AFP-News-Bild

Lauterbach will mit Produktionserhöhung Engpässe bei Kinderarzneien verhindern

Quelle: Agence-France-Presse
Letzte Aktualisierung: 14.09.2023 - 16:18 Uhr

Mit einer erhöhten Produktion und mehr Befugnissen für Apotheken will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) Engpässe bei Kinderarzneien vermeiden. "Wir werden in diesem Herbst und Winter alles tun, um sicherzustellen, dass Kinder die benötigten Arzneimittel bekommen", sagte er am Donnerstag nach einem Spitzengespräch zu dem Thema in Berlin. Die betroffenen Verbände begrüßten die Initiative, forderten aber weitergehende Maßnahmen. Die Opposition äußerte teils scharfe Kritik.

Zu dem Termin hatte Lauterbach Vertreterinnen und Vertreter der Ärzte- und Apothekerschaft sowie von Pharmaunternehmen geladen. Zwar könnten weitere Engpässe nicht komplett ausgeschlossen werden, sagte er anschließend - aber "wir sind deutlich besser aufgestellt als im letzten Jahr". Dies liege an der Bereitschaft der Pharmaindustrie, mehr zu produzieren.

Die Herstellung von Schmerzmitteln, Antibiotika und Fiebersäften habe im Vergleich zum letzten Winter um teilweise bis zu hundert Prozent gesteigert werden können. Dies sei nur gelungen, weil die Unternehmen bereit seien, 24 Stunden und sieben Tage die Woche zu arbeiten - im Drei-Schicht-Betrieb. 

"Wir sind an der technischen Obergrenzen dessen, was leistbar ist", sagte Lauterbach. Er appellierte zugleich an die Eltern: "Bitte keine Hamsterkäufe". Dies sei "das Gebot der Stunde". Ein kleiner Hausvorrat an Arzneimitteln sei sinnvoll, das Horten hingegen nicht.

Der SPD-Politiker kündigte als weiteren Schritt zur Entspannung der Versorgungslage mehr Befugnisse für die Apotheken an. "Wir geben sehr viel Verantwortung in die Hände der Apothekerinnen und Apotheker", sagte er. Diese könnten nun selbstständig die Darreichungsformen der Medikamente verändern und Produkte selbst herstellen - ohne Befragung der Ärzte und ohne neues Rezept. 

Lauterbach gab zudem die Gründung einer "High-Level-Gruppe" in seinem Ministerium bekannt. Das mit Vertreterinnen und Vertretern der Ärzte- und Apothekerschaft sowie von Pharmaunternehmen besetzte Gremium solle sich wöchentlich austauschen einen Lagebericht erstellen.

Es gebe noch immer nur sehr wenige Hersteller, die die Produktion der Kinderarzneien stemmen müssten, mahnte der Vorstandsvorsitzende des Arzneimittelverbands Pro Generika, Andreas Burkhardt, nach dem Treffen. "Am Grundproblem ändern sie nichts." Er forderte deshalb die Politik auf, die Strukturen zu ändern.

Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, Jörg Dötsch, sprach von einer "günstigeren Ausgangssituation" im Vergleich zum letzten Jahr. Es seien jedoch weitere Maßnahmen notwendig, um die dauerhafte Versorgung Medikamenten sicherzustellen. 

Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände begrüßte die Ausweitung der Befugnisse von Apothekerinnen und Apothekern: "Um flexibel auf Lieferengpässe zu reagieren, brauchen unsere Apothekenteams maximale Entscheidungsfreiräume", erklärte Verbandspräsidentin Gabriele Regina Overwiening. 

Scharfe Kritik an Lauterbach äußerte der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Tino Sorge (CDU). Dieser steuere "mit einem Schlingerkurs auf einen Herbst zu, der abermals von Lieferproblemen geprägt sein wird", sagte Sorge der "Rheinischen Post". Statt sich auf fragile Lieferketten aus Indien und Asien zu verlassen, würden mehr Produktionsstätten in der EU und in Deutschland gebraucht. 

Die Linke nannte das Treffen das "Ergebnis eines Lauterbach'schen Panikschubs". Die gesundheitspolitische Sprecherin der Linken-Fraktion, Kathrin Vogler, erklärte: "Statt jeden Herbst in einen neuen Notfallmodus zu geraten, brauchen wir endlich eine nachhaltige und sichere Arzneimittelversorgung." Dazu gehöre eine Rückverlagerung der Produktion.

Der Bundestag hatte erst im Juni ein Gesetz gegen Lieferengpässe bei Medikamenten beschlossen. Es werde dauern, bis das Gesetz seine volle Wirkung entfaltet, teilte der gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Andrew Ulman nun mit. Dieses sei "ein später, aber richtiger Schritt". Dringend gebraucht würden aber wirksame finanzielle Anreize für die Pharmabranche.

Durch die gesetzlichen Regelungen seien "die richtigen Weichen gestellt" worden, sagte hingegen die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dagmar Schmidt der Nachrichtenagentur AFP. Die Medikamentenversorgung könne aber "nur durch gute Zusammenarbeit, einen konstruktiven Austausch und eine bessere Kooperation aller Akteure im Gesundheitswesen" sichergestellt werden.