Mann mit posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS)
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PTBS: Symptome & Hilfe bei der posttraumatischen Belastungsstörung

Von: Dagmar Reiche (Ärztin und Medizinautorin), Jasmin Rauch (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 08.02.2023

Weltweit werden Menschen immer wieder mit extrem belastenden Ereignissen konfrontiert. Besonders prägnant sind dabei Situationen wie ein Krieg oder Bürgerkrieg. Dabei taucht immer wieder der Begriff posttraumatische Belastungsstörung, kurz PTBS auf: Soldat*innen, die bei ihrer Rückkehr psychisch krank sind, oder auch Einheimische, die dem Krieg nicht nur körperlich, sondern auch seelisch verletzt entfliehen. Doch auch andere extrem belastende Ereignisse, wie ein Unfall oder Missbrauch, können psychische Spuren hinterlassen. Welche Symptome zeigen sich bei einer PTBS, welche Möglichkeiten zur Behandlung und zur Selbsthilfe existieren und kann man die Erkrankung heilen?

Was ist eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)?

Bei einer posttraumatischen Belastungsstörung handelt es sich um eine psychische Erkrankung, die als zeitlich verzögerte Reaktion auf ein traumatisches Erlebnis auftritt. In der Regel kommt es innerhalb von sechs Monaten nach dem auslösenden Ereignis zu den ersten psychischen Beschwerden. Laut Definition gehört die PTBS damit zu den sogenannten "spezifischen Traumafolgestörungen". Bestehen die Symptome länger als drei Monate, spricht man von einer chronischen Form.

Von der PTBS können die akute Belastungsreaktion und die komplexe posttraumatische Belastungsstörung abgegrenzt werden.

Die akute Belastungsreaktion (Englisch: stress reaction) ist eine natürliche Reaktion auf eine nicht-normale Situation. Es handelt sich dabei um eine vorübergehende Phase, in der Körper und Seele auf ungewöhnliche, schwere körperliche und psychische Belastungen (Trauma) reagieren. Im Gegensatz zur PTBS tritt die akute Belastungsreaktion direkt nach dem belastenden Ereignis auf. Die Symptome halten dafür aber deutlich kürzer an. Meist lassen sie nach einigen Stunden allmählich wieder nach und klingen innerhalb von drei Tagen ganz ab. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird eine akute Belastungsreaktion meist als "Nervenzusammenbruch" bezeichnet.

Eine Sonderform der PTBS ist die komplexe posttraumatische Belastungsstörung (KPTBS) auch "Disorders of Extreme Stress Not Otherwise Specified" ("Störungen aufgrund von extremem Stress, die nicht andersartig spezifiziert wurden"), kurz DESNOS, genannt. Die KPTBS entsteht infolge von langandauernden traumatischen Situationen, wie einer Missbrauchsphase in der Kindheit oder einer Entführung. Die Symptome sind weitreichender als bei der PTBS.

PTBS erklärt

Ursachen der posttraumatischen Belastungsstörung

Auslöser für eine PTBS sind immer traumatische Ereignisse. Dazu gehören zum Beispiel selbst oder als Zeuge*Zeugin oder Helfer*in erlebte Vorfälle wie ein Unfall, sexuelle Gewalt oder ein anderes Gewaltverbrechen, eine Naturkatastrophe oder der Verlust einer wichtigen Bezugsperson. Aber auch als Reaktion auf eine schwere körperliche Störung wie einen Herzinfarkt oder eine Krebserkrankung kann eine Traumatisierung und dadurch auch eine PTBS auftreten.

Die psychische Störung ist vergleichsweise selten, was bedeutet, dass die meisten Menschen auch ein schwer belastendes Ereignis ohne Folgeschäden überstehen. Ein erhöhtes Risiko, eine posttraumatische Belastungsstörung zu entwickeln, haben Menschen, die bereits zuvor an einer psychischen Störung wie beispielsweise einer Depression oder Angsterkrankung gelitten haben und Betroffene, bei denen das Trauma auch mit körperlichen Verletzungen einhergeht.

Symptome der PTBS

Typisch für eine posttraumatische Belastungsstörung ist, dass die betroffene Person die traumatische Situation immer und immer wieder erlebt – in Form von Albträumen, Erinnerungsfetzen bis zum Gefühl, sich wieder in diesem Geschehen zu befinden und alle psychischen und körperlichen Beschwerden wie Entsetzen, tiefe Verzweiflung, (Todes-)Angst und Hilflosigkeit erneut durchzumachen.

Letztgenannten Zustand bezeichnet man als "Flashback". Dieser kann durch ähnliche Situationen oder aber einzelne, an sich harmlose Reize ("Trigger") ausgelöst werden. Dazu zählen beispielsweise ein Geruch, eine bestimmte Formulierung, ein Kleidungsstück, ein Fernsehbericht oder ein Türknallen.

Folgende Symptome und Verhaltensweisen sind darüber hinaus für eine PTBS kennzeichnend:

  • Die erkrankte Person meidet zunehmend Situationen, Gedanken, Orte und Menschen, die "Flashbacks" auslösen, oft mit der Folge, dass sie sich mehr und mehr auch aus dem normalen Alltagsleben zurückzieht.
  • Auf der anderen Seite stumpft die normale Reaktionsfähigkeit zunehmend ab, die betroffene Person kann sich an wichtige Aspekte des auslösenden Ereignisses nicht erinnern, ihr Interesse an Tätigkeiten und Mitmenschen erlahmt. Man fühlt sich von seiner Umwelt distanziert, ist in seinen Gemütsreaktionen gedämpft – kann sich weder richtig freuen noch richtig trauern. Die Zukunft erscheint oft bedrohlich oder "überschattet".
  • Zudem befindet sich die betroffene Person in einem ständigen Zustand der Übererregung: Sie ist sehr schreckhaft und reizbar und neigt zu Wutausbrüchen, ist häufig innerlich unruhig und "überwach", hat Einschlaf- und Durchschlafstörungen und kann sich nur schlecht konzentrieren. Viele Reflexe und die Mandelkerne (Amygdala) im Gehirn, eine empfindliche Alarmanlage für unsere Wahrnehmung und die damit verknüpften Gefühle, sind dauerhaft überaktiviert.
  • Diese "Fluchtsituation" spiegelt sich zudem auch in den Körperfunktionen – so sind manche Hormone wie CRH, Adrenalin und Noradrenalin erhöht, andere wie Cortisol vermindert.

Die genannten Symptome wirken sich stark auf das zwischenmenschliche Zusammenleben aus. Personen mit PTBS haben häufig Probleme mit engen Kontaktpersonen, wie dem*der Partner*in. Auch Schwierigkeiten am Arbeitsplatz können auftreten.

Weiterreichende Symptome bei komplexer PTBS

Bei einer Komplexen PTBS treten ebenfalls die oben genannten Symptome auf. Zusätzlich kommen folgende Beschwerden hinzu:

  • gestörtes Affektverhalten und mangelnde Impulskontrolle: Dies zeigt sich beispielsweise in Form von gewaltsamen Wutausbrüchen oder Selbstverletzung.
  • stark eingeschränktes Selbstwertgefühl: Schuldgefühle, Minderwertigkeitskomplexe und Selbsthass spielen bei der KPTBS eine wichtige Rolle.
  • starke Probleme in zwischenmenschlichen Beziehungen: Noch deutlicher als bei der PTBS werden zwischenmenschliche Beziehungen beeinträchtigt. Die an KPTBS erkrankte Person begegnet anderen häufig mit starkem Misstrauen, eigene Grenzen und die anderer werden häufig nicht richtig wahrgenommen.

PTBS: eingeschränkter Lebensalltag als Folge

Aufgrund der beschriebenen Symptomatik ist die Lebensführung bei Erkrankten deutlich beeinträchtigt. Viele der Betroffenen entwickeln Depressionen oder psychosomatische Erkrankungen wie Schmerzsyndrome und versuchen, ihre Ängste mit Alkohol oder anderen Drogen zu betäuben.

Die Gefühle des Ausgeliefertseins und der Hilflosigkeit, der Unfähigkeit, das Erlebte zu verarbeiten und selbst etwas gegen die Situation tun zu können, aber auch diffuse Schuldgefühle machen den Betroffenen besonders zu schaffen – nicht zuletzt ist die Selbsttötungsrate wohl auch deshalb erhöht.

Diagnose von PTBS

Besteht der Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung, kann der*die Hausarzt*Hausärztin die erste Anlaufstelle sein. Im Rahmen dieses Termins sollten auch körperliche Ursachen abgeklärt werden, die gegebenenfalls für die Beschwerden infrage kommen. Dazu gehören beispielsweise Kopfverletzungen oder neurologische Krankheiten. Bei Bedarf erfolgt dann eine Überweisung an eine psychotherapeutische Praxis.

Generell spielt das Anamnese-Gespräch eine wichtige Rolle bei der Diagnose. Dadurch können nicht nur die Symptome, sondern auch belastende Ereignisse aus der Vergangenheit und damit mögliche Auslöser festgestellt werden. Zum Teil werden zur Diagnose von PTBS standardisierte Tests und Interviewfragen eingesetzt.

Diagnose von PTBS nach ICD-10-Kriterien

Auch in der zur Einordnung von Erkrankungen genutzten internationalen Klassifikation von Krankheiten ("International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems", kurz ICD) sind Vorgaben zur Diagnose einer PTBS enthalten:

  1. Die betroffene Person hat ein traumatisches Erlebnis erlitten.
  2. Die belastende Situation wird immer wieder durchlebt, beispielsweise in Form von Albträumen oder Flashbacks.
  3. Seit Erleben des Traumas werden bestimmte Situationen gemieden, die damit in Zusammenhang gebracht werden (beispielsweise Autofahren).
  4. Die betroffene Person weist Lücken in der Erinnerung an die traumatisierende Situation auf und/oder sie leidet an Symptomen einer erhöhten psychischen Erregung (beispielsweise Wutanfälle, Schlafstörungen)

Therapie der PTBS

Bei der PTBS sollte auf jeden Fall eine Therapie erfolgen, damit wieder in ein normales Leben zurückgefunden werden kann.

Bei großen Katastrophen und Unfällen stehen häufig psychologisch geschulte Ersthelfer*innen zur Verfügung, die die Betroffenen unterstützen, mit ihnen sprechen und ihnen auch durch Informationen und Beratung dabei helfen, die akute Situation zu bewältigen. Dies kann eine erste Hilfe sein.

Generell ruht die Behandlung der PTBS als sogenannte Traumatherapie aber auf zwei Säulen: der Psychotherapie und der medikamentösen Behandlung.

Traumafokussierte Psychotherapie

Die Psychotherapie zielt darauf ab, sich an die auslösende Situation zu erinnern, sie so zu verarbeiten und als zur eigenen Biografie zugehörig zu akzeptieren. Dazu stehen Einzel- und Gruppentherapieverfahren, ambulante Kriseninterventionen und stationäre (Kurzzeit-)Aufenthalte zur Verfügung.

Bei länger bestehender PTBS kommt vor allem die traumafokussierte kognitive Verhaltenstherapie bei speziell geschulten Therapeut*innen oder in spezialisierten Einrichtungen zum Einsatz. Eine häufig angewandte Methode ist beispielsweise die Prolongierte Exposition ("Prolonged Exposure Therapy", kurz PE). Dabei versetzt sich die betroffene Person in Gedanken zurück in die traumatische Situation und durchlebt diese erneut. Die Sitzung wird dabei auf Tonband aufgezeichnet. Durch wiederholtes Abspielen dieser Aufzeichnung nehmen die starken Reaktionen in Zusammenhang mit dem Erlebnis ab. Daneben existieren noch unterschiedliche andere Therapieverfahren aus dem Bereich der kognitiven Verhaltenstherapie.

Ein weiteres hilfreiches Verfahren ist das EMDR ("Eye Movement Desensitization and Reprocessing", also "gelenkte Augenbewegungen"). Wie der Name schon andeutet, führen Betroffene während der Therapie unter therapeutischer Anleitung starke Augenbewegungen aus, während sie sich in die traumatische Situation zurückversetzen. Die genauen Wirkmechanismen hinter dieser Therapie sind noch nicht ganz geklärt, ebenso wie bei der kognitiven Verhaltenstherapie ist ihr Nutzen bei PTBS aber gut untersucht.

Ergänzend können zum Beispiel musik-, entspannungs- oder bewegungstherapeutische Ansätze angewendet werden.

Medikamentöse Behandlung

Die medikamentöse Behandlung wird vor allem unterstützend eingesetzt; teilweise benötigt die betroffene Person zunächst Tabletten, um überhaupt einer Psychotherapie zugänglich zu sein. Therapiert werden damit vor allem die Angstzustände, Schlafstörungen und Übererregbarkeit.

In der Regel werden sogenannte selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) oder andere Antidepressiva eingesetzt.

Selbsthilfe bei posttraumatischer Belastungsstörung

Betroffene einer posttraumatischen Belastungsstörung können eine ganze Reihe von Selbsthilfe-Maßnahmen eigenständig ergreifen, um den Prozess der Heilung und der Verarbeitung des Erlebten aktiv zu unterstützen und voranzutreiben. Wir geben Ihnen im Folgenden hilfreiche Ratschläge an die Hand, wie Ihnen das gelingen kann.

Diese Tipps können aber nur eine zusätzliche Unterstützung darstellen. Auch wenn die Beschwerden einer posttraumatische Belastungsstörung auch ohne Therapie wieder verschwinden können, sollten Sie nicht versuchen, die PTBS selbst zu heilen. Nehmen Sie psychotherapeutische Hilfe in Anspruch, wenn bei Ihnen eine PTBS vorliegt oder Sie dies vermuten – auch, um zu verhindern, dass die Symptome chronisch werden.

Folgende Tipps zur Selbsthilfe können bei PTBS hilfreich sein:

  • Das Wichtigste: Reden, reden, reden – so verarbeiten Sie das schlimme Ereignis. Sprechen Sie mit Ihrem*Ihrer Partner*in oder guten Freund*innen über ihre Gefühle. Auch spezielle Selbsthilfegruppen für Personen mit posttraumatischer Belastungsstörung können eine gute Anlaufstelle sein, um sich mit Menschen in einer ähnlichen Situation auszutauschen.
  • Versuchen Sie, Ihre Angst- und Spannungsgefühle mit Bewegung loszuwerden. Machen Sie einen Spaziergang, treiben Sie Ihren Lieblingssport. Entspannungsverfahren wie autogenes Training können ebenfalls helfen.
  • Vermeiden Sie, sich zu betäuben – das hilft nur kurzfristig und das Leiden danach ist umso schlimmer. Kein Alkohol, keine Beruhigungs- oder Schlafmittel, aber auch nicht im Übermaß aufputschende Substanzen wie Kaffee oder Cola.
  • Essen Sie, auch wenn Sie keinen Appetit haben. Trinken Sie ausreichend. Ihr Körper braucht Unterstützung. Achten Sie generell auf eine gesunde Ernährung.
  • Sie können nicht schlafen, sondern grübeln und wälzen sich hin und her? Stehen Sie auf, bewegen Sie sich oder versuchen Sie, mit Musik oder etwas anderem zu entspannen.
  • Versuchen Sie so bald wie möglich, Ihre normalen Rituale wiederaufzunehmen. Erwarten Sie aber nicht von sich, direkt wieder auf vollen Touren zu laufen.

Kann man eine PTBS heilen?

Eine PTBS kann man grundsätzlich heilen, auch wenn sich die Angaben zum Verlauf und zur Prognose in unterschiedlichen Quellen stark unterscheiden. Prinzipiell ist auch ohne Therapie eine Heilung möglich. Dies betrifft in den ersten drei Monaten nach Auftreten der Symptome circa 30 bis 50 Prozent der Fälle.

Eine psychotherapeutische Behandlung kann aber dazu beitragen, einen chronischen Verlauf der Erkrankung zu verhindern und eine Heilung zu fördern. Ist die PTBS bereits chronisch, bestehen die Symptome also schon länger als drei Monate, verschlechtert sich die Prognose bezüglich einer Heilung. Eine Therapie kann dann dazu beitragen, die bestehenden Beschwerden zu lindern und den Alltag Betroffener dadurch stark zu erleichtern.

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