Gedächtnistraining: effektive Übungen für Senioren & Co.
Passiert Ihnen das auch immer wieder, dass Sie eine Information aus Ihrer Erinnerung abrufen wollen, und es findet sich nichts im Gedächtnis? Sie wissen zwar, dass da mal etwas war, aber wie in einem unaufgeräumten Zimmer lässt sich die gesuchte Erinnerung einfach nicht auffinden? Oder Ihre Augen gleiten mit suchendem Blick im Supermarkt über die Regale, nicht weil Sie auf der Suche nach etwas Bestimmten sind, sondern nur, weil Sie doch wissen: Da war doch noch etwas, was ich kaufen wollte – aber was genau? Ein wenig Vergesslichkeit ist normal und auch, wenn Ihnen derlei Dinge häufig Kummer bereiten, muss es nicht gleich eine schwerwiegende Erkrankung sein, die Sie heimsucht: Vielleicht fehlt Ihnen einfach etwas Training im richtigen Umgang mit Ihren Erinnerungen. Welche einfachen Übungen nicht nur Senior*innen beim Gedächtnistraining helfen und wie unser Gedächtnis funktioniert, erklären wir Ihnen im Folgenden.
Wozu ist Gedächtnistraining gut?
Ein gutes Gedächtnis kann ein Stück weit trainiert werden. Der richtige Umgang mit unserem Gehirn ist dazu ebenso nötig wie ein wenig Übung beim "Einprogrammieren" von Informationen. Gerade ältere Menschen haben häufiger das Gefühl, ihr Erinnerungsvermögen lasse sie im Stich. Neben altersbedingten Strukturveränderungen im Gehirn kann dies auch durch die schlechtere Aufnahme von Reizen durch vermindertes Seh- und Hörvermögen sowie weniger Stimulation des Gehirns begünstigt werden.
Gedächtnistraining ist also für Senior*innen besonders wichtig. Aber natürlich kann jede*r von einer Verbesserung des Gedächtnisses profitieren. Mit den folgenden Aufgaben können Sie neue Gehirnzellen aktivieren und die Verbindungen zwischen den Nervenzellen im Gehirn trainieren.
Diese Übungen sind gut für das Gedächtnis
Nehmen Sie sich zehn Begriffe vor und versuchen Sie, sich diese innerhalb einer Minute einzuprägen. Gehen Sie dann fünf bis zehn Minuten Ihrer normalen Beschäftigung nach und versuchen Sie anschließend, die Liste vollständig aufzuschreiben. Hier zwei beispielhafte Listen mit Begriffen zum Üben:
- Smartphone
- Tannenzapfen
- Türzarge
- Wackelpudding
- Polaroidfoto
- Klebestift
- Namensschild
- Sekundenzeiger
- Tischbein
- Katzenkratzbaum
Oder:
- Nagellack
- Kaffeetasse
- Flachbildschirm
- Fenstergriff
- Korkenzieher
- Käsereibe
- Pappschachtel
- Kugelschreiber
- Glasauge
- Telefonhörer
Und, hat es geklappt? Im Zweifelsfall recht gut, denn schließlich waren Sie auch hochmotiviert und haben sich Mühe gegeben. Das ist im Alltag seltener der Fall. Welche Tipps können dabei helfen, Informationen generell besser im Gedächtnis zu behalten? Hier können verschiedene Wege zum Ziel führen.
Möchte man sich mehrere Begriffe merken, kann es beispielsweise helfen, eine Geschichte um diese herum zu konstruieren. Denn eine Geschichte merkt man sich wesentlich besser als reine Begriffe. Zu anstrengend? Dann versuchen Sie doch mal, sich vorzustellen, wie Sie jeden einzelnen der genannten Gegenstände kaputtmachen. Am besten, Sie nehmen dabei geistig jeweils den zuerst Gelernten und demolieren damit den nächsten. Oder Sie ordnen jedem Gegenstand gedanklich einem bestimmten Platz in Ihrer Wohnung zu. Diese sogenannte Loci-Methode nutzen viele Gedächtnisprofis, um sich Informationen besser einzuprägen.
Wieso helfen diese Tipps beim Gedächtnistraining?
Das Prinzip des Gedächtnistrainings besteht darin, dass neben der aufmerksamen Beschäftigung mit dem zu Lernenden der Lernstoff durch Wiederholung oder im Idealfall durch Verknüpfung ins Langzeitgedächtnis gelangt. Handelt es sich um solche Listen wie die obige, ist es wichtig, die Begriffe auch untereinander gedanklich zu verknüpfen, damit ein Gegenstand der Liste zum nächsten führt. Hierdurch wird der Eindruck des zunächst abstrakten Begriffes verstärkt ins Gedächtnis eingespeichert.
Auch kann es helfen, Gefühle mit einem Gegenstand zu verbinden. Sie haben den Tannenzapfen in der ersten Liste oben vergessen? Haben Sie nur das Wort "Tannenzapfen" fokussiert oder hatten Sie ihn wirklich geistig vor Augen? Haben Sie gespürt, wie er in der Hand piekst? Haben Sie den harzigen Geruch bemerkt? Das Rauschen im Wald gehört? Sich ans Zapfensammeln in der Kindheit erinnert? Dann hätten Sie ihn vielleicht nicht so leicht "geistig fallengelassen".
Gedächtnistraining mit Zahlen und abstrakten Begriffen
All dies funktioniert noch recht einfach mit Begriffen, die konkrete Gegenstände beschreiben. Schwieriger ist es, wenn Begriffe für abstrakte Dinge, wie zum Beispiel das Wort "Gerechtigkeit" auftauchen. Besonders abstrakt sind zudem Zahlen. Sich Nummern zu merken, fällt den meisten Menschen am schwersten.
Doch auch hier kann die Anwendung der Fantasie Abhilfe schaffen: Wenn man sich ein System von "Stellvertretern" ausdenkt, bei dem jede Zahl zwischen null und neun für einen Gegenstand steht, fällt es leichter, die schwerverdaulichen Zahlenreihen im Gedächtnis zu behalten. Die Bilder, die dabei den Zahlen zugeordnet werden, sollten möglichst naheliegend sein, um sie sich leichter zu merken: Für die Sechs bietet sich beispielsweise ein Würfel an, für die Acht eine Sanduhr, für die Null ein Donut.
Hat man sich auf diese Weise ein System überlegt und verinnerlicht, lassen sich Zahlenabfolgen beliebig in Form von Bildern oder Gegenständen darstellen, aus denen dann wieder (wie bei den Listen) eine Geschichte oder Ähnliches geknüpft werden kann.
Gedächtnistraining in den Alltag integrieren
Zum Gedächtnistraining muss man nicht immer Wort- oder Zahlenreihen heranziehen. Sie können kleinere Übungen auch ganz einfach in den Alltag integrieren, indem Sie versuchen, sich Ihre Umgebung aufmerksam einzuprägen und sich danach aktiv zu erinnern. Dies geht beispielsweise im Wartezimmer in der ärztlichen Praxis. Versuchen Sie, sich Details zu merken und diese später zu rekapitulieren: Wie viele Stühle standen im Raum? Welche Bilder hingen an den Wänden? Wie viele Zeitschriften lagen auf dem Tisch und was war auf dem Titelbild zu sehen? Auch wenn man zu Fuß unterwegs ist, können diese Gedächtnisübungen angewandt werden, indem man beispielsweise darauf achtet, wie viele Ampeln oder Kreuzungen man passiert hat. Mit etwas Konzentration und einer geschulten Wahrnehmung gelingt es Ihnen sicherlich, diese kleinen Tipps im Alltag umzusetzen und Ihre Gedächtnisleistung zu verbessern.
Daneben kann auch die Lektüre der Tageszeitung oder einer Zeitschrift das Gehirn auf Trab bringen – und zwar im doppelten Sinne. Zum einen fordert das Lesen selbst die grauen Zellen. Zum anderen können Sie Ihr Gehirn stimulieren, indem Sie nach dem Lesen des Textes bestimmte darin enthaltene Wörter oder Buchstaben durchstreichen, zum Beispiel jedes "der", "die" oder "das" oder die Buchstaben L und M. Das fördert die Aufmerksamkeit und die Konzentration.
Welche Tipps können noch das Gedächtnis trainieren?
Neben diesen konkreten Übungen können auch einige weitere Tipps dabei helfen, das Gehirn dauerhaft fit zu halten und so auch die Merkfähigkeit zu verbessern. So ist es wichtig, beide Gehirnhälften immer wieder neu zu stimulieren: Sowohl die linke Gehirnhälfte, die für das logische, sprachliche Denken verantwortlich ist, als auch die rechte Gehirnhälfte, die für bildhaftes Erkennen, für Gerüche, optische Eindrücke und die Fantasie zuständig ist. Dies geht beispielsweise, wenn Sie als Rechtshänder*in die linke Hand bewusst für einfache Tätigkeiten, wie beispielsweise Haare kämmen, nutzen oder umgekehrt. Auch neue Herausforderungen, wie das Erlernen eines Musikinstruments oder schon eine geänderte Route zur Arbeit können das Gehirn trainieren. Das Praktische: Viele Formen des Gedächtnistrainings können Sie eigentlich überall durchführen – sei es abends auf dem Sofa, in der U-Bahn oder in der Mittagspause.
Daneben gibt es viele Gedächtnisspiele, die das Gehirn auf Trab bringen sollen. Dazu gehören beispielsweise Bilderrätsel, Gehirnjogging oder Sudoku. Wichtig ist aber auch hier die Abwechslung: Regen Sie Ihr Gehirn immer wieder durch unterschiedliche Aufgaben an, anstatt sich auf eine Übung zu beschränken.
Wie funktioniert das Gedächtnis?
Das Gedächtnis des Menschen ist komplex. Zunächst einmal erreichen Informationen über Augen und Ohren das Ultrakurzzeitgedächtnis (sensorisches Gedächtnis). Der Name ist Programm: Eingehende Reize werden tatsächlich nur wenige Sekunden dort abgespeichert und nicht weiter verarbeitet. Soll dies geschehen, werden die Informationen vom Ultrakurzzeitgedächtnis ins Kurzzeitgedächtnis (auch Arbeitsgedächtnis) weitergeleitet. Dieses verarbeitet eingehende Informationen und behält sie für 20 Sekunden bis maximal wenige Minuten. Das reicht häufig aus, um eine entsprechende Reaktion einzuleiten, beispielsweise, um die Antwort auf eine Frage herauszufinden oder um eine Telefonnummer aufzuschreiben.
Ins Langzeitgedächtnis gelangen besonders wichtige oder interessante Informationen über das limbische System. Dieser Teil des Gehirns ist unter anderem für die Gedächtnisbildung verantwortlich. Informationen, die durch Wiederholung oder die Erstellung von Verknüpfungen ins Langzeitgedächtnis gelangen, können dort jahrelang und teilweise lebenslang gespeichert werden.