Datenschutzbeauftragter sieht bei E-Akte für Patienten Verstoß gegen Grundrechte
Die Pläne der Ampel-Koalition für die elektronische Patientenakte verstoßen nach Ansicht des Bundesdatenschutzbeauftragten gegen Grundrechte und EU-Datenschutzgesetze. "Es liegt auf der Hand, dass das automatische Befüllen mit besonders schutzwürdigen Daten das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gefährdet", sagte Ulrich Kelber den Zeitungen des Redaktionsnetzwerk Deutschlands (RND) vom Mittwoch. Ohne Änderungen würde das Vorhaben deshalb vor Gericht landen.
Ein automatisches Befüllen der Patientenakte darf es nach Ansicht Kelbers nur mit unkritischen Daten geben. Für alles andere sei eine Einwilligung der Versicherten nötig. "Dann dürfte die Lösung auch vor Gericht sehr gute Chancen haben, bestehen zu bleiben", vermutete Kelber im Gespräch mit dem RND. Als unkritische Informationen wertete er zum Beispiel Behandlungen beim Zahnarzt oder Orthopäden und die Notfalldaten.
Daten, die die intimste Privatsphäre der Versicherten beträfen und Anlass für Diskriminierung und Stigmatisierung sein könnten, dürften nicht automatisch aufgenommen werden. Kelber nannte dabei Informationen zu HIV-Infektionen, psychischen Erkrankungen oder Schwangerschaftsabbrüchen.
Der Datenschutzbeauftragte kritisierte zudem den Plan der Koalition, wonach Krankenkassen künftig Zugriff auf die Abrechnungsdaten bekommen sollen, um die Versicherten auf Krebsrisiken oder fehlende Impfungen aufmerksam zu machen. "Auf diese Art entsteht der 'gläserne Versicherte', was ein erhebliches Diskriminierungspotenzial hat", warnte Kelber in den RND-Zeitungen. Das wirtschaftliche Interesse der Kassen sei dafür zu hoch. Er schlug vor, eine Stelle mit der Auswertung dieser Daten zu beauftragen, die keine eigenen wirtschaftlichen Interessen habe, etwa den medizinischen Dienst.
Die elektronische Patientenakte (ePA) soll dem Gesetzentwurf zufolge bis Anfang 2025 für alle Patientinnen und Patienten zur Verfügung stehen. Bislang gibt es dafür freiwillige Angebote, die aber nur wenig genutzt werden. Künftig soll nach den Ampel-Plänen eine Widerspruchsregelung gelten - wer die ePA nicht nutzen will, muss dies aktiv mitteilen.
Der SPD-Gesundheitspolitiker Matthias Mieves wies die Kritik Kelbers zurück. Mit der Neuregelung werde "im Gegenteil die informationelle Selbstbestimmung verbessert", sagte er der Nachrichtenagentur AFP. "Bereits jetzt werden Patientendaten an vielen Orten gespeichert - während die Patientinnen keine Transparenz und Kontrolle darüber haben", gab Mieves zu bedenken. Genau dies wolle die Koalition nun ändern.
"Bei der ePA wissen die Versicherten, was dort über sie gespeichert wird und können selbst entscheiden, wer Zugriff darauf erhält", hob Mieves hervor. Bei besonders sensiblen Daten werde noch einmal vorher nachgefragt. "Wir brauchen Gesundheitsschutz und Datenschutz. Genau das regeln wir", sagte der SPD-Politiker.
Auch der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) stellte sich hinter die elektronische Patientenakte, die an diesem Mittwoch auch Gegenstand einer Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestages ist. "Mit dem Digital-Gesetz und dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) macht Deutschland in Gesundheit und Pflege endlich große Schritte in Richtung Digitalzeitalter", hieß es in einer Stellungnahme des GKV-Spitzenverbands.
Dabei sei die Umstellung auf eine freiwillige, widerspruchsbasierte elektronische Patientenakte (ePA) für alle Versicherten "besonders positiv hervorzuheben", hieß es weiter. Der GKV-Spitzenverband sehe in der geplanten Widerspruchslösung "eine große Chance und kein Risiko", betonte dessen Sprecher Florian Lanz.