Niereninsuffizienz: Symptome, Stadien & Therapie
Die beiden Nieren spielen eine große Rolle im Organismus, auch wenn sie mit ihren jeweils knapp 200 Gramm Gewicht und gut 10 Zentimetern Länge eher kleine Organe sind. Kommen sie ihrer Funktion, Abfallprodukte und Gifte auszuscheiden, nicht mehr ausreichend nach, resultieren daraus viele Beschwerden, die ohne Behandlung lebensgefährlich sein können. Verschlechtert sich der Zustand der Nieren langsam und unwiderruflich, spricht man von einer chronischen Niereninsuffizienz. Welche Symptome zeigen sich bei einer eingeschränkten Nierenfunktion, in welche Stadien wird die chronische Niereninsuffizienz unterteilt und welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Definition: Was ist eine Niereninsuffizienz?
Die Aufgaben der Nieren sind vielfältig – eine der wichtigsten ist, mit dem Urin stickstoffhaltige Stoffwechselendprodukte, überschüssige Mineralstoffe und giftige Substanzen auszuscheiden. Diese Stoffe werden als harnpflichtige Substanzen bezeichnet. Erkrankt das Nierengewebe, ist diese Fähigkeit eingeschränkt, die Stoffe sammeln sich im Organismus an und vergiften diesen. Außerdem kommt es zu einer Überwässerung des Körpers.
Solch eine Nierenkrankheit kann entweder plötzlich auftreten (akutes Nierenversagen) oder sich über einen längeren Zeitraum nach und nach verschlimmern (chronische Niereninsuffizienz). Da bei der letzteren Form das gesunde Nierengewebe lange Zeit die Aufgaben des erkrankten Teils mit übernehmen kann, wird die Krankheit häufig zufällig oder erst in einem späten Stadium entdeckt. Eine chronische Niereninsuffizienz wird auch als CKD (vom Englischen "Chronic Kidney Disease") bezeichnet.
Dieser Artikel beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der chronischen Form der Niereninsuffizienz. Weitere Informationen zum akuten Nierenversagen finden Sie hier.
Ursachen der chronischen Niereninsuffizienz
Der chronischen Niereninsuffizienz liegt in den meisten Fällen eine Nierenschädigung als Folge eines langjährigen Diabetes mellitus zugrunde (diabetische Nephropathie). In Deutschland ist dies bei etwa 30 bis 40 Prozent der Betroffenen mit chronischer Niereninsuffizienz der Fall.
Weitere häufige Ursachen für eine chronische Nierenschwäche sind eine hypertensive Nephropathie, also ein chronisches Nierenversagen durch langsame Schädigung der Blutgefäße bei Bluthochdruck (Hypertonie), sowie Zystennieren (autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung), bei denen es – wie der Name schon sagt – zur Entstehung von zahlreichen Zysten in den Nieren kommt.
Bei jüngeren Patient*innen steckt besonders häufig eine Entzündung der Nierenkörperchen (Glomerulonephritis) hinter der Erkrankung.
Seltenere Auslöser sind unter anderem Nierensteine, Entzündungen des Nierenbeckens oder der Harnwege oder der Missbrauch bestimmter Schmerzmittel (insbesondere Phenacetin).
Tipps zur Ernährung bei Niereninsuffizienz
Häufigkeit: Wer ist betroffen?
Im Jahr 2016 gab es in Deutschland etwa zwei Millionen Menschen mit eingeschränkter Nierenfunktion. Etwa 80.000 davon wurden als Dialysepatient*innen behandelt, knapp 25.000 mit einer Nierentransplantation. Frauen leiden häufiger an Nierenerkrankungen als Männer.
Chronische Niereninsuffizienz: Symptome
Eine chronische Niereninsuffizienz entwickelt sich langsam und kann fünf verschiedene Krankheitsstadien durchlaufen. Solange die Nieren den Funktionsausfall von Teilbereichen kompensieren können, sind häufig keine Symptome vorhanden, mitunter ist nur vermehrtes nächtliches Wasserlassen ein mögliches Anzeichen. Die Veränderungen lassen sich zu diesem Zeitpunkt allerdings bereits im Labor nachweisen. Dieses Krankheitsstadium kann mehrere Jahre andauern. Mit fortschreitender Verschlechterung der Nierenfunktion (etwa ab Stadium 3) kommt es dann oft zu einem Leistungsknick und Unwohlsein.
Die zunehmende Zerstörung des Nierengewebes führt schließlich durch die überschüssigen Mineralstoffe, die zurückgehaltenen Abfall- und Stoffwechselendprodukte und das eingelagerte Wasser zu immer stärkeren Beschwerden an verschiedenen Organen. Deshalb können die Symptome auch äußerst unterschiedlich sein.
Mögliche Anzeichen sind unter anderem:
- Herzrhythmusstörungen
- Bluthochdruck
- Juckreiz
- gelblich-braune Verfärbung der Haut
- Atem und Schweiß riechen nach Urin
- erhöhte Neigung zu Knochenbrüchen
- Konzentrationsstörungen
- Kopfschmerzen
- Krämpfe
- Durchfall
- Übelkeit und Erbrechen
- Wassereinlagerungen in Beinen und Gesicht
In den beiden letzten Stadien kann es bei einer Harnvergiftung (Urämie) auch zu schweren Störungen des Nervensystems wie Krampfanfällen, Verwirrtheit und Bewusstlosigkeit bis hin zum Koma kommen. Mehr zu den unterschiedlichen Stadien der chronischen Niereninsuffizienz lesen Sie im Folgenden.
Niereninsuffizienz: Welche Stadien gibt es?
Die chronische Niereninsuffizienz wird in fünf Stadien unterteilt. Als Kriterien für die Einteilung dienen dabei das Vorhandensein von Proteinen, speziell Albumin, im Urin (Proteinurie) sowie die glomeruläre Filtrationsrate (GFR). Glomeruli sind Bestandteile des Nierengewebes. Die GFR gibt an, wie viel Volumen an Flüssigkeit pro Zeiteinheit durch die Glomeruli gefiltert wird, also wie gut die Filterfunktion der Niere noch ist.
Stadium 1
Der GFR-Wert liegt unter 90, die Nierenfunktion ist normal, es kann jedoch schon eine Proteinurie nachgewiesen werden. Symptome treten in der Regel noch nicht auf.
Stadium 2
Der gemessene GFR-Wert liegt zwischen 60 und 89, die Nieren sind von einer milden Einschränkung ihrer Funktion betroffen. Die gemessenen Werte an Kreatinin steigen, der Blutdruck ist häufig erhöht.
Stadium 3
Der GFR-Wert liegt bei 30 bis 59, die Funktion der Nieren ist moderat eingeschränkt. Die Nieren produzieren das Hormon Erythropoetin in geringerem Ausmaß. Dieses regt die Blutbildung an. In der Folge kommt es zur Entstehung einer Blutarmut (Anämie) sowie zu ersten Auswirkungen auf den Vitamin- und Mineralstoffhaushalt. Die Calciumwerte sinken, die Phosphatwerte steigen. Um den Mangel auszugleichen, wird den Knochen Calcium entzogen, die Gefahr von Knochenbrüchen steigt. Müdigkeit und Erschöpfung können auftreten.
Stadium 4
Der GFR-Wert liegt zwischen 15 und 29. Die Nieren sind stark in ihrer Funktion eingeschränkt. Der Säure-Basen-Haushalt des Körpers wird nicht mehr ausreichend reguliert, der Stoffwechsel übersäuert. Unbehandelt kann das Blut übersäuern (Azidose), was zu Verwirrtheit, verstärkter Atmung und schließlich zum Koma führen kann. Proteine aus den Muskeln werden abgebaut, die Menge des ausgeschiedenen Urins nimmt ab.
Stadium 5
Das Stadium wird auch als terminale Niereninsuffizienz bezeichnet. Der GFR-Wert liegt unter 15. Es droht ein vollständiges Nierenversagen, eine Dialyse muss eingeleitet werden.
Wie wird die Diagnose einer chronischen Niereninsuffizienz gestellt?
Neben den auftretenden Beschwerden liefern die Nierenwerte im Blut zentrale Hinweise zum Stellen der Diagnose. Zu den wichtigen Werten, die über Blut und Urin erhoben werden, gehören der GFR-Wert, die Elektrolyt-Werte, der Harnstoff- und Kreatininwert sowie die Proteinwerte im Urin.
Um das Vorhandensein von Wassereinlagerung zu prüfen, können Ein- und Ausfuhr bilanziert werden (das heißt, die zugeführte Flüssigkeit und die ausgeschiedene Menge an Urin wird dokumentiert und das Körpergewicht täglich gemessen).
Daneben werden Ultraschalluntersuchungen durchgeführt, um Gewebeveränderungen an den Nieren oder auch krankhafte Veränderungen an den Harnwegen feststellen zu können. In manchen Fällen kann auch die Entnahme von Nierengewebe (Nierenbiopsie) notwendig sein. Weitere Tests richten sich nach der Symptomatik und der vermuteten Grunderkrankung, die die Niereninsuffizienz ausgelöst hat.
Behandlung: Welche Therapie gibt es?
Bei der chronischen Nierenschwäche, die immer mit einem unumkehrbaren Gewebeverlust einhergeht, stehen in den ersten zwei Stadien die Behandlung der Grunderkrankung (zum Beispiel eine gute Einstellung des Diabetes oder des Bluthochdrucks, das Entfernen von Nierensteinen und so weiter) und eine Umstellung der Ernährung im Vordergrund.
In Stadium 3 und 4 werden oftmals zusätzlich harntreibende Mittel (Diuretika) verordnet sowie Medikamente, um den Knochenveränderungen entgegenzuwirken. Gegen die Blutarmut wird das fehlende Hormon Erythropoetin verabreicht.
Im Stadium 5 muss sich die betroffene Person einer lebenslangen Dialyse (Nierenersatztherapie) oder einer Nierentransplantation unterziehen, bei der eine Spenderniere eingesetzt wird. Sind bereits Organe in Mitleidenschaft gezogen, sind die Wassereinlagerungen zu stark oder der Blutdruck durch Medikamente und geänderte Lebensweise nicht mehr regulierbar, kann auch schon in Stadium 4 eine Dialyse notwendig sein.
Wichtig zu wissen ist, dass viele – auch nicht verschreibungspflichtige – Medikamente über die Niere ausgeschieden werden, weshalb deren Dosis nach ärztlicher Absprache möglichst reduziert werden muss. Auch bei Selbstmedikation sollte immer ärztlicher Rat gesucht werden.
Erkrankte müssen auf Ernährung achten
Um die Dialyse bei einem chronischen Nierenversagen möglichst lange hinauszuzögern, ist die Mitarbeit der Betroffenen von großer Bedeutung. Sehr wichtig ist der enge und regelmäßige Kontakt zum*zur behandelnden Arzt*Ärztin, am besten in einer spezialisierten Praxis für Nephrologie. Auch das Einhalten der eiweiß-, phosphat- und kaliumarmen, kalziumreichen Diät ist bedeutsam, um einer Verschlechterung der Nierenfunktion entgegenzuwirken.
Lebenserwartung bei chronischer Niereninsuffizienz
Eine Prognose über die Lebenserwartung abzugeben, ist bei der Niereninsuffizienz, wie bei den meisten anderen Erkrankungen auch, sehr schwierig, da viele individuelle Faktoren den Krankheitsverlauf beeinträchtigen können.
Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die Lebenserwartung neben dem Stadium der Erkrankung insbesondere von der Ursache beeinflusst wird, die die Nierenschwäche ausgelöst hat. Vor allem Diabetes mellitus sowie Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems können die Lebenserwartung herabsetzen und zu Schlaganfällen oder Herzinfarkten führen.
Deshalb ist es von äußerster Wichtigkeit, neben einer möglichst frühen Therapie der Niereninsuffizienz in einer nephrologischen Praxis auch begleitende Erkrankungen zu behandeln und beispielsweise einen hohen Blutdruck zu normalisieren.