Frau praktiziert autogenes Training
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Autogenes Training: Anleitung und Übungen zur Entspannung

Von: Nathalie Blanck (Ärztin und Medizinautorin), Dr. rer. nat. Isabel Siegel (Diplom-Biologin und Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 25.03.2025

Neben progressiver Muskelentspannung und Meditation ist das autogene Training eine Entspannungstechnik, die mit ein wenig Übung zu mehr Gelassenheit im Alltag führt und beim Einschlafen helfen kann. Doch was verbirgt sich genau dahinter? Welche Übungen sind auch für Anfänger*innen oder mit Kindern geeignet? Eine Anleitung und mehr Informationen über das autogene Training erhalten Sie im folgenden Artikel.

Autogenes Training: Was ist das?

Autogenes Training ist eine Methode zur Entspannung, die mit wenigen Übungen Körper und Geist zur Ruhe bringt. Mit einem einfachen Gedankentraining kann man sich selbst in einen tiefen Entspannungszustand versetzen – ideal, um Stress abzubauen oder leichter einzuschlafen. Mit etwas Training gelingt es, mehr Gelassenheit und innere Balance zu finden.

Der Berliner Psychiater Johannes Heinrich Schultz hat das autogene Training aus der Hypnose weiterentwickelt und 1932 erstmals in einem Buch veröffentlicht. Im Vergleich zur Methode der progressiven Muskelentspannung ist autogenes Training weniger gut wissenschaftlich untersucht und etwas schwerer zu erlernen.

Was macht man beim autogenen Training?

Autogenes Training setzt bestimmte, festgelegte Redewendungen (Formeln) ein, die dabei helfen, den Körper in eine tiefe Entspannung zu führen und gewisse Körperfunktionen zu beeinflussen. Dafür reichen die bloße Vorstellungskraft und Konzentration aus. Diesen Prozess der gezielten Selbstbeeinflussung nennt man Autosuggestion, was man auch als Selbsthypnose bezeichnen könnte. Die Formeln, also die kurzen, gezielten Gedankenimpulse, werden auch Minddrops ("Gedankentropfen") genannt.

Voraussetzung für die Durchführung des autogenen Trainings ist eine bequeme Körperhaltung, in der die Muskeln völlig entspannen können, entweder im Sitzen oder auf dem Rücken liegend. Die aus kurzen Formeln bestehenden Übungen werden mehrmals konzentriert im Geiste vorgesagt.

Autogenes Training: Wirkung und gesundheitliche Vorteile

Autogenes Training kann durch Autosuggestion in stressigen Alltagssituationen zu rascher Entspannung führen. Atmung und Herzschlag verlangsamen sich, es kommt zu innerer Ruhe und Gelassenheit. Das kann sich in verschiedenen Lebenslagen positiv auf die Gesundheit auswirken. Unter anderem folgende Beschwerden sollen mithilfe des autogenen Trainings gelindert werden können:

Darüber hinaus wird diskutiert, ob autogenes Training auch beim Abnehmen helfen kann, indem es durch Stressreduktion und Selbstkontrolle das Essverhalten positiv beeinflusst.

Vor der Anwendung des autogenen Trainings zu gesundheitlichen Zwecken sollte von ärztlicher Seite geprüft werden, ob keine schwerwiegenden psychischen oder körperlichen Ursachen für die Beschwerden vorliegen. Denn unter anderem bei schweren Erkrankungen der Psyche, akuten Depressionen oder Epilepsie wird von autogenem Training abgeraten.

Autogenes Training unter Anleitung lernen

Autogenes Training kann am besten unter fachkundiger Anleitung in einem Gesundheitskurs erlernt werden. Dabei benötigt es etwas Zeit und Übung, bis ein Entspannungszustand zuverlässig eintritt. Die Kosten für Kurse dieser Art werden von vielen gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Hat man einen Grundkurs absolviert und die Technik erlernt, kann man das Entspannungstraining auch alleine durchführen.

Übungen beim autogenen Training

Für eine Übungseinheit sollten ungefähr 30 bis 40 Minuten in einem ruhigen, gut gelüfteten Raum eingeplant werden. Die Übungen können entweder auf dem Rücken, in einer bequemen Liegeposition, oder im Sitzen durchgeführt werden.

Beim autogenen Training gibt es Grundübungen, die aus einer festen Abfolge von einfachen Formeln bestehen. Hierzu werden oft sieben Übungen gezählt, die nacheinander durchgeführt werden können und für Anfänger*innen besonders leicht zu lernen sind. Die Übungen zusammen genommen können auch als Körperreise angesehen werden, da man sich gedanklich auf eine Reise durch den Körper begibt.

Zum autogenen Training gehören die folgenden Grundübungen:

  1. Eine einleitende Funktion hat die Ruheübung. Sie dient zur Beruhigung und soll die Konzentration stärken. Atmen Sie dafür einige Male tief in den Bauch ein, schließen Sie die Augen und sprechen Sie innerlich: "Ich bin ruhig. Ich bin ganz ruhig."
  2. Die Schwereübung soll ein Schweregefühl in den gewünschten Körperteilen auslösen und so für Entspannung und allgemeine Beruhigung sorgen. Die Formel für die Schwereübung spricht nacheinander die Arme und die Beine an. Zuerst liegt der Fokus auf dem rechten Arm, dann auf dem linken, anschließend auf dem rechten und auf dem linken Bein. Diese Reihenfolge gilt auch für die folgende Wärmeübung. Sagen Sie sich gedanklich: "Mein rechter Arm ist schwer." Dann gehen Sie zum linken Arm über und so weiter.
  3. Die Wärmeübung fördert die Durchblutung der Gliedmaßen. Die Reihenfolge, in der Arme und Beine angesprochen werden ist die gleiche, wie für die Schwereübung. Beginnen Sie mit dem rechten Arm: "Mein rechter Arm ist warm." Dann fokussieren Sie den linken Arm, dann nacheinander die Beine.
  4. Die Atemübung steigert die Entspannung durch eine gezielte Atemtechnik und wirkt ausgleichend auf die Atemfrequenz. Sagen Sie sich: "Mein Atem fließt ruhig und gleichmäßig." Hierbei sollten Sie jedoch nicht gezielt länger ein- und ausatmen. Lassen Sie Ihren Atem so fließen, wie es der Rhythmus Ihres Körpers vorgibt, und er wird sich ganz von allein beruhigen.
  5. Die Herzübung besteht aus der Konzentration auf den Herzschlag. Stellen Sie sich den Wortlaut vor: "Mein Herz schlägt ruhig und regelmäßig."
  6. Die Sonnengeflechtsübung konzentriert sich auf das Zentrum des Bauches und soll die Verdauungsorgane entspannen. Sagen Sie sich: "Mein Sonnengeflecht ist strömend warm." Das Sonnengeflecht (Solarplexus) liegt im Oberbauch, etwa auf Höhe des Magens, hinter dem Brustbein und vor der Wirbelsäule, und bildet ein wichtiges Nervenzentrum des vegetativen Nervensystems.
  7. Die Kopfübung oder Stirnkühleübung hilft beim Wachbleiben und zur Konzentrationsverbesserung. Sagen Sie sich: "Der Kopf ist klar, die Stirn ist kühl und glatt."

Wenn das autogene Training beendet werden soll, gibt es dazu eine Rücknahmeformel. Diese lautet: "Arme fest! Tief Luftholen! Augen auf!" Ein kräftiges Strecken und Räkeln schließt die Übungsphase ab. Die Aufwachphase ist besonders wichtig, um nicht weiterhin im tranceähnlichen Zustand zu verweilen. Wird das autogene Training zum Einschlafen praktiziert, entfällt die Rücknahmeformel.

Tipps und Hinweise für das autogene Training

Möchten Sie autogenes Training selbst ausprobieren, sollten Sie folgende Tipps beachten:

  • Das Erlernen der einzelnen Übungen dauert normalerweise einige Wochen. Hierbei ist es ratsam, sich einer Gruppe in einem Kurs anzuschließen und gemeinsam zu üben.
  • Voraussetzung für das Durchführen aller Übungen ist eine gleichmäßige und ruhige Atmung.
  • Die ersten Male sollte jede Übung nur ein bis zwei Minuten durchgeführt werden, um ungewollte Verkrampfungen der Muskulatur zu vermeiden.
  • Gerade am Anfang sollten Sie die Übungen regelmäßig durchführen, am besten dreimal täglich und immer zur selben Tageszeit. Später reicht es, mindestens dreimal pro Woche zu üben.
  • Die einzelnen Sätze der jeweiligen Übung werden drei bis sechs Mal im Geiste wiederholt. Dabei ist es hilfreich, sich bestimmte Situationen vorzustellen, beispielsweise, dass bei der Schwereübung der Boden magnetisch ist und die Gliedmaßen nach unten gezogen werden.

Stufen beim autogenen Training

Die Übungen beim autogenen Training werden in mindestens zwei Stufen unterteilt:

  • Grundstufe: Hierzu zählen die sieben oben genannten Grundübungen. Bei diesen geht es in erster Linie darum, körperliche Vorgänge, wie das Atmen oder den Herzschlag, bewusst mithilfe der Entspannungsformeln zu beeinflussen.
  • Oberstufe: Voraussetzung für diese zweite Stufe ist die Beherrschung der Übungen der Grundstufe. In der Oberstufe steht die Selbstbeeinflussung auf mentaler und emotionaler Ebene im Vordergrund. Hierbei nutzt man Bilder, Leitsätze und Visualisierungen, um persönliche Ziele, kreative Ideen oder eine tiefere Selbsterkenntnis zu fördern.

Manchmal wird auch eine dritte Stufe genannt, die aber oft auch nur als Erweiterung der Oberstufe gesehen wird. Sie dient dazu, persönliche Ziele zu erreichen oder spezifische Probleme zu lösen, zum Beispiel Prüfungsängste. Diese Stufe erfordert meist eine gewisse Erfahrung mit autogenem Training und wird in der Regel mit professioneller Anleitung erarbeitet.

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Autogenes Training mit Kindern

Autogenes Training kann man schon mit Kindern ab etwa sechs Jahren üben. Es kann Kindern und Jugendlichen helfen, Stress abzubauen, die Konzentration zu fördern und besser einzuschlafen. Insbesondere Traumreisen versetzen die Heranwachsenden in eine Fantasiewelt, etwa an einen Strand oder in einen Wald. Eingespieltes Meeresrauschen oder Waldgeräusche und Vogelgezwitscher verstärken die Entspannung. Diese Klänge helfen, innere Ruhe zu finden und den Stress des Alltags loszulassen.

Auch die Formeln können bei einem autogenen Training mit Kindern angepasst werden, damit sich vor allem kleine Kinder besser auf die Entspannung einlassen können.

Kindgerechte Formeln für die Übungen sind beispielsweise:

  • Ruheübung: "Ich bin ganz ruhig, wie eine Katze, die sich gemütlich eingerollt hat."
  • Schwereübung: "Meine Arme und Beine sind ganz schwer, wie ein Kuscheltier, das tief schläft."
  • Wärmeübung: "Meine Hände sind warm, wie wenn ich sie an eine Tasse warmen Kakao halte."
  • Atemübung: "Ich atme ruhig ein und aus, wie die Wellen am Strand."
  • Herzübung: "Mein Herz schlägt ruhig und stark, wie das eines Bären."
  • Bauchübung: "Mein Bauch fühlt sich warm und entspannt an, wie eine Sonne in mir."
  • Stirnkühleübung: "Meine Stirn ist kühl, wie ein leichter Wind an einem Sommertag."

Autogenes Training auch online möglich

Zahlreiche Online-Programme bieten geführte Entspannungs- oder Körperreisen an und sind eine wertvolle Ergänzung zu den klassischen Entspannungsformeln. Zudem sind sie eine gute Möglichkeit, sich jederzeit von beruhigenden Erzählungen und sanften Naturklängen begleiten zu lassen – für eine entspannte Auszeit mit sich selbst.

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