Bipolare Störung – Ursachen, Symptome und Behandlung
Die bipolare affektive Störung zählt zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Trotzdem dauert es oftmals Jahre, bis Betroffene die entsprechende Diagnose erhalten und eine passende Therapie eingeleitet werden kann. Dabei ist gerade eine rasche und engmaschige Behandlung wesentlich, um den Leidensdruck zu reduzieren und den Krankheitsverlauf stabil zu halten. Welche Symptome in den verschiedenen Phasen auftreten können sowie Wissenswertes über Ursachen, Verlauf und Therapie einer bipolaren Störung lesen Sie hier.
Was ist eine bipolare Störung?
Die bipolare Störung (Englisch: bipolar disorder) beziehungsweise bipolare affektive Störung wird veraltet auch oft als manisch-depressive Erkrankung bezeichnet. Was bedeutet bipolar in diesem Zusammenhang?
Vereinfacht ausgedrückt kann die bipolare Störung als psychische Erkrankung beschrieben werden, die zwischen zwei Extremen pendelt: Depression und Manie. Zwischen diesen beiden Polen schwankt die Stimmung in übersteigerter Form.
Dies betrifft aber keineswegs nur die Stimmung, sondern auch Denken, Handeln, Fühlen sowie die körperliche Befindlichkeit. Damit nimmt die bipolare Störung Einfluss auf das gesamte Leben und ist gemeinhin mit starkem Leidensdruck verbunden. Sie ist sowohl in Stärke und Abfolge der Episoden als auch im allgemeinen Verlauf individuell unterschiedlich ausgeprägt. In Krankheitsphasen sind zwischenmenschliche Beziehungen – allen voran Liebesbeziehungen – oftmals stark belastet. Das bedeutet natürlich keinesfalls, dass Betroffene beziehungsunfähig sind, wie fälschlicherweise oftmals angenommen wird.
Definition
Die bipolare affektive Störung ist eine schwere psychische Erkrankung, die chronisch verläuft und durch wechselnde manische und depressive Episoden gekennzeichnet ist. Es handelt sich nicht – wie fälschlicherweise manchmal angenommen – um eine Persönlichkeitsstörung. Die bipolare Störung zählt zu den Affektstörungen.
Wissenswertes über eine bipolare Störung
Bipolare Störung: Daten und Fakten
Die bipolare affektive Störung zählt zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Deutschlandweit schätzt man die Zahl der Betroffenen auf etwa ein bis drei Prozent. Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen.
Die bipolare Störung tritt meist im frühen Erwachsenenalter erstmals auf, wird aber oftmals nicht gleich erkannt. Nicht selten leiden Betroffene auch an weiteren psychischen Krankheiten wie Angst- oder Zwangsstörungen, Suchterkrankungen, Essstörungen oder Persönlichkeitsstörungen.
Das Selbstmordrisiko ist bei Menschen mit einer bipolaren Störung mindestens 15-mal höher als beim Bevölkerungsdurchschnitt. Statistiken zufolge reduziert eine bipolare Störung die Lebenserwartung um etwa neun bis 20 Jahre.
Ursachen: Woher kommt eine bipolare Störung?
Wie bei anderen psychischen Erkrankungen geht man auch bei der bipolaren Störung von einem multifaktoriellen Geschehen als Ursache aus, also einem Zusammenspiel mehrerer Ursachen.
Familien- und Zwillingsforschungen lassen darauf schließen, dass die Störung vererbbar ist. Verwandte ersten Grades von Betroffenen erkranken ungleich häufiger. Ist ein Elternteil betroffen, steigt die Wahrscheinlichkeit auf zehn bis 20 Prozent an. Sind beide Elternteile betroffen, liegt das Risiko, an einer bipolaren Störung zu erkranken, bei 50 bis 60 Prozent. Neben genetischen Faktoren kommen auch biologische Faktoren zum Tragen. Hier spielt vor allem ein Ungleichgewicht chemischer Botenstoffe im Gehirn eine Rolle.
Nicht zuletzt begünstigen Umwelteinflüsse die Entstehung einer bipolaren Störung. Häufig liegen solche Ursachen in der Kindheit, können jedoch in jedem Lebensalter auftreten. Klassische belastende Erfahrungen sind allgemeine traumatische Erlebnisse, Verlusterlebnisse, Missbrauchserfahrungen, Gewalt oder andauernder Stress. Zudem triggern auch schwere Depressionen im Kindes- und Jugendalter die Entstehung einer bipolaren Störung.
Zusammenfassend können folgende Ursachen und Risikofaktoren eine bipolare Störung begünstigen:
- genetische Disposition
- biologische Faktoren (Störungen im Neurotransmitterhaushalt)
- Umwelteinflüsse (zum Beispiel Stress, Traumata oder Verlusterlebnisse)
- schwere Depression im Kindes- und Jugendalter
Wie äußert sich eine bipolare Störung?
Da bei der bipolaren Störung manische und depressive Phasen wechseln, zeigen sich Symptome bei betroffenen Frauen und Männern entsprechend vielseitig. Hinzu kommt, dass je nach Verlauf auch Mischformen (gemischte Episoden) sowie hypomanische Episoden (schwächer ausgeprägte Manie) möglich sind.
Kennzeichnend für die manische Phase sind ein übersteigertes und euphorisches Hochgefühl sowie erhöhte Leistungsfähigkeit, gesteigerte Aktivität und vermindertes Schlafbedürfnis. Die Stimmung kann durchaus auch gereizt und unruhig anmuten. Zudem kommt es zu Konzentrationsproblemen, gesteigerter Gesprächigkeit und Geselligkeit. Distanzlosigkeit sowie erhöhtes sexuelles Interesse sind ebenso Anzeichen einer manischen Episode wie erhöhte Kreativität. Nicht zuletzt sind während manischer Phasen häufig Sprunghaftigkeit, Enthemmung und Realitätsverlust zu beobachten. Mitunter kommt es dabei zur Selbstüberschätzung sowie riskantem oder rücksichtslosem Verhalten.
Bei schweren Manien kann auch psychotisches Geschehen wie Stimmenhören, Verfolgungswahn oder Größenwahn auftreten (manische Psychose). Weil Betroffene manische Phasen als durchaus angenehm empfinden, ist die Krankheitseinsicht in diesen Phasen kaum ausgeprägt.
Die depressive Episode gleicht in ihrer Symptomatik einer klinischen Depression. Es kommt zur Reduktion des Antriebes sowie einer Verflachung von Affekten (Gemütsbewegungen). Gedrückte Stimmung, Verlust von Lebensfreude sowie Interessenlosigkeit sind klassische Anzeichen der depressiven Phase. Auch eine Verminderung der Libido kann beobachtet werden. Schlafstörungen, Konzentrationsprobleme sowie Reduktion von Selbstwert und Selbstbewusstsein sind ebenso Symptome der depressiven Episode. Nicht zuletzt ist eine erhöhte Suizidalität zu beobachten.
Bipolare affektive Störung: Symptome im Überblick
Diese Anzeichen sind typisch für eine manische Episode:
- Euphorie, gesteigerte Leistungsfähigkeit und Schöpfungskraft (Kreativität)
- vermindertes Schlafbedürfnis
- Unruhe und Gereiztheit, auch Sprunghaftigkeit
- verstärkter Gedankenfluss und Gedankensprünge
- Rededrang, vermehrte Gesprächigkeit
- Distanzlosigkeit, rücksichtsloses Verhalten
- verstärkter Sexualtrieb (Libido)
- Enthemmung, Realitätsverlust, riskantes Verhalten
- gesteigerter Selbstwert
- psychotisches Geschehen (etwa Größenwahn, Stimmenhören oder Verfolgungswahn)
Folgende Symptome können in einer depressiven Episode auftreten:
- Antriebslosigkeit und Interessenlosigkeit
- Traurigkeit, Verlust von Lebensfreude
- anhaltendes Grübeln, Pessimismus
- Konzentrationsstörungen und vermindertes Leistungsvermögen
- Schlafstörungen (Durchschlafstörungen, vermehrtes Bedürfnis nach Schlaf)
- Appetitstörungen
- Verminderung von Selbstwert und Selbstbewusstsein
- Schuldgefühle, Gefühle von Scham und Wertlosigkeit
- erhöhte Suizidalität
Wie verläuft eine bipolare Störung?
Das Krankheitsbild der bipolaren affektiven Störung ist nicht einheitlich, sondern individuell verschieden. Es gibt Phasen – manische beziehungsweise depressive Episoden – die sich abwechseln, in manchen Fällen aber auch gemeinsam auftreten (gemischte Phase). Auch rasche Abfolgen mit mindestens vier Stimmungswechseln pro Jahr sind möglich (Rapid Cycling), im seltenen Extremfall kann es auch innerhalb von wenigen Stunden zu Stimmungsschwankungen kommen. Tendenziell überwiegen depressive Krankheitsphasen.
Die Dauer der Episoden variiert zwischen einigen Tagen, Wochen oder Monaten, selten auch Jahren. Unbehandelt kann man von einer durchschnittlichen Krankheitsepisode von vier bis zwölf Monaten ausgehen. Zwischen den Episoden liegen beschwerdefreie Zeiten, die durchaus auch Jahre andauern können.
Entsprechend der Ausprägung der Krankheitsepisoden unterteilt man die Erkrankung in Bipolare Störung Typ 1 sowie Bipolare Störung Typ 2. Bei der Bipolar-I-Störung wechseln depressive und manische Episoden, während bei der Bipolar-II-Störung depressive und hypomanische Episoden wechseln. Die Hypomanie ist von der Symptomatik her deutlich schwächer ausgeprägt als die Manie.
Frühwarnzeichen: Wie erkenne ich, ob jemand bipolar ist?
Je früher die bipolare Störung erkannt und behandelt wird, desto besser die Prognose. Es gibt Frühwarnzeichen, die auf eine nahende manische oder depressive Episode schließen lassen. Eine gute Selbstwahrnehmung ist wesentlich, um frühzeitig entgegenzuwirken. Doch Angehörigen kommt ebenso große Bedeutung zu, wenn es darum geht, Wesensveränderungen rasch wahrzunehmen und anzusprechen.
Frühwarnzeichen sind meist eine abgemilderte Form der generellen Symptomatik. Je nachdem, ob eine manische oder eine depressive Phase bevorsteht, zeigen sich die ersten Anzeichen also zunächst in einer leichten Ausprägung.
Bipolare affektive Störung: Diagnose
Die Diagnosestellung erfolgt durch eine*n Fachärztin*Facharzt für Psychiatrie. Neben der Anamnese (Gespräch über Symptome sowie medizinische und familiäre Vorgeschichte) sind körperliche sowie neurologische Untersuchungen notwendig, um die bipolare Störung von anderen Erkrankungen abzugrenzen. Organische Ursachen, eine alleinige Depression, andere psychische Krankheiten wie Schizophrenie oder Borderline sowie Nebenwirkungen von Medikamenten müssen ausgeschlossen werden.
Die Diagnose erfolgt anhand der Anamnese, einer Ausschlussdiagnostik sowie dem Vorhandensein bestimmter Kriterien beziehungsweise Symptome. Vereinfacht ausgedrückt müssen jeweils zumindest eine manische sowie eine depressive Episode vorhanden (gewesen) sein. Zeitliche Aspekte sind ebenso relevant wie eine gewisse Anzahl von Symptomen. Ergänzend kann ein Fragebogen für Patient*innen und Familienangehörige herangezogen werden. Einen einfachen Test gibt es also nicht. Selbsttests zur Diagnosestellung sind auch deshalb nicht zielführend, weil manisches Geschehen von Betroffenen in der Regel nicht als krankhaft wahrgenommen wird.
Wie wird die bipolare Störung behandelt?
Bei der bipolaren affektiven Störung lässt sich die Behandlung in Akuttherapie, Erhaltungstherapie sowie Phasenprophylaxe gliedern. Während bei der Akuttherapie die rasche Linderung vorherrschender depressiver und manischer Symptome im Zentrum steht und die Erhaltungstherapie der anschließenden Stabilisierung dient, zielt die Phasenprophylaxe darauf ab, Episoden langfristig zu verhindern beziehungsweise zu verkürzen und so die Lebensqualität zu steigern.
Neben dem Einsatz von Medikamenten sowie Psychotherapie als wesentliche Säulen der Therapie einer bipolaren Störung, gibt es eine Reihe weiterer Behandlungsansätze, die zur Linderung der Beschwerden beitragen können.
Medikamentöse Therapie
In allen Phasen der Therapie werden Stimmungsstabilisierer (Phasenprophylaktika) angewendet. Sie begleiten demnach Akuttherapie, Erhaltungstherapie sowie Prophylaxe. Neben Lithium kommen hier Antiepileptika sowie Neuroleptika zum Einsatz. Reichen Stimmungsstabilisierer während akuter Episoden nicht aus, kommen zusätzlich Interventionsmedikamente zum Einsatz. Neben Neuroleptika und Antidepressiva sind das Hypnotika sowie Sedativa.
Psychotherapie
Begleitend und ergänzend zur medikamentösen Behandlung der bipolaren affektiven Störung ist eine Psychotherapie unerlässlich. Im Rahmen regelmäßiger Therapiegespräche stehen Krankheitseinsicht und Umgang mit der Erkrankung im Zentrum. Auslöser zu erkennen und rechtzeitig entgegenzusteuern ist ein wichtiger Aspekt, wenn es um Prophylaxe geht. Psychoedukation sowie Verhaltenstherapie sind gängige Methoden in der Therapie bipolarer Störungen.
Weitere Behandlungsansätze
Neben Medikamenten und Psychotherapie profitieren Betroffene oftmals auch von alternativen Ansätzen. Als solche sind etwa Lichttherapie, Wachtherapie, Elektrokrampftherapie, Musiktherapie, Ergotherapie sowie bestimmte Entspannungsmethoden zu nennen. Auch regelmäßige sportliche Betätigung wird als hilfreich erlebt. Der Austausch in Selbsthilfegruppen kann darüber hinaus ebenfalls positiv wirken.
Ist die bipolare Störung heilbar?
Eine frühzeitige Diagnose und Therapie der bipolaren Störung begünstigen Prognose und Verlauf deutlich. Dennoch ist es wesentlich, dass Betroffene sowie Angehörige verinnerlichen, dass die bipolare affektive Störung als Erkrankung nicht heilbar ist. Dank fortwährender Behandlung kann man sie aber gut stabilisieren und reduziert damit den Leidensdruck deutlich. Das führt zu mehr Lebensqualität und einer guten Zukunftsperspektive.