Lauterbach: Homöopathie als Kassenleistung "können wir uns nicht leisten"
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will, dass die Krankenkassen nicht länger homöopathische Behandlungen bezahlen. Die Homöopathie sei "eine Leistung, die keinen medizinischen Nutzen auf der Grundlage des wissenschaftlichen Sachstands erbringt", sagte er am Donnerstag in Berlin. Der Minister erhofft sich von der Streichung Einsparungen im Millionenbereich. Die Ärzteschaft sowie SPD und FDP begrüßten den Schritt, die Union kritisierte ihn als "Nebelkerze".
Die Krankenkassen bieten über ihre gesetzlichen Regelleistungen hinaus sogenannte Satzungsleistungen an, mit denen sie um Kundinnen und Kunden werben. Dazu zählen bei vielen Kassen auch homöopathische Arzneimittel, obwohl es keine wissenschaftlichen Belege für deren Wirksamkeit jenseits des Placebo-Effekts gibt.
Eine Leistung ohne medizinischen Nutzen "sollte auch nicht bezahlt werden", sagte Lauterbach. "Das können wir uns nicht leisten." Es gehe aber nicht ums Geld, sondern ums Prinzip, betonte er. "Die Grundlage dessen, was wir vergüten und empfehlen, muss der wissenschaftliche Sachstand sein."
Alles andere müsse der Bürger selbst bezahlen oder sich dafür zusatzversichern. Bislang sei im Bereich der Homöopathie die Wissenschaft ignoriert worden.
Der Schritt ist einer von mehreren Vorschlägen des Gesundheitsministers, die das Milliardendefizit der gesetzlichen Krankenversicherung reduzieren sollen. Durch die Streichung der Homöopathie als Kassenleistung könnten nach Schätzungen Lauterbachs 20 bis 50 Millionen Euro eingespart werden. Er kündigte ein entsprechendes Gesetz dazu "in Kürze" an.
Die Ärzteschaft begrüßte den Vorstoß des Ministers. "Es ist richtig, Homöopathie als Kassenleistung abzuschaffen", sagte der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, der "Rheinischen Post". Manche Krankenkasse habe "gerne homöopathische Verfahren und Mittel, für die es keine ausreichenden Studienlagen gibt, im Sinne des Versichertenmarketings angeboten".
Es stehe aber natürlich jedem frei, sich mit homöopathischen Mitteln oder Verfahren behandeln zu lassen - "aber dann bitte auf eigene Kosten und nicht zu Lasten der Versichertengemeinschaft".
Zustimmung kam auch aus SPD und FDP. Die FDP-Gesundheitspolitikerin Christine Aschenberg-Dugnus begrüßte die Streichung "ausdrücklich". "Teure Pseudomedizin können wir uns angesichts der prekären Kassenlage nicht mehr leisten."
"Als Gesundheitspolitiker aber vor allem als Mediziner" unterstütze er den Vorschlag Lauterbachs, erklärte der SPD-Parlamentarier Christos Pantazis. "Unwissenschaftliche Produkte, die nicht über den Placeboeffekt hinauswirken, dürfen keine Kassenleistung sein."
Kritik kam hingegen von den Grünen. Es sei "richtig, in Zeiten großer finanzieller Belastungen steigenden Krankenkassenbeiträgen nun den Kampf anzusagen", sagte deren Gesundheitsexperte Janosch Dahmen der "Rheinischen Post". "Das Augenmerk dabei lediglich auf ein paar homöopathische Einsparungen zu richten, anstelle überfällige, strukturelle Finanzierungsreformen anzugehen, wäre ein Fehler."
Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) nannte den Vorschlag Lauterbachs im "Handelsblatt" "einseitig". Er ergänzte: "Viele Menschen vertrauen der Homöopathie, weil sie offensichtlich gute Erfahrungen damit machen."
Kritisch äußerte sich auch der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Tino Sorge (CDU). "Anstelle von grundsätzlichen Überlegungen zur Sanierung der Kassenfinanzen verliert sich der Minister nun im Klein-Klein", sagte er der "Rheinischen Post".
Die geplant Streichung homöopathischer Leistungen bezeichnete Sorge als "Nebelkerze, die von der offensichtlichen bisherigen Untätigkeit in dieser Legislaturperiode ablenken soll". Nötig seien "echte Reformen".
Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) betonte den geringen finanziellen Effekt. Für homöopathische Arzneimittel hätten alle gesetzlichen Krankenkassen zusammen 2021 rund sieben Millionen Euro ausgegeben, für anthroposophische Arzneimittel knapp 15 Millionen, erklärte GKV-Sprecher Florian Lanz.
"Was die Finanzwirkung angeht, handelt es sich mehr um eine symbolische Geste als um eine Maßnahme mit einem tatsächlichen Effekt." Es sei eine politische Entscheidung gewesen, Sondervorschriften mit geringeren Anforderungen an den Nachweis der Wirksamkeit bei der Homöopathie einzuführen. Lanz betonte: "Es wäre jetzt erneut eine politische Entscheidung, diese wieder zu streichen."