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Appetitzügler Mediator: Hersteller erneut zu Millionenstrafe verurteilt

Quelle: Agence-France-Presse
Letzte Aktualisierung: 20.12.2023 - 17:57 Uhr

Nach zahlreichen Todesfällen im Zusammenhang mit dem Appetitzügler Mediator ist der Hersteller Servier in einem Berufungsprozess in Frankreich zu einer Strafe von mehr als neun Millionen Euro und zur Rückzahlung von über 415 Millionen Euro an die Krankenkassen verurteilt worden. Die Richter sprachen den Pharmakonzern erneut der "schweren Täuschung" und "fahrlässigen Tötung" schuldig, zudem auch des "Betrugs". 

Im letzten Punkt war der Konzern in erster Instanz freigesprochen worden. 2021 hatten die Richter das Unternehmen lediglich zu 2,7 Millionen Euro Strafe verurteilt. Das Diabetes-Medikament war trotz gefährlicher Nebenwirkungen und hunderter Todesfälle in Frankreich drei Jahrzehnte lang als Schlankmacher verkauft worden. 

Die Staatsanwälte zitierten in ihren zweitägigen Plädoyers eine interne Nachricht aus dem Jahr 1969, aus der hervorging, dass "Menschen, die sich um ihre Figur sorgen", die "interessanteste Zielgruppe" seien. "Es ist glasklar, dass nicht Diabetes, sondern Übergewicht behandelt werden sollte", betonte Staatsanwalt Rivaud. Servier habe sich bemüht, das Medikament auf dem Markt zu halten, obwohl es bereits 1995 Hinweise auf starke Nebenwirkungen gab, erläuterte er. 

Die Anwälte des Unternehmens hatten vor Gericht betont, dass die französische Medikamentenaufsicht erst nach 2007 auf die Gefährlichkeit des Medikaments aufmerksam gemacht habe. 

Nach dem Prinzip der Vorsicht sei Servier jedoch verpflichtet gewesen, bereits den ersten Hinweisen nachzugehen und nicht auf die "verschlafene" Medikamentenbehörde zu warten, betonte die Staatsanwaltschaft. Die Mediator-Patienten seien "von Servier zu rein kommerziellen Zwecken instrumentalisiert" worden. 

Das Diabetes-Medikament war etwa fünf Millionen Menschen verschrieben worden. Viele nutzten es zum Abnehmen. Es wurde erst 2009 vom Markt genommen, obwohl es schon Mitte der 1990er Jahre Anzeichen für schwere Nebenwirkungen wie Herzrhythmusstörungen gab. Die Zahl der Todesfälle wird auf mehrere Hundert geschätzt.

Servier gab an, vor 2009 nichts von den Risiken gewusst zu haben. In den USA, Spanien und Italien hatten die Behörden Mediator bereits Jahre zuvor verboten. In Deutschland war es nie zugelassen.

Für den Berufungsprozess hatten sich etwa 7.500 Zivilparteien gemeldet, die die Verhandlung online verfolgen konnten. Der Prozess fand im einem Pariser Gerichtssaal statt, der für Terrorprozesse eingerichtet worden war.

Die Justiz befasst sich noch mit etwa 5000 weiteren Fällen, in denen dem Unternehmen fahrlässige Tötung oder Körperverletzung vorgeworfen werden. Weitere Gerichtsverfahren sind demnach wahrscheinlich.