Kugelzellenanämie (Sphärozytose)
Im Zuge der vermeintlichen Doping-Affäre der Eisschnellläuferin Claudia Pechstein ist eine Krankheit in den Mittelpunkt des Interesses gerückt, von der man sonst nicht sehr viel hört: Die Kugelzellanämie oder Sphärozytose, wie sie in der medizinischen Terminologie heißt. Wie ist die Erkrankung zu erklären, welche Beschwerden macht sie und wie lebt man mit ihr?
Was ist eine Kugelzellenanämie?
In Deutschland leiden rund 33.000 Menschen an dieser genetisch bedingten Erkrankung, die zu den hämolytischen Anämien gerechnet wird. Eine Anämie, sprich Butarmut, kann verschiedene Ursachen haben. Unter anderem kann ein vermehrter Abbau der roten Blutkörperchen (Erythrozyten), den man als Hämolyse bezeichnet, der Grund dafür sein. Die Erythrozyten besitzen normalerweise eine flach-konkave Form, bei der Kugelzellanämie sind sie – wie der Name schon sagt– kugelig geformt. Dies hat mit einem vererbbaren Membrandefekt der Erythrozytenwand zu tun, der eine erhöhte Durchlässigkeit für Natrium und Wasser bewirkt, was zum Anschwellen der Zellen führt.
Aufgrund dieser krankhaft veränderten, unflexiblen Form werden sie in der Milz abgefangen und vorzeitig abgebaut. Als Ausgleich dafür gelangen mehr junge Erythrozyten, die man Retikulozyten nennt, in die Blutbahn.
Die Erkrankung wird zumeist autosomal-dominant vererbt. Das bedeutet, dass die Erkrankung von einem kranken Elternteil an 50% der Kinder weitergegeben wird. Je nach Ausprägung der Symptome unterscheidet man 4 Schweregrade. Claudia Pechstein soll an einer milden Form der Erkrankung leiden.
Kugelzellenanämie: Symptome variabel
Die Symptome sind abhängig vom Ausmaß der Anämie, die durch die Neubildung der roten Blutkörperchen fast völlig kompensiert sein kann. In diesem Fall sind die Beschwerden kaum zu spüren. Es können aber auch die typischen Symptome einer Anämie in Erscheinung treten:
Blasse Schleimhäute, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Schwindel, Leistungsabfall und auch Herzkopfen und Atemnot. Die Milz ist vergrößert und fast immer tastbar. Durch den Abbau des roten Blutfarbstoffs, der in der Leber zu gelbem Gallenfarbstoff (Bilirubin) umgebaut wird, kann es immer wieder zu Gelbsucht kommen, wenn Bilirubin nicht ausreichend ausgeschieden werden kann. Auffällig ist die Neigung zu Gallensteinen, die auch schon im Jugendalter zu Beschwerden führen können.
Als Folge von Infektionen, vorallem mit Parovirus B 19, dem Erreger der Ringelröteln, kann der Abbau der Erythrozyten so enorm gesteigert sein, dass es zu einer hämolytischen Krise kommt. Die Symptome dafür sind: Fieber mit Schüttelfrost, Bauch- und Rückenschmerzen, Kreislaufschwäche bis hin zum Kollaps, Gelbsucht, Ausscheiden eines bierbraunen Urins und Kopfschmerzen.
Eine solche hämolytische Krise kann lebensbedrohlich werden, insbesondere wenn vom Knochenmark nicht genug junge Erythrozyten nachgeliefert werden können.
Zumeist charakteristische Familiengeschichte
Zur Diagnose führt die Familiengeschichte in Verbindung mit der Milzvergrößerung und laborchemischen Untersuchungen, durch welche die gesteigerte Hämolyse, die Kugelform der roten Blutkörperchen und deren verminderte osmotische Resistenz nachgewiesen werden können.
Milzentfernung als Behandlungsmethode
Die Therapie der Wahl in schweren und mittelschweren Fällen ist die Entfernung der Milz. Bei einer leichten Form ist diese Maßnahme meist nicht erforderlich. Die Kugelform der Erythrozyten bleibt nach dieser Maßnahme zwar bestehen, aber die Lebenszeit der roten Blutkörperchen normalisiert sich, da sie nicht mehr vorzeitig von der Milz abgebaut werden.
Als wichtiges Organ der Immunabwehr, wird die Milz bei Kindern unter 6 Jahren möglichst nicht entfernt. Bevor sie entfernt wird, muss gegen Pneumokokken und Haemophilus influenzae geimpft werden, um eine lebensgefährliche Infektion zu verhindern. Die teilweise Entfernung der Milz wird heute oft bevorzugt, da dann die Restmilz noch eine gewisse Abwehrfunktion übernehmen kann. Oftmals ist auch schon im Kindes- oder Jugendalter wegen Gallensteinen eine Entfernung der Gallenblase erforderlich.