Abwägung erfolgen.
Tilidin – Abhängigkeit und Entzug
Bei der länger andauernden Einnahme von Tilidin, etwa bei chronischen Schmerzen oder Rheuma, kann der Wirkstoff abhängig machen. Dies ist auch der Fall, wenn das Medikament mit Naloxon kombiniert ist, denn Naloxon entfaltet seine Wirkung erst bei hoher Dosis.
Wer Tilidin in den ärztlich vorgeschriebenen, niedrigen Dosen einnimmt, bemerkt daher nichts von dem Antagonisten ("Gegenspieler") und kann so auch schnell süchtig nach dem Wirkstoff werden. Daher ist nach dem Absetzen von Tilidin oft ein Entzug nötig. Dieser sollte in jedem Fall unter ärztlicher Aufsicht, gegebenenfalls in einer Klinik, durchgeführt werden.
Zudem sollte Tilidin allmählich und nicht abrupt abgesetzt werden. Mögliche Symptome nach dem plötzlichen Absetzen des Mittels sind beispielsweise Unruhe, Schweißausbrüche und Muskelschmerzen. Entzugserscheinungen bei einer Opiatabhängigkeit umfassen außerdem Zittern, Agitiertheit (innere Unruhe mit starkem Bewegungsdrang) oder Ängstlichkeit.