Frau nimmt Dexamethason
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Dexamethason: So wirkt der Entzündungshemmer

Von: Constantin Weichert (Arzt)
Letzte Aktualisierung: 27.10.2021

Bei Dexamethason handelt es sich um einen Wirkstoff, der unter anderem entzündungshemmend wirkt und die Reaktion des Immunsystems abschwächt. Besondere Bekanntheit erlangte Dexamethason als vielversprechendes Medikament zur Behandlung von COVID-19. Aber wie wirkt Dexamethason? Bei welchen Beschwerden und Krankheiten kann Dexamethason eingesetzt werden und welche Rolle spielt das Mittel bei der Behandlung von COVID-19? Das erfahren Sie in diesem Artikel.

Was ist Dexamethason?

Bei Dexamethason handelt es sich um ein künstliches, langwirksames Glukokortikoid. Glukokortikoide sind eine Gruppe von Stoffen, die vom menschlichen Körper selbst hergestellt werden können. Sie zählen zu den Hormonen und erfüllen wichtige Regulationsaufgaben. Ihr Name setzt sich aus dem griechischen Wort für süß und dem lateinischen Wort für Rinde zusammen. Mit diesem Namen wird zum einen ihre Wirkungen auf den Zuckerstoffwechsel, und zum anderen ihre Herkunft aus der Nebennierenrinde beschrieben.

Die Glukokortikoide zählen zu den sogenannten Steroidhormonen. Neben den Glukokortikoiden zählen auch die Mineralkortikoide und Geschlechtshormone wie Östradiol und Testosteron zu den Steroidhormonen.

Die vom Körper selbst hergestellten Glukokortikoide sind Corticosterone und Cortisol. Das häufig erwähnte Kortison ist die biologisch unwirksame (inaktive) Form des Cortisols. Das heißt, es erfüllt im Körper keine Funktion. Kortison kommt natürlicherweise im Körper vor. Dexamethason wird künstlich hergestellt und unterscheidet sich in seiner chemischen Struktur von den körpereigenen Glukokortikoiden. Dexamethason ist durch die Veränderungen circa 30-mal stärker wirksam als die körpereigenen Glukokortikoide.

Wirkung von Dexamethason

Dexamethason wirkt entzündungshemmend, immunsuppressiv und antiallergisch. Der Wirkstoff kann also die Immunreaktion des Körpers auf einen Stoff oder eine Erkrankung abschwächen. Seine Wirkung entfaltet Dexamethason dabei über spezielle Glukokortikoid-Rezeptoren, die sich im Inneren von Zellen) befinden. Diese Rezeptoren beeinflussen daraufhin die Erbsubstanz (DNA) der Zellen über Signalwege dahingehend, dass weniger Entzündungsstoffe ausgeschüttet werden.

Wie schnell und wie lange wirkt Dexamethason?

Dexamethason entfaltet seine volle Wirkung nach etwas ein bis zwei Stunden. Die Halbwertszeit, also die Zeit, bis der Wirkstoff zur Hälfte abgebaut ist, beträgt 36 bis 72 Stunden. Die Wirkdauer beträgt damit ungefähr 48 Stunden. Damit zählt Dexamethason zu den langwirksamen Glukokortikoiden.

Anwendung von Dexamethason

Dexamethason wird meistens oral in Tablettenform angewendet. Dabei wird meist eine Tablette zum Frühstück eingenommen. Es kann aber auch in Form von Spritzen, oder topisch (örtlich) als Augentropfen angewendet werden.

Zu den Hauptanwendungsgebieten gehören:

Dexamethason ist verschreibungspflichtig. Die Anwendung sollte daher immer nach ärztlicher Rücksprache erfolgen und ärztlich betreut werden.

Dosierung von Dexamethason

Die Dosierung richtet sich nach der Anwendungsart (Tablette, Spritze oder Augentropfen beziehungsweise Augensalbe) und der zugrundeliegenden Erkrankung:

  • In Tablettenform wird Dexamethason meist in Dosierungen zwischen 4 mg und 16 mg verabreicht.
  • Intravenös werden 4 mg bis 20 mg gegeben.
  • Augentropfen enthalten meist 1 mg Dexamethason auf 1 ml und Augensalben 1 mg Dexamethason auf 1 g.

Wichtig ist, dass bei einer längerfristigen, systemischen Anwendung (intravenös oder als Tabletten) die Dosis auf 0,5 mg bis 1 mg pro Tag reduziert wird.

Wie lange wird Dexamethason eingenommen?

Wie lange man Dexamethason nehmen muss, hängt von der Erkrankung, die behandelt wird, ab und lässt sich nicht pauschal beantworten. Wird ein akutes Krankheitsbild behandelt und Dexamethason nur über einen kurzen Zeitraum (wenige Tage) eingenommen, sind selbst bei hohen Dosierungen keine relevanten Nebenwirkungen zu erwarten.

Eine neuere Studie aus Taiwan weist jedoch daraufhin, dass auch eine orale Behandlung mit Kortikosteroiden, zu denen Dexamethason gehört, in einem Zeitraum von unter zwei Wochen starke Nebenwirkungen auslösen könnte. Dazu gehörten Blutungen im Verdauungstrakt, Blutvergiftungen und Herzinsuffizienz.

Sollte eine langfristige Einnahme notwendig sein, steigt die Wahrscheinlichkeit von Nebenwirkungen an. Aufgrund des günstigeren Nebenwirkungsprofils werden bei einer Daueranwendung allerdings Prednisolon oder Prednison dem Dexamethason vorgezogen. Prednison und Prednisolon unterscheiden sich vom Dexamethason. Es handelt sich um etwas schwächere, künstlich hergestellte Glukokortikoide.

Welche Nebenwirkungen kann Dexamethason verursachen?

Die Nebenwirkungen sind neben Dauer der Einnahme und Höhe der Dosis auch von der Verabreichungsart abhängig. Eine systemische Anwendung (den ganzen Körper betreffend) verursacht häufig mehr und schwerere Nebenwirkungen als die topische Anwendung, zum Beispiel in Form von Augentropfen oder Cremes.

Zu den möglichen Nebenwirkungen von Dexamethason zählen:

  • Hautatrophie (Gewebeschwund der Haut mit sichtbarer Verdünnung der betroffenen Hautschichten), Hauteinblutungen oder Wundheilungsstörungen
  • Hypokalzämie (Kalziummangel)
  • Knochenschwund
  • Muskelschwund
  • Umverteilung des Fettgewebes (Stiernacken, Vollmondgesicht)
  • Proteinabbau mit folgender Erhöhung des Blutzuckerspiegels und erhöhtem Diabetesrisiko
  • Störungen der Sexualfunktion (Menstruationsstörungen, Förderung der männlichen Behaarung bei der Frau, Impotenz)
  • Immunsuppression (Veränderung der Blutzusammensetzung, insbesondere der Blutzellen mit erhöhtem Thromboserisiko und erhöhter Infektanfälligkeit)
  • Depression
  • Katarakt (Grauer Star) oder Glaukom (Grüner Star)
  • In Kombination mit Schmerzmitteln (Aspirin®, Ibuprofen und anderen) Erhöhung des Risikos für ein Magengeschwür um das 10- bis 15-fache
  • Wachstumshemmung bei Kindern
  • Nebennierenrindeninsuffizienz

Vor Gebrauch sollte daher der Beipackzettel des Präparats genau gelesen und bei Fragen oder Unklarheiten ärztliche Rücksprache gehalten werden.

Cushing-Syndrom als Folge einer Cortisol-Therapie

Die hier aufgeführten Symptome treten ebenfalls bei einem zu hohen Cortisolspiegel (Hypercortisolismus) auf. Dieses Krankheitsbild wird als Cushing-Syndrom bezeichnet. Das Cushing-Syndrom kann viele Ursachen haben, die häufigste ist aber die Einnahme von Cortisol-Präparaten im Rahmen einer Therapie.

Für Glukokortikoide, die als Medikamente eingenommen werden, existiert eine sogenannte Cushing-Schwelle. Bei einer langandauernden Therapie sollte diese Schwell nicht überschritten werden, da sonst ein iatrogenes (durch ärztliche Einwirkung entstandenes) Cushing-Syndrom droht. Die Höhe der Cushing-Schwelle hängt von der Stärke des verwendeten Glukokortikoids ab. Für Prednison beträgt sie 7,5 mg/Tag, für Dexamethason 1 mg/Tag.

Dexamethason-Hemmtest: Wozu dient er?

Dexamethason wird auch als Hilfsmittel in der Diagnostik eines Cushing-Syndroms benutzt. Das Cushing-Syndrom kann vielfältige Ursachen haben. Die Dexamethason-Hemmtests können Aufschluss über die Ursache geben.

Dabei existiert ein sogenannter Dexamethason-Kurztest und ein Dexamethason-Langtest. In beiden Fällen wird nachts Dexamethason verabreicht. Beim Kurztest eine Dosis von 1-2 mg, beim Langtest von 8 mg. Anschließend wird der Cortisolspiegel im Blut bestimmt. So kann der Rückkopplungsmechanismus, der zur Ausschüttung von Cortisol führt, überprüft werden.

Dexamethason absetzen

Generell sollten Glukokortikoide nach einer längerfristigen Einnahme nicht abrupt abgesetzt werden. Dies trifft prinzipiell auch auf Dexamethason zu, auch wenn es eher selten langfristig gegeben wird. Stufenweise reduziert werden sollte die Glukokortikoid-Dosis, wenn das Mittel länger als drei Wochen eingenommen wurde oder wenn bereits Symptome eines Cushing-Syndroms vorliegen. Man bezeichnet diesen Prozess als Ausschleichen.

Werden die Glukokortikoide zu schnell abgesetzt, kann es zu einer Nebennierenrindeninsuffizienz kommen. Die Ursache dafür ist, dass der Körper aufgrund der Zufuhr von Glukokortikoiden von außen die eigene Synthese (Herstellung) herunterfährt. Wird die Zufuhr von außen nun plötzlich beendet, hat der Körper nicht ausreichend Zeit, sich umzustellen und die Synthese wieder zu erhöhen. Ein Mangel an Glukokortikoiden (Addison-Krise) kann die Folge sein.

Entzugssymptome im klassischen Sinn gibt es eigentlich nicht. Es handelt sich dann viel mehr um die Symptome eines Cortisolmangels. Dazu gehören zum Beispiel niedriger Blutdruck, Abgeschlagenheit, Müdigkeit und Gewichtsverlust.

Wann sollte Dexamethason nicht angewendet werden?

Dexamethason sollte bei folgenden Symptomen oder Erkrankungen nicht oder nur mit äußerster Vorsicht angewendet werden:

  • Überempfindlichkeit gegen Dexamethason oder einen enthaltenen Hilfsstoff
  • unbehandelte Infektionskrankheiten
  • kurz vor oder nach einer Impfung mit einem Lebendimpfstoff
  • während der Therapie auftretende Nebenwirkungen
  • Schwangerschaft und Stillzeit

Während der Schwangerschaft und Stillzeit ist eine Therapie prinzipiell möglich, es werden jedoch in der Regel Prednisolon oder Methylprednisolon bevorzugt.

Dexamethason bei COVID-19

Dexamethason und andere Glukokortikoide sind vergleichsweise alte Medikamente und werden bereits seit Jahrzehnten in der Medizin angewandt. Ihre entzündungshemmende und immunsuppressive Wirkung kann auch unterstützend bei Infektionserkrankungen hilfreich sein. So werden Glukokortikoide beispielsweise bei einer Exazerbation (akute Verschlimmerung) einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) oder Asthma bronchiale eingesetzt. Auch bei Lungenentzündungen können Glukokortikoide unterstützend eingesetzt werden.

Auch im Zusammenhang mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 und der daraus entstehenden Krankheit COVID-19 spielt diese Wirkung eine Rolle. Eines der Hauptprobleme der schweren COVID-19-Verläufe ist eine überschießende Immunreaktion, welche Entzündungsreaktionen im gesamten Organismus hervorruft (Hyperinflammationssyndrom). Dexamethason und Glukokortikoide im Allgemeinen können aufgrund ihrer immunsuppressiven Wirkung einen solchen Effekt abmildern und nachgewiesenermaßen die Sterblichkeit von Betroffenen mit schweren Verläufen reduzieren.

Aktuell wird Dexamethason bei Betroffenen eingesetzt, die künstlich Sauerstoff erhalten. Die Anwendung von Dexamethason in einer früheren Krankheitsphase zeigte bisher keinen positiven Effekt.