Männergrippe: Leiden Männer bei Schnupfen stärker?
Die vermeintliche Männergrippe ist häufig Gegenstand von Witzen und Spott. Der Ausdruck wird meist verwendet, um sich über Männer lustig zu machen, wenn sie an Erkältung oder Schnupfen leiden und dabei in manchen Fällen wehleidiger erscheinen als Frauen. Doch ist die Männergrippe tatsächlich nur ein Mythos? In diesem Artikel betrachten wir die wissenschaftlichen Hintergründe des Männerschnupfens: Leiden Männer bei einer Erkältung tatsächlich stärker und woran könnte das liegen?
Was ist eine Männergrippe?
Die Männergrippe wird auch Männerschnupfen genannt und ist die spöttische Bezeichnung für eine Erkältung bei Männern, die angeblich schlimmer als bei Frauen verlaufen soll. Eine genaue Definition für die bewitzelte Erkrankung ist schwierig zu finden. In dem Englischwörterbuch Oxford English Dictionary wird sie als "Erkältung oder ähnliche leichte Erkrankung" beschrieben, "die bei einem Mann auftritt, dessen Darstellung der Schwere der Symptome als übertrieben erachtet wird."
Damit gemeint ist also eine ungefährliche Erkältung, deren Symptome aber wie die einer schweren Erkrankung dargestellt werden. Vor allem Frauen belustigen sich gerne über das Krankheitsbild der vermeintlich wehleidigen Männer.
Einige wissenschaftliche Studien haben jedoch erforscht, wie viel Wahrheit wirklich hinter dem Phänomen der Männergrippe steckt und sind zu einigen interessanten Ergebnissen gekommen.
Leiden Männer stärker unter Grippe?
Eine südkoreanische Studie zur Schweinegrippe, einer erstmals 2009 aufgetauchten Form der Grippe, aus dem Jahr 2012 untersuchte den Einfluss des Geschlechts auf den Krankheitsverlauf.1 Der Anteil an Patienten, die wegen der Schweinegrippe ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten, war dabei nicht nur bei älteren Menschen erhöht, sondern vor allem bei älteren männlichen Betroffenen. Außerdem waren fast 70 Prozent der Erkrankten, die aufgrund der Grippe an einer Lungenentzündung (Pneumonie) litten, männlich.
Männer mussten demnach zumindest im Alter häufiger ins Krankenhaus als Frauen und litten häufiger an einer Pneumonie, die eine gefährliche Komplikation der Infektion mit dem Virus darstellt.
Auch andere Studien zur jährlichen Grippe (Influenza, nicht zu verwechseln mit einem grippalen Infekt, also einer Erkältung) liefern ähnliche Ergebnisse, nach denen Männer gravierender betroffen sind. Eine Studie aus dem Jahr 2014 aus der USA zeigte sogar, dass Männer häufiger an der Grippe verstarben.2
Wirkt die Grippeimpfung bei Männern und Frauen unterschiedlich?
Die Impfung gegen Influenza kann jedes Jahr, bevorzugt im Herbst, durchgeführt werden. Der Grippeimpfstoff enthält tote Viren, also solche, die sich nicht mehr vermehren können, oder Teile von Viren. Auf die Impfung sollte das Immunsystem des Geimpften reagieren, indem es Antikörper, also Abwehrstoffe, gegen den gespritzten Stoff produziert. Bei einem anschließenden Kontakt mit dem lebendigen Influenzavirus ist das Immunsystem bereits gewappnet und weiß direkt, wie es reagieren soll.
Eine Studie aus dem Jahr 2013 zeigte, dass Frauen besser auf die Impfung ansprechen.3 Höhere Spiegel von Testosteron, dem Sexualhormon der Männer, wurden hingegen in Verbindung gebracht mit einer abgeschwächten Immunantwort auf die Impfung. Diese Immunantwort, bei der die Antikörper gegen Grippeviren gebildet werden, ist jedoch wesentlich dafür, dass die geimpfte Person vor der Grippe geschützt ist.
Testosteron scheint wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge immunsuppressiv zu wirken. Das bedeutet, dass ein höherer Blutspiegel des Hormons das Immunsystem abschwächt, wodurch es weniger stark auf Erreger reagiert.
Östrogen dagegen, das Sexualhormon der Frau, stimuliert das Immunsystem. Dieser Effekt ist bei Frauen vor allem im Zeitraum vor der Menopause (Wechseljahre) feststellbar. Nach der Menopause bekommen Frauen ihre Periode nicht mehr, die Produktion von Östrogen nimmt ab und damit auch die Stimulation des Immunsystems.
Haben Frauen ein besseres Immunsystem?
Die Studie zur Grippeimpfung lässt vermuten, dass Frauen zumindest vor der Menopause ein stärkeres Immunsystem haben könnten als Männer.
Auch eine weitere Studie aus dem Jahr 2015 scheint dies zu bestätigen und bezeichnet Frauen als "immunprivilegiert".4 Das weibliche Sexualhormon, Östrogen, nimmt stimulierenden Einfluss auf die Zellen der Immunabwehr, während Testosteron genau den gegenteiligen Effekt zu haben scheint.
Sind Männer wehleidiger?
Mit dem Begriff "Männergrippe" wird vor allem ein jammernder Mann mit schniefender Nase in Verbindung gebracht, der tagelang seine Erkältung auf dem Sofa auskuriert. 1998 zeigte eine Studie jedoch etwas Anderes.5
In dieser Studie wurde untersucht, ob Männer und Frauen ihren Hausarzt bei einer Erkältung aufsuchen, und wie sie sich verhalten, wenn sie krank sind. Entgegen dem Bild des wehleidigen Mannes zeigte sich, dass Frauen bei Erkältungssymptomen ihre Aktivitäten viel schneller als Männer reduzieren.
Ob Frauen nun vernünftig handeln, indem sie sich früher schonen und schnell auskurieren, oder ob sie, entgegen dem klischeehaften Bild der Männergrippe, möglicherweise wehleidiger sind als Männer, ist wohl eine Frage der Interpretation.
Dauert eine Erkältung bei Männern tatsächlich länger?
Eine weitere Studie untersuchte, wie lange eine virale Atemwegserkrankung beim jeweiligen Geschlecht andauert.6 Tatsächlich brauchen Männer laut dieser Studie im Durchschnitt doppelt so lange für die Genesung wie Frauen. Während die weiblichen Erkrankten nur eineinhalb Tage benötigten, um wieder gesund zu werden, benötigten die männlichen Teilnehmer drei Tage.
Auch diese Studie unterstützt demnach die Hypothese, dass Männer stärker und länger unter einer Erkältung leiden könnten als Frauen.
Mögliche Gründe für die Unterschiede
Die aufgeführten Studien lassen den Rückschluss zu, dass das Sexualhormon des Mannes schuld an längeren und schlimmer verlaufenden Erkältungen und Grippen sei. Dies muss jedoch nicht die einzige Erklärung für die gefundenen Unterschiede sein.
Eine Statistik zum weltweiten Tabakkonsum zeigt, dass mehr Männer als Frauen regelmäßig rauchen.7 Rauchen schädigt die Atemwege und ist damit ein eigenständiger Risikofaktor, weshalb bei Rauchern schlimmere und häufiger auftretende Atemwegserkrankungen zu beobachten sind als bei Nicht-Rauchern.
Laut einer weiteren Publikation sollen Männer bei Erkrankungen oder für vorsorgende Maßnahmen außerdem seltener zum Arzt gehen als Frauen.8 Frauen erfahren dadurch eine bessere medizinische Kontrolle, was sich positiv auf ihre Gesundheit auswirkt. Regelmäßige Check-Ups bewirken, dass mögliche Krankheiten gut therapiert werden. Schließlich ist nicht nur das Rauchen ein Risikofaktor für schlimmere Atemwegserkrankungen. Auch ein schlecht eingestellter Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) oder andere chronische Krankheiten können das Immunsystem schwächen und erhöhen so das Risiko für schlimmere Krankheitsverläufe.
Es ist also davon auszugehen, dass nicht nur die Geschlechtshormone für die gesundheitlichen Unterschieden zwischen Männern und Frauen verantwortlich sind.
Warum Männer bei Atemwegserkrankungen stärker leiden
Potenzielle gesundheitliche Probleme des männlichen Geschlechts lassen sich gemäß den Studienergebnissen auf die folgenden fünf Gründe zurückführen:
- Das Sexualhormon des Mannes wirkt immunsuppressiv, unterdrückt also die körpereigene Abwehr.
- Männer sind häufiger Raucher als Frauen, was Atemwegsinfektionen begünstigt.
- Männer gehen bei Erkrankungen seltener zum Arzt.
- Männer schonen sich beim Auftreten von Symptomen später als Frauen.
- Männer sprechen schlechter auf die Grippeimpfung an.
Fazit: Ist eine Erkältung bei Männern schlimmer als bei Frauen?
Die genannten Studien legen nahe, dass Männer im Durchschnitt ein schlechteres Immunsystem als Frauen haben. Ein gesundes Immunsystem ist aber nicht nur abhängig vom Geschlecht, sondern beispielsweise auch von der sportlichen Aktivität, einer ausgewogenen Ernährung und dem Verzicht auf gesundheitsschädigende Stoffe, wie das in Zigaretten enthaltene Nikotin.
Ob Männer wehleidiger sind als Frauen, ist ebenso individuell abhängig von den Charakterzügen der jeweiligen Person. Eine stärkere Wehleidigkeit der Männer lässt sich wissenschaftlich nicht bestätigen.
Außerdem lässt sich schwer beurteilen, ob ein Schnupfen bei Männern schlimmer ist als bei Frauen. Was sich jedoch sagen lässt, ist, dass Männer im Durchschnitt länger brauchen, um ihre Erkrankung auszukurieren und dass sie im Schnitt schwerere Verläufe bei Grippeerkrankungen erleiden können.
Diese Erkenntnisse deuten darauf hin, dass es sich bei der Männergrippe nicht nur um einen Mythos handeln könnte, sondern dass sich in Bezug auf Grippe und Erkältung tatsächlich Unterschiede zwischen den Geschlechtern zeigen.