Narzisstische Frau betrachtet sich in einer Fensterscheibe
© Getty Images/Artem Peretiatko (Symbolfoto)

Narzissmus: Definition und Symptome der narzisstischen Persönlichkeitsstörung

Von: Daniela Kirschbaum (Medizinautorin)
Letzte Aktualisierung: 20.01.2025

Bei der narzisstischen Persönlichkeitsstörung handelt es sich um eine psychische Krankheit, die meist bereits im frühen Erwachsenenalter in Erscheinung tritt. Eine Reihe verschiedener Symptome und Verhaltensweisen kennzeichnen die Störung. Betroffene empfinden sich als großartig, sind nicht fähig, sich in andere einzufühlen und reagieren unangemessen auf Kritik. Häufig prägen Manipulation und Abwertung den Umgang mit Mitmenschen. Mehr dazu, an welchen Anzeichen man Narzissmus erkennen kann, zu den verschiedenen Typen der Erkrankung und dem Umgang mit narzisstischen Personen, erfahren Sie in folgendem Artikel.

Definition: Was ist Narzissmus?

Mehr oder weniger stark ausgeprägte narzisstische Persönlichkeitsmerkmale haben wir alle. Allerdings weisen Egozentrik, Arroganz oder Selbstverliebtheit alleine noch keinen Krankheitswert auf. Anders verhält es sich bei der narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Hierbei handelt es sich um eine tiefgreifende Erkrankung, die nicht nur für Betroffene einen großen Leidensdruck mit sich bringt, sondern auch das Umfeld deutlich negativ beeinflussen kann.

Der Definition nach ist die narzisstische Persönlichkeitsstörung eine psychische Krankheit, die sich anhand typischer Anzeichen bemerkbar macht. Neben dem Gefühl der eigenen Einzigartigkeit sind dies vor allem fehlende Kritikfähigkeit, ein Mangel an Einfühlungsvermögen, eine deutliche Anspruchshaltung sowie das Unvermögen, tiefe emotionale Bindungen einzugehen. Dahinter steckt oft ein zerbrechlicher Selbstwert, den Narzisst*innen schützen wollen, indem sie ihr Gegenüber abwerten.

Auftreten und Häufigkeit

Als Persönlichkeitsstörung macht sich Narzissmus meist bereits im frühen Erwachsenenalter bemerkbar. Da Betroffene die Schuld für zwischenmenschliche Probleme bei anderen sehen und sich selbst selten als therapiebedürftig empfinden, ist in Bezug auf die Häufigkeit von einer gewissen Dunkelziffer auszugehen. Man schätzt, dass bis zu 0,4 Prozent der deutschen Bevölkerung von einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung betroffen sind. Konkrete Zahlen gibt es aber nicht.

Typen der narzisstischen Persönlichkeitsstörung

Grundsätzlich lassen sich drei verschiedene Typen von pathologischem, also krankhaftem, Narzissmus unterscheiden:

  • grandios-maligner Typ: Hier herrscht die Überzeugung vor, außergewöhnlich zu sein. Das wird auch nicht versteckt. Werden betroffene Personen – ihrer Meinung nach – nicht wertschätzend behandelt oder gar gekränkt, reagieren sie aggressiv und scheuen auch vor Rache nicht zurück.
  • vulnerabel-fragiler Typ (auch verdeckter oder weiblicher Narzissmus): Narzisstische Merkmale wie Selbstzentriertheit, Anspruchsdenken oder Empathielosigkeit bleiben hier unter einer bescheidenen und introvertiert wirkenden Persönlichkeitsstruktur verborgen und treten nur manchmal offen zutage. Im Mittelpunkt stehen die Abwertung anderer, mangelnde Kritikfähigkeit und das Gefühl, ungewöhnlich negative Erfahrungen gemacht zu haben oder zu machen ("Opfer-Gefühl"). Dieser Typ wird meist nicht so schnell erkannt.
  • exhibitionistischer Typ: Hier wird die Großartigkeit deutlich zur Schau gestellt und Mitmenschen offen mit Arroganz und emotionaler Kälte begegnet. Der exhibitionistische Typ ist häufig sehr wettbewerbs- und erfolgsorientiert.

Die narzisstische Persönlichkeitsstörung tritt häufig in Kombination mit Depressionen oder Suchtmittelmissbrauch auf. Außerdem wird sie oftmals mit der Borderline-Persönlichkeitsstörung verwechselt, mit der sie auch gemeinsam auftreten kann. Betroffene mit Borderline haben kein stabiles Selbstwertgefühl und können ebenso wie grandios-maligne Narzisst*innen ein impulsiv-aggressives Verhalten zeigen. In persönlichen Beziehungen stellen sie ihr Gegenüber entweder auf ein Podest oder werten dieses ab.

Symptome: Wie verhalten sich Narzissten?

 Anhand welcher Eigenschaften und Verhaltensweisen lässt sich die narzisstische Persönlichkeitsstörung erkennen? Wie merkt man, dass jemand ein*e Narzisst*in ist? Tatsächlich gibt es einige Merkmale, die auf einen pathologischen Narzissmus hinweisen können. Die Symptome des pathologischen Narzissmus unterscheiden sich dabei bei Männern und Frauen nicht, auch wenn bei Narzisstinnen der vulnerabel-fragile Typus ein wenig häufiger auftritt. Deshalb wird diese Form auch etwas irreführend als "weiblicher Narzissmus" bezeichnet.

Betroffene haben das Gefühl, im Vergleich zu anderen übermäßig großartig zu sein. Wird das vom Gegenüber nicht anerkannt, sind sie unangemessen gekränkt und reagieren mit Wut. Zudem ist die Bereitschaft, sich in andere hineinzufühlen, kaum vorhanden. Zugewandte und einfühlsame Verhaltensweisen wirken unauthentisch und einstudiert. Das Fehlen von Empathie kann zur Ausnutzung des Gegenübers und emotionalem Missbrauch führen.

Darüber hinaus ist der pathologische Narzissmus durch eine deutliche Anspruchshaltung charakterisiert, das heißt, Betroffene beanspruchen für sich einen Sonderstatus. Für sie haben andere Regeln zu gelten als für die Allgemeinheit. Mit Kritik können sie nicht umgehen und reagieren darauf unangemessen. Nicht selten, indem sie postwendend zum Gegenschlag ausholen.

Zudem neigen sie zu Übertreibungen, Lügen und zur Manipulation. Andere werten sie gezielt ab, um das eigene Selbstwertgefühl zu erhöhen. Nicht zuletzt ist für narzisstische Personen der äußere Schein wichtig. Geld und Statussymbole werden daher häufig deutlich zur Schau gestellt.

Diagnose: Narzissmus erkennen

Um die narzisstische Persönlichkeitsstörung zu diagnostizieren, werden vorwiegend strukturierte klinische Interviews verwendet. Beispiele dafür sind das "Narcissistic Personality Inventory" (NIP), auf Deutsch etwa "Narzisstische Persönlichkeitsskala", oder der SCID-5-PD. Diese Abkürzung steht für "Structured Clinical Interview for DSM-5 Personality Disorders"  oder auf Deutsch "Strukturiertes Klinisches Interview für DSM-5 Persönlichkeitsstörungen". In allen Tests werden Eigenschaften abgefragt, die auf verschiedene Persönlichkeitsstörungen hinweisen können.

Im DSM-5, einem international anerkannten Klassifikationssystem für psychische Störungen, sind schließlich verschiedene Kriterien angeführt, die die Symptomatik des Narzissmus verdeutlichen. Für eine Diagnose müssen fünf oder mehr davon erfüllt sein. Die Bewertung, ob diese erfüllt sind, erfolgt anhand der bereits erwähnten Tests.  Der*die Arzt*Ärztin befragt dazu die zu untersuchende Person, codiert die gegebenen Antworten und wertet diese am Ende des jeweiligen Tests aus.

Symptome einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung nach DSM-5 im Überblick:

  • Gefühl grandioser Wichtigkeit, die von anderen anerkannt werden soll
  • stark einnehmende Fantasien grenzenlosen Erfolgs, Macht, Schönheit oder idealer Liebe
  • Glaube, besonders und einzigartig zu sein und nur von ebensolchen Menschen verstanden zu werden
  • Verlangen nach grenzenloser Bewunderung
  • Anspruchsdenken
  • ausbeuterisch in zwischenmenschlichen Beziehungen
  • Mangel an Empathie
  • Das Empfinden von Neid beziehungsweise der Glaube, dass andere neidisch sind
  • arrogante und überhebliche Haltung oder Verhaltensweisen

Welche Ursachen hat Narzissmus?

Wissenschaftler*innen gehen davon aus, dass bei der Entwicklung einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung neben einer genetischen Veranlagung Erfahrungen aus der Kindheit eine Rolle spielen. Hier kommen in der Psychologie zwei unterschiedliche Theorien zum Tragen: So könnte ein zu überbehütender Erziehungsstil, bei dem das Kind sehr verwöhnt wird, kaum Grenzen erfährt und auf ein Podest gestellt wird, ebenso zur Ausbildung der Krankheit beitragen wie eine Kindheit, in der Vernachlässigung, Gefühlskälte und wenig Wertschätzung an der Tagesordnung sind.

Wie kann man die narzisstische Persönlichkeitsstörung behandeln?

Die narzisstische Persönlichkeitsstörung lässt sich zwar nicht heilen, kann aber behandelt werden. Problematisch ist hier jedoch oft die fehlende Krankheitseinsicht. Die Schuld für zwischenmenschliche Probleme sehen Betroffene bei den anderen. Ein Handlungsbedarf ist für viele erst dann gegeben, wenn sich Symptome einer Depression oder ein Suchtverhalten zeigen. Wird die Persönlichkeitsstörung erkannt, können sich pathologische Narzisst*innen aufgrund der fehlenden Einsicht häufig schwer auf eine Therapie einlassen und neigen dazu, eine solche frühzeitig abzubrechen.

Grundsätzlich zielt bei der narzisstischen Persönlichkeitsstörung jede Form der Psychotherapie darauf ab, die Selbstwahrnehmung und Empathiefähigkeit des*der Patinent*in zu fördern, um soziale und emotionale Problemlagen im Alltag zu verbessern und langfristig einen guten Umgang mit der Erkrankung zu finden. Häufig kommen bei der Behandlung Ansätze aus der kognitiven Verhaltenstherapie oder der Schematherapie zum Einsatz. Bei Letzterer handelt es sich um eine Weiterentwicklung der kognitiven Verhaltenstherapie, bei der gewisse festgefahrene Verhaltensweisen (Schemata) erkannt und überwunden werden sollen.

Wie geht man am besten mit Narzissten um?

 Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung ecken häufig an und haben mit sozialen Schwierigkeiten zu kämpfen, was für Leidensdruck sorgt. Doch auch das enge Umfeld leidet. So gleicht der Umgang mit pathologischen Narzissten oftmals einem Drahtseilakt. Vor allem in engen Beziehungen, sei es eine Freundschaft, Partnerschaft oder die Verbindung zu Vater oder Mutter, können Manipulationen, Abwertungen oder Demütigungen großen Schaden anrichten. Nicht selten sind Opfer eines solchen emotionalen Missbrauchs in weiterer Folge selbst therapiebedürftig.

Erkennt man beim Gegenüber narzisstische Tendenzen, ist es daher wichtig, sich selbst zu schützen. Verschiedene Verhaltensweisen können dazu beitragen:

  • Stets bei sich selbst bleiben: Mit der Erkenntnis, dass man den anderen nicht ändern kann, fällt es leichter, bei sich zu bleiben. Es gilt, aufmerksam für Manipulationen und Abwertungen zu sein sowie die eigenen Grenzen zu wahren. Mit einem gewissen Selbstbewusstsein kann man problemlos auch kompromissbereit bleiben.
  • Ich-Botschaften nutzen: Präzise Ich-Botschaften können dazu beitragen, dass sich Betroffene in Diskussionen nicht persönlich abgewertet fühlen. Statt Sätze wie: "Nie lässt du mich aussprechen!" verwendet man besser solche wie: "Es wäre mir wichtig, aussprechen zu können." Dadurch kann man Konflikte mit narzisstischen Personen leichter entschärfen.
  • Energien sorgsam einsetzen: Konfrontiert man Narzisst*innen mit ihren Verhaltensweisen oder mit der vermeintlichen Störung, kostet das viel Energie und führt in den seltensten Fällen zur gewünschten Einsicht. Am besten ist es also, man schraubt die Erwartung dahingehend zurück und investiert seine Energie anderweitig.
  • Wertschätzend bleiben: Auch wenn es manchmal schwerfällt, ist es sinnvoll, Betroffenen auf Augenhöhe und mit Wertschätzung zu begegnen. Auf diese Weise bietet man unangenehmen Dynamiken weniger Nährboden. Es hilft, sich von Zeit zu Zeit bewusst zu machen, dass hinter den egozentrischen Verhaltensweisen ein Krankheitsbild mit entsprechendem Leidensdruck steht.

Wichtig ist aber auch zu erkennen, wenn die eigenen Grenzen erreicht sind. Leidet man selbst sehr unter der Beziehung zu der narzisstischen Person und besteht seitens dieser keine Bereitschaft, mithilfe einer Therapie an sich zu arbeiten, sollte man (im Fall einer Partnerschaft) über eine Trennung oder ansonsten über einen Kontaktabbruch nachdenken.

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