Morbus Menière: Symptome, Ursachen und Therapie
Beim Morbus Menière kommt es zu plötzlichen Schwindelanfällen in Kombination mit Hörverlust und Tinnitus. Welche Ursachen zu einem Morbus Menière führen, wie er diagnostiziert wird und ob eine Therapie möglich ist, lesen Sie hier.
Definition: Was ist Morbus Menière?
Der Morbus Menière (auch Menière-Krankheit genannt) ist eine Erkrankung des Innenohrs, bei der es zu plötzlichem Drehschwindel kommt. Zusätzlich verschlechtert sich das Hörvermögen und Betroffene berichten von einem Tinnitus. In der Regel ist bei Morbus Menière nur ein Ohr betroffen. Im Verlauf der Erkrankung kann es jedoch vorkommen, dass sich die Beschwerden auch auf das zweite Ohr ausweiten. Ursächlich für die Erkrankung ist eine erhöhte Flüssigkeitsansammlung im Innenohr, die zu einer fehlerhaften Informationsweiterleitung an das Gehirn führt.
Ursachen: Was löst Morbus Menière aus?
Im Innenohr befinden sich zwei Arten von Flüssigkeiten: die sogenannte Endolymphe und die Perilymphe.
Die Perilymphe befindet sich im äußeren Bereich des Innenohrs und dient der Weiterleitung von Schallwellen, welche durch das Ohr aufgenommen werden. Die Endolymphe wiederum befindet sich im inneren Bereich des Innenohrs und umgibt die sogenannten Haarsinneszellen. Diese Zellen reagieren auf Schall und Bewegungen des Kopfes und dienen dadurch sowohl dem Hören als auch dem Gleichgewicht.
In einem gesunden Innenohr werden die Schallwellen, welche von der Perilymphe aufgenommen wurden, über eine Membran an die Endolymphe weitergegeben, wodurch die Endolymphe in Bewegung gerät. Diese Bewegung kann von den Haarsinneszellen erkannt und als Signal ans Gehirn weitergegeben werden.
Bei einer Menière-Erkrankung kommt es jedoch zu einer erhöhten Ansammlung von Endolymphe (endolymphatischer Hydrops). Da die Haarsinneszellen sehr empfindlich sind, bemerken sie bereits kleinste Veränderungen und senden ebenso veränderte (falsche) Signale ans Gehirn. Dadurch kann es zu verzerrt oder gedämpft wahrgenommenen Geräuschen kommen und das Hörvermögen nimmt ab. Ebenso kann es durch diese Fehlinformationen zum Tinnitus (Ohrrauschen) kommen. Auf dem betroffenen Ohr wird dauerhaft ein eher dumpfes Rauschen wahrgenommen. Zusätzlich kann der erhöhte Druck die sensiblen Sinneszellen im Ohr irreversibel (unwiderbringlich) zerstören, wodurch keine Informationen mehr ans Gehirn geleitet werden können. Dies kann zur Taubheit auf dem Ohr führen.
Auch das Organ für das Gleichgewicht sitzt im Innenohr und funktioniert nach einem ähnlichen Prinzip: Durch Kopfbewegungen wird die Endolymphe in Bewegung gebracht. Die Haarsinneszellen senden ein Signal ans Gehirn. Das Gehirn gleicht die Informationen aus beiden Gleichgewichtsorganen (im linken und rechten Ohr) miteinander ab. Ist ein Ohr vom Morbus Menière betroffen, dann stimmen die Informationen nicht überein. Es kommt zu plötzlich auftretenden Schwindelanfällen.
Bisher ist nicht abschließend geklärt, was Morbus Menière auslöst. Anders als früher angenommen, ist Morbus Menière jedoch keine psychische Erkrankung. Psychische Faktoren wie Stress können allerdings die Symptome verstärken.
Untersuchungen legen nahe, dass es sich beim Morbus Menière um eine multifaktorielle Erkrankung handelt. Das heißt, dass es nicht nur einen Auslöser gibt, sondern viele verschiedene Ursachen zusammenspielen. Es wird vermutet, dass durch Viruserkrankungen, Entzündungen oder Autoimmunerkrankungen in diesem Bereich das Innenohr geschädigt wurde, wodurch es zu Problemen im Bereich des Endolymphabflusses kommt. Auch eine Durchblutungsstörung im Bereich des Innenohrs könnte zur Schädigung der Haarsinneszellen führen.
Morbus Menière: Symptome
Der Morbus Menière ist durch eine typische Symptomtrias (also drei zusammen auftretende Symptome) gekennzeichnet:
- Drehschwindel mit Übelkeit: Ein typisches Symptom für den Morbus Menière ist anfallsartiger Drehschwindel. Unter einem Drehschwindel versteht man das Gefühl, man sitze auf einem Karussell oder der Raum drehe sich um einen. Durch die damit einhergehende Übelkeit kann es zu Erbrechen und Appetitlosigkeit kommen. Die Schwindelattacken treten plötzlich auf und dauern in der Regel wenige Minuten bis hin zu mehreren Stunden.
- Hörminderung: Die Hörleistung des betroffenen Ohres nimmt mit der Zeit ab. Insbesondere im Tieftonbereich können Töne nicht oder nur teilweise wahrgenommen werden. Die Erkrankung kann zur völligen Taubheit führen, wenn beide Ohren betroffen sind.
- Tinnitus: Morbus Menière zeichnet sich meist durch ein rauschendes, eher tiefes Ohrgeräusch (Tinnitus) aus. Das Geräusch ist nur auf dem jeweils betroffenen Ohr für die erkrankte Person wahrnehmbar (eine andere Person kann das Geräusch nicht hören).
Diagnostik der Menière-Krankheit
Bei unklaren Schwindelanfällen, Hörverlust oder Tinnitus kann zunächst die hausärztliche Praxis aufgesucht werden. Bei entsprechendem Verdacht wird dann eine Überweisung an eine Praxis oder Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde (HNO) ausgestellt, da die meisten wichtigen Tests zur Diagnose nur in einer Fachpraxis durchgeführt werden können.
Es gibt keine zuverlässigen Selbsttests, die Morbus Menière diagnostizieren könnten. Die Krankheit ist komplex und erfordert eine ärztliche Untersuchung.
Die typische Kombination aus Schwindel, vermindertem Hörvermögen und Tinnitus ist wegweisend bei der Diagnose eines Morbus Menière. Der*die Arzt*Ärztin wird zunächst die Symptome und die Krankengeschichte erfragen (Anamnese). Zur Sicherung der Diagnose werden dann Hörvermögen und Gleichgewichtssinn überprüft.
Prüfung des Hörvermögens
Zwei verschiedene Tests werden in der Regel zur Kontrolle des Hörvermögens angewendet:
- Stimmgabelprüfung: Mithilfe einer Stimmgabel wird die Fähigkeit des Ohres überprüft, Schallwellen wahrzunehmen und weiterzuleiten. Hiermit kann zum einen geprüft werden, ob das betroffene Ohr schlechter hört als das nicht betroffene, und zum anderen, ob dies auf eine Schädigung des Innenohrs zurückzuführen ist.
- Tonschwellenaudiometrie: Bei diesem Test kann mithilfe eines Geräts geprüft werden, ob eine Hörschädigung vorliegt. Zusätzlich kann ermittelt werden, in welchem Tonhöhenbereich diese liegt. Bei der Menière-Krankheit beobachtet man meist eine Schwerhörigkeit im Tieftonbereich: Tiefe Töne können nicht mehr so gut wahrgenommen werden und müssen im Vergleich zu hohen Tönen lauter eingestellt werden, um gehört zu werden.
Prüfung des Gleichgewichtsorgans
Zur Prüfung des Gleichgewichts existieren viele verschiedene Tests. Diese können beim Morbus Menière auffällig sein, müssen es jedoch nicht. Einige Tests fallen nur positiv aus, wenn gerade eine akute Schwindelattacke vorliegt.
Beispiele für solche Tests sind:
- Unterberger-Tret-Versuch: Der*die Patient*in stellt sich mit geschlossenen Augen und nach vorne ausgestreckten Armen auf einen Punkt. Nun soll er*sie die Knie immer abwechselnd zu den Händen heben. Gesunde Personen werden dabei auf der Stelle treten. Liegen Störungen des Gleichgewichtsorgans vor, kann es passieren, dass sich die betroffene Person in eine Richtung dreht.
- Nystagmus-Prüfung: Während eines akuten Schwindelanfalls springen die Augen der betroffenen Person häufig von links nach rechts, da das Gehirn versucht, sich den fehlerhaften Informationen des Gleichgewichtsorgans anzupassen. Diesen sogenannten Nystagmus kann man mit bloßem Auge erkennen.
Weitere Diagnosekriterien
Ein wichtiges Kriterium für einen Morbus Menière ist der sogenannte Drehschwindel. Er muss klar von anderen Arten des Schwindels abgegrenzt werden. Andere Schwindelformen sind zum Beispiel der Schwankschwindel (Betroffene beschreiben den Schwindel so als befänden sie sich auf einem Schiff mit starkem Wellengang) oder der Lagerungsschwindel (bei bestimmten Kopfbewegungen, zum Beispiel beim Umdrehen im Bett, kommt es zu einem sehr kurzen, heftigen Schwindelgefühl). Diese Schwindelformen deuten jedoch auf andere Erkrankungen hin.
Um andere, seltene Ursachen (zum Beispiel einen Tumor in dem Bereich) auszuschließen, kann abschließend ein MRT (Magnetresonanztomografie) durchgeführt werden.
Die Diagnose Morbus Menière gilt als gesichert, wenn die drei typischen Symptome (Schwindelanfälle, Hörminderung oder -verlust und Tinnitus) gleichzeitig auftreten und andere Ursachen ausgeschlossen wurden.
Therapie: Welche Behandlung hilft bei Morbus Menière?
Die Behandlung des Morbus Menière lässt sich unterteilen in die akute und die langfristige Therapie.
Akute Therapie
Tritt ein akuter Schwindelanfall auf, so wird Betroffenen empfohlen, sich hinzulegen und den Kopf ruhig zu halten, um einerseits Stürze zu vermeiden und andererseits das Gleichgewichtssystem möglichst wenig zu belasten.
Bei starker Übelkeit können Antiemetika (Wirkstoffe zur Vorbeugung und Behandlung von Übelkeit und Brechreiz) zum Einsatz kommen.
In einigen Fällen können auch Benzodiazepine (angstlösende und beruhigende Psychopharmaka) helfen. Diese wirken auf das neurologische System, sollen den Schwindel dämpfen und das Gleichgewichtssystem beruhigen.
Insbesondere Benzodiazepine sollten jedoch nur gelegentlich zur Akuttherapie und nur gemäß ärztlicher Empfehlung eingenommen werden, da sie schnell abhängig machen können.
Langfristige Therapie
Das Ziel einer langfristigen Therapie ist es, die negativen Folgen des Morbus Menière möglichst gering zu halten. Zum einen sollen die Anfallshäufigkeit und -stärke verringert werden, zum anderen sollen der Hörverlust gestoppt und die Ohrgeräusche (Tinnitus) minimiert werden.
Dazu können unter anderem folgende Medikamente zum Einsatz kommen:
- Diuretika: Sogenannte Entwässerungstabletten (zum Beispiel Hydrochlorthiazid oder Triamteren) sollen helfen, die überschüssige Flüssigkeit aus dem Innenohr zu schwemmen. Dadurch soll sich der endolymphatische Hydrops zurückbilden. Einen ähnlichen Effekt kann man bei einigen Betroffenen auch durch eine salzarme Ernährung beobachten.
- Betahistin: Durch Betahistin wird die Wirkung des Botenstoffs Histamin im Körper erhöht. Unter anderem führt dies zu einer verstärkten Durchblutung im Innenohr und einem verbesserten Abfluss der Endolymphe. Dadurch sollen Häufigkeit und Dauer von Schwindelanfällen verringert werden. Betahistin wirkt zusätzlich auf Rezeptoren in dem Teil des Gehirns, in dem Sinneswahrnehmungen aus den Gleichgewichtsorganen verarbeitet werden. Dadurch kann es helfen, die Symptome der fehlerhaften Informationen wie Übelkeit und Schwindel zu vermindern.
- Gentamicin: Gentamicin ist ein Antibiotikum, welches ototoxisch (innenohrschädigend) wirkt. Es wird mittels einer Spritze ins Innenohr eingegeben. Dadurch sollen die Haarzellen (die für das Gleichgewicht zuständig sind) im betroffenen Ohr komplett zerstört werden, wodurch keine fehlerhaften Informationen mehr ans Gehirn weitergeleitet werden können. Die Aufgabe des Gleichgewichtsorgans wird dann vollständig von der gesunden Seite übernommen. Problematisch ist jedoch, dass auch die Haarsinneszellen, welche für das Hören zuständig sind, beeinflusst werden können, wodurch sich der Hörverlust eventuell verstärkt.
- Kortison: Um das Auftreten von Schwindelanfällen zu verringern, kann Kortison in das Mittelohr gespritzt werden.
Ist das Hörvermögen sehr stark eingeschränkt, kann ein Hörgerät in Form eines Cochlea-Implantats eingesetzt werden.
Als zusätzliche Behandlung kann ein physiotherapeutisch geleitetes Schwindeltraining dabei helfen, mit den Schwindelanfällen zurechtzukommen. Spezielle Übungen sollen helfen, einer Gangunsicherheit in Folge des Schwindels vorzubeugen.
Generell ist die Behandlung eines Morbus Menière sehr individuell und sollte dringend mit dem*der behandelnden Arzt*Ärztin gemeinsam festgelegt werden.
Operation bei Morbus Menière
Versagt die medikamentöse Therapie, kommen verschiedene chirurgische Methoden zum Einsatz. Durch eine Operation soll entweder der Endolymphabfluss erhöht und damit der Druck im Innenohr gesenkt oder das Gleichgewichtsorgan der betroffenen Seite dauerhaft ausgeschaltet werden.
Morbus Menière: Lebenserwartung und Verlauf
Morbus Menière ist eine chronische Erkrankung, die aktuell nicht heilbar ist und im Verlauf die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen kann. Die generelle Lebenserwartung wird durch Morbus Menière jedoch nicht verkürzt. Bei einigen Betroffenen kommt es nach Monaten oder Jahren zu einer plötzlichen Spontanheilung. Warum das so ist, ist derzeit noch unklar.
Mit zunehmender Erkrankungsdauer sinkt meist die Häufigkeit von akuten Schwindelanfällen. Das Hörvermögen nimmt jedoch tendenziell mit längerer Erkrankungsdauer trotz guter Medikation weiter ab, obwohl das Voranschreiten der Erkrankung stark verlangsamt werden kann.
Wenn der Morbus Menière stark ausgeprägt und die Lebensqualität der betroffenen Person stark eingeschränkt ist, kann ein Grad der Behinderung (GdB) beantragt werden. Voraussetzung ist immer ein ärztliches Attest, welches die starken Einschränkungen bestätigt. Ist die betroffene Person nicht mehr in der Lage, einer Arbeit nachzugehen, kann sie dann zum Beispiel frühzeitig Rente beziehen oder andere soziale Leistungen beantragen, die sie in ihrem Alltag unterstützen können.