Schwangere Frau mit Diabetes isst Salat
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Diabetes in der Schwangerschaft (Schwangerschaftsdiabetes)

Von: Dagmar Reiche (Ärztin und Medizinautorin), Silke Schwertel (geb. Hamann) (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 14.07.2020

Ein Schwangerschaftsdiabetes der werdenden Mutter gehört zu den häufigsten Komplikationen während der Schwangerschaft. Besonders tückisch ist, dass die Erkrankung oft unentdeckt bleibt, da sie häufig keine Beschwerden verursacht. Experten schätzen, dass rund fünf Prozent der Schwangerschaften betroffen sind. Was genau ist ein Schwangerschaftsdiabetes, an welchen Symptomen erkennt man ihn und welche Folgen und Risiken bestehen für das ungeborene Kind? Das erfahren Sie hier.

Schwangerschaftsdiabetes – was ist das?

Schwangerschaftsdiabetes wird auch als Gestationsdiabetes (GTD) oder Graviditätsdiabetes bezeichnet. Dabei handelt es sich um eine besondere Form des Diabetes, die während der Schwangerschaft zum ersten Mal diagnostiziert wird – unabhängig davon, ob die Krankheit erst in der Schwangerschaft aufgetreten ist oder bereits vorher unerkannt bestand.

Der Blutzuckerspiegel der Mutter ist dabei entweder dauerhaft oder ungewöhnlich lang nach den Mahlzeiten erhöht. In den meisten Fällen normalisiert sich die Erkrankung nach dem Ende der Schwangerschaft wieder.

Diese Zuckertoleranzstörung schädigt vor allem das Kind, denn das Risiko von Schwangerschafts-Komplikationen bis zu Früh- und Totgeburten steigt beträchtlich. Doch auch für die Mutter kann Schwangerschaftsdiabetes Folgen haben.

Risiken für das Kind

Wie gefährlich ist Schwangerschaftsdiabetes für das Kind? Prinzipiell verursacht der Schwangerschaftsdiabetes beim Kind zwei Hauptprobleme: 

  1. das verstärkte Größenwachstum während der Schwangerschaft mit Problemen während der Geburt bis hin zu Früh- und Totgeburt
  2. gesundheitliche Probleme des Kindes nach der Geburt

Das Ungeborene reagiert auf den zu hohen Blutzuckerspiegel der Mutter mit extremer Nährstoffaufnahme. Dadurch kommt es zu einem übermäßigen Wachstum des Kindes im Mutterleib (sogenannte Makrosomie) bei einer gleichzeitig verzögerten Entwicklung – man bezeichnet diese Kombination als diabetischen Fetopathie. Bei der Geburt wiegen Babys im Fall eines unbehandelten Schwangerschaftsdiabetes mitunter 4,5 kg oder mehr.

Zudem kann es zu Reifungsstörungen der Plazenta oder an den Organen des Ungeborenen – vor allem der Lunge – kommen, die beim betroffenen Baby (vor allem nach einer Frühgeburt) zum Atemnotsyndrom führen können. Auch Fehlbildungen des Herzens können die Folge sein, falls die Erkrankung schon früh in der Schwangerschaft auftritt. Des Weiteren wird oft zu viel Fruchtwasser gebildet (Polyhydraminion), was den Platz für das Kind einschränkt und eine vorzeitige Geburt begünstigt.

Diese und weitere Faktoren stellen ein hohes Risiko für Komplikationen während der Schwangerschaft sowie bei und nach der Geburt für das Kind dar.

Weitere Folgen für das Baby

Bei einer normalen Entbindung sind große Kinder eher gefährdet, im Geburtskanal nicht ausreichend vorangetrieben zu werden (sogenannte Schulterdystokie), deshalb kommt es in der Folge häufiger zu Nervenlähmungen im Schulter-Arm-Bereich (Plexusparese).

Zudem reagiert der Körper des ungeborenen Kindes auf den hohen Zuckerspiegel oftmals mit einer erhöhten Insulinproduktion, um den eigenen Zuckerspiegel niedrig zu halten. Nach der Entbindung leidet der Säugling deshalb oftmals an Unterzuckerung, sobald die Zuckerzufuhr durch die Mutter ausbleibt. Während der Kindheit kann es zu Stoffwechselstörungen oder Verschiebungen im Salzhaushalt kommen.

Bleibt der Schwangerschaftsdiabetes unerkannt und unbehandelt, ist das Risiko der Kinder erhöht, in späteren Jahren an Diabetes und Übergewicht zu erkranken.

Risiken für die Mutter

Auch die Mütter müssen bei einem Schwangerschaftsdiabetes mit Komplikationen während und nach der Schwangerschaft rechnen, zum Beispiel einem erhöhten Blutdruck, vermehrten Harnwegsinfekten, Ödemen, Nierenproblemen oder der Neigung zu mitunter lebensbedrohlichen Krampfanfällen (Präeklampsie). Durch die erschwerte Geburt des Kindes steigt zudem das Risiko für einen Beckenbodenschaden.

Ein weiteres Problem: Rund 40 bis 60 Prozent der betroffenen Frauen erkranken innerhalb von zehn bis fünfzehn Jahren nach der Geburt an einem behandlungsbedürftigen Diabetes mellitus Typ 2 – selbst dann, wenn der Schwangerschaftsdiabetes unmittelbar nach der Geburt wieder verschwindet.

Entscheidend ist deshalb, den Schwangerschaftsdiabetes rechtzeitig zu diagnostizieren – dann können die Risiken schwerwiegender Folgen für Mutter und Kind minimiert werden.

Symptome bei Schwangerschaftsdiabetes erkennen

Typische Symptome eines Diabetes wie häufiges Wasserlassen, Müdigkeit und starker Durst treten beim Schwangerschaftsdiabetes meist nicht auf oder werden der Schwangerschaft selbst zugeschrieben. So merken Schwangere meist nicht, dass sie krank sind.

Folgende Anzeichen können während der Schwangerschaft auf einen Diabetes hindeuten:

Diagnose durch Schwangerschaftsdiabetes-Test

Der einfache Screeningtest zur Erkennung eines Schwangerschaftsdiabetes gehört zur Routinevorsorge, die Kosten für den sogenannten oralen Glukosetoleranztest (oGTT) werden also von den Krankenkassen übernommen. Der Diabetes-Test wird zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche (SSW) durchgeführt und ist für das Baby ungefährlich.

Der Ablauf ist recht einfach: Für den Test trinkt die Frau eine Zuckerlösung aus 200 ml Wasser und 50 g Glukose (50-g-oGTT). Nach einer Stunde wird anhand einer Blutprobe untersucht, ob der Zuckerspiegel erhöht ist. Ist der Blutzuckerwert erhöht (ab einem Wert von 135 mg/dl beziehungsweise 7,5 mmol/l), wird der oGTT unter veränderten Bedingungen wiederholt.

Zweiter Diabetes-Test

Der zweite Test auf Schwangerschaftsdiabetes (75-g-oGTT) wird morgens auf nüchternen Magen und mit einer höheren Menge Glukose (75 g) durchgeführt. Neben einer zweifachen Messung des Blutzuckerwertes (nach einer und nach zwei Stunden) wird diesmal auch der Nüchternwert bestimmt, also bereits vor dem Trinken der Glukoselösung Blut abgenommen.

Die relevanten Werte für diesen Test liegen bei:

  • 92 mg/dl (5,1 mmol/l) nüchtern
  • oder 180 mg/dl (10,0 mmol/l) nach einer Stunde
  • oder 153 mg/dl (8,5 mmol/l) nach zwei Stunden

Der zweite Test ist damit deutlich aussagekräftiger und wird von Experten auch dann empfohlen, wenn der erste Test zwar negativ war, aber Symptome vorliegen, die auf die Erkrankung hindeuten könnten. Die Kosten werden jedoch nur von der Krankenkasse übernommen, wenn zuvor der Vortest durchgeführt wurde.
Übrigens: Um einen Schwangerschaftsdiabetes auszuschließen, ist die Bestimmung des Urinzuckers ungeeignet.

Was tun bei Schwangerschaftsdiabetes?

Oft hilft bereits eine konsequente Ernährungsumstellung, nur in seltenen Fällen ist das Spritzen von Insulin notwendig. Studien haben gezeigt, dass es bei gut eingestelltem Blutzucker zu deutlich weniger Komplikationen bei der Geburt und seltener zu Übergewicht des Kindes kommt. 

Daher ist die wichtigste Maßnahme unmittelbar nach der Diagnose des Schwangerschaftsdiabetes eine Änderung des Lebensstils. Wichtig sind eine ausgewogene und ballaststoffreiche Ernährung und der weitestgehende Verzicht auf Süßigkeiten und Softdrinks. Weitere Tipps zur Ernährung bei Schwangerschaftsdiabetes finden Sie hier.

Darüber hinaus sind regelmäßige – möglichst tägliche – Bewegung und eine engmaschige Kontrolle der Blutzuckerwerte entscheidende Bestandteile der Behandlung.

Ursachen von Diabetes in der Schwangerschaft

Die genauen Ursachen für die Entstehung von Schwangerschaftsdiabetes sind noch nicht abschließend geklärt. Wahrscheinlich spielt eine genetische Veranlagung bei den betroffenen Frauen eine Rolle.

Darüber hinaus erfolgen während der Schwangerschaft starke Umstellungen im Hormonhaushalt. Vermutlich kommt es dadurch zu Wechselwirkungen zwischen den weiblichen Geschlechtshormonen (Östrogen, Progesteron), den Plazentahormonen (HCG, HPL) und dem blutzuckerregulierenden Hormon Insulin. Diese Hormone werden vor allem in der zweiten Schwangerschaftshälfte vermehrt produziert. In der Folge sprechen entweder die Zellen weniger gut auf das Insulin an oder dessen Produktion wird beeinträchtigt.

Man nimmt an, dass außerdem in der Plazenta vermehrt Insulin abgebaut wird, weshalb die Zuckerwerte im Blut ansteigen.

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Risikogruppen für Schwangerschaftsdiabetes

Es gibt Risikogruppen, die häufiger von einem Schwangerschaftsdiabetes betroffen sind und für die der oGTT schon vor der 24. Schwangerschaftswoche empfohlen wird. Wer ist gefährdet?

  • übergewichtige Schwangere, insbesondere wenn sie sich nicht viel bewegen und rauchen
  • Schwangere über dem 30. Lebensjahr
  • Schwangere mit Diabetes in der Familie
  • Schwangere, die bereits mehrere Fehlgeburten erlitten haben
  • Schwangere, die bereits ein Kind mit einem Geburtsgewicht von über 4.000 g zur Welt gebracht haben
  • Schwangere, die bereits in einer vorigen Schwangerschaft einen Schwangerschaftsdiabetes hatten

Auch bestimmte Medikamente, wie beispielsweise Beta-Blocker oder Kortison können die Entstehung eines Schwangerschaftsdiabetes begünstigen.

Sind Sie schwanger und liegt mindestens einer dieser Risikofaktoren bei Ihnen vor, sprechen Sie mit Ihrem Frauenarzt. In diesem Fall kann der Screeningtest bereits im ersten Schwangerschaftsdrittel und mehrfach im Verlauf der Schwangerschaft durchgeführt werden.

Regelmäßige Kontrollen der Blutzuckerwerte nach der Schwangerschaft

Ist ein Schwangerschaftsdiabetes diagnostiziert, wird der Blutzucker im Anschluss an die Schwangerschaft und nach zwei Monaten erneut überprüft. Selbst wenn diese Werte normal sind, sollte die Frau in regelmäßigen Abständen beim Hausarzt ihren Zuckerwert messen lassen.