Gelb gefärbtes Auge eines Mannes mit Morbus Meulengracht
© Getty Images/Alona Siniehina

Morbus Meulengracht: Symptome & Vorteile des Gilbert-Syndroms

Von: Gesundheit-Redaktion, Jasmin Rauch (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 11.12.2023 - 14:01 Uhr

Der sogenannte Morbus Meulengracht (auch Gilbert-Meulengracht-Syndrom oder nur Gilbert-Syndrom) ist eine angeborene Erkrankung oder genauer Anomalie des Stoffwechsels. Die Stoffwechselstörung tritt recht häufig auf. Ungefähr 3 bis 16 Prozent der Bevölkerung sind betroffen, wobei die Beschwerden sehr stark variieren können. Welche Symptome weisen auf Morbus Meulengracht hin, wie beeinflussen Lebensmittel wie Alkohol und die Art der Ernährung den Verlauf und kann das Syndrom auch Vorteile für die Gesundheit mit sich bringen?

Was ist Morbus Meulengracht?

Bei Morbus Meulengracht handelt es sich um eine Stoffwechselstörung, genauer um eine Störung des Bilirubin-Stoffwechsels. Bilirubin ist ein Gallenfarbstoff, der entsteht, wenn im Körper der rote Blutfarbstoff Hämoglobin abgebaut wird.

Die Ursache für Morbus Meulengracht findet sich im Prozess des Hämoglobinabbaus und besteht in einer Funktionsstörung der Leber, welche zeitweise den roten Blutfarbstoff nicht vollständig oder ausreichend abbauen kann. Denn Blutkörperchen werden normalerweise nach circa 120 Tagen recycelt. Das darin enthaltene Hämoglobin wird im Knochenmark, in der Milz und der Leber in mehreren Schritten abgebaut und letztlich in eine wasserlösliche Form (konjungiertes Bilirubin) überführt.

Bei Menschen mit dem Meulengracht-Syndrom ist jedoch die Bildung eines hierzu notwendigen Abbauprodukts, des unkonjugierten Bilirubins, gestört. Infolgedessen sind im Blut zeitweise erhöhte Konzentrationen von Bilirubin (Hyperbilirubinämie) zu finden.

Wer bekommt Morbus Meulengracht?

Morbus Meulengracht ist ein genetischer Defekt, der durch beide Elternteile gleichermaßen vererbt werden muss. Hat nur einer der beiden Elternteile eine genetische Veranlagung für die Stoffwechselstörung, kommt es nicht zum Ausbruch des Syndroms.

Morbus Meulengracht wird in der Medizin als Icterus intermittens juvenilis bezeichnet. Der Namenszusatz "juvenilis" (Latein: "jugendlich") verweist auf die Tatsache, dass Menschen vor allem in jungen Jahren von den Symptomen der Krankheit betroffen sind. Zwar bleibt der Gendefekt lebenslang bestehen. Vermehrt kommt es aber zwischen dem 15. und 40. Lebensjahr zu Beschwerden.

Welche Symptome löst Morbus Meulengracht aus?

Bei Morbus Meulengracht zeigen sich eher selten gesundheitliche Beeinträchtigungen. Häufig wird dem Syndrom deshalb kein wirklicher Krankheitswert zugeschrieben. Wenn es zu Symptomen kommt, treten diese in der Regel in Schüben auf. Welche Dauer ein Schub hat, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Zwischen den Schüben liegen aber oft lange Phasen ohne Beschwerden – auch abhängig davon, ob auslösende Faktoren gemieden werden oder nicht.

Folgende Symptome können auf Morbus Meulengracht hinweisen:

  • Gelbfärbung der Haut und der Bindehaut der Augen (dies wird als Gelbsucht oder auch Ikterus bezeichnet)
  • Bauchkrämpfe und Übelkeit
  • Verdauungsstörungen (Blähungen und Durchfall)
  • Erschöpfung und Müdigkeit
  • Unterleibschmerzen
  • depressive Verstimmungen

Der Gallesalzspiegel und andere Leberwerte sind üblicherweise normal. Dadurch tritt im Gegensatz zu anderen Erkrankungen, die mit einer Gelbsucht einhergehen, kein Hautjucken auf.

Im Rahmen einer kleineren Studie wurde bei Personen mit dem Meulengracht-Syndrom gehäuft ein Mangel an Vitamin D3 festgestellt. Da die Studie nur aus etwa 200 Teilnehmenden (circa 100 Personen davon mit Morbus Meulengracht) bestand, sind deren Ergebnisse jedoch nur begrenzt aussagekräftig.

Was kann das Auftreten von Symptomen begünstigen?

Verschiedene Faktoren können dafür sorgen, dass Bilirubin im Körper vermehrt freigesetzt oder schlechter abgebaut wird.

Im Gegensatz zu anderen Verdauungsstörungen sind bei Morbus Meulengracht insbesondere Hunger und Fasten als Auslöser unbedingt zu vermeiden. Dies liegt daran, dass Bilirubin teilweise auch in Körperfett gespeichert wird. Beim Fasten werden Fettreserven und damit auch der Gallenfarbstoff vermehrt freigesetzt.

Auch besteht häufig eine Unverträglichkeit gegenüber Alkohol, Nikotin und Stress. Nach Alkohol- oder Nikotingenuss kommt es zu einer Erhöhung des Bilirubinwertes, was oftmals mit verstärkten Beschwerden einhergeht.

Derzeit wird in der Wissenschaft diskutiert, ob auch eine Schwangerschaft, Infektionen oder Operationen einen Schub bei Morbus Meulengracht auslösen können.

Wie wird die Diagnose gestellt?

Treten die genannten Symptome auf, ist der Bilirubinspiegel erhöht und sind die sonstigen Leberwerte unauffällig, dann liegt die Diagnose Morbus Meulengracht nahe. Sicherheitshalber sollte die Leber im Ultraschall aber noch einmal auf Veränderungen untersucht werden, um andere Lebererkrankungen auszuschließen.

Morbus Meulengracht kann durch sogenannte Provokationstests genau diagnostiziert werden. Angewendet werden dazu Nicotinsäure- oder Fastentests:

  • Im Rahmen des Nicotinsäuretests bekommt die betroffene Person 50 Milligramm der Säure gespritzt. Steigen die Bilirubinwerte an, ist dies ein Hinweis auf das Gilbert-Syndrom.
  • Beim Fastentest wird die Kalorienzufuhr für drei Tage auf 600 Kilokalorien täglich reduziert. Auch in diesem Fall steigt der Bilirubinwert bei Menschen mit Morbus Meulengracht deutlich an.

Eine molekulargenetische Untersuchung kann ebenfalls durchgeführt werden, um den Gendefekt festzustellen. In der Regel ist dies aber nicht notwendig und das Meulengracht-Syndrom kann durch den*die Arzt*Ärztin auch ohne genetische Untersuchung eindeutig festgestellt werden.

Gibt es eine Therapie für Morbus Meulengracht?

Morbus Meulengracht ist nicht heilbar und auch eine spezielle Therapie existiert bislang nicht. Da die Krankheit jedoch nicht gefährlich ist und die gesundheitlichen Einschränkungen oft gering sind, kann man in der Regel dennoch sehr gut mit dem Gendefekt leben.

Generell empfiehlt es sich, bekannte Auslöser von Schüben, wie Alkohol oder Fastenphasen, zu meiden. Eine gesunde und vollwertige Ernährung kann zudem dabei helfen, eine größere Freisetzung von Fettreserven und damit einen Schub zu verhindern.

Vorsicht bei bestimmten Medikamenten

Vor der Einnahme der Medikamente Atazanavir zur Behandlung von HIV oder Irinotecan zur Therapie von Krebs sollte ärztlicher Rat gesucht werden. Diese beiden Mittel werden über die gleichen Prozesse verstoffwechselt wie Bilirubin. Bei Morbus Meulengracht kann der Abbau der Wirkstoffe also verlangsamt sein, was zu erhöhten Blutkonzentrationen und damit verstärkten Nebenwirkungen führen kann.

Ähnliche Probleme wurden auch für weitere Medikamente, wie Paracetamol oder die Antibabypille, vermutet. Bisher haben sich diese Annahmen nicht bestätigt. Bei der Diagnose Morbus Meulengracht sollte die Einnahme von Medikamenten aber sicherheitshalber ärztlich besprochen werden.

Haben Personen mit Morbus Meulengracht auch Vorteile?

Im Gegensatz zu vielen anderen Erkrankungen geht die Stoffwechselstörung nicht ausschließlich mit Nachteilen oder Beschwerden einher. Studien geben Hinweise darauf, dass ein erhöhter Bilirubinspiegel, wie er bei Personen mit Morbus Meulengracht vorkommt, auch gesundheitliche Vorteile bringen könnte.

Betroffene haben häufig einen sehr guten Fettstoffwechsel und sind dadurch schlanker. Auch der Glukosestoffwechsel wird positiv beeinflusst. Damit haben Menschen mit dem Gilbert-Syndrom einen besseren Schutz vor Zivilisationskrankheiten wie Diabetes und Herzkreislauf-Erkrankungen.

Bilirubin wirkt zudem antioxidativ und damit zellschützend. Eine leicht Hyperbilirubinämie kann dadurch auch dazu beitragen, das Risiko für Lungen- und Dickdarmkrebs zu reduzieren.

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