EU-Gericht kritisiert mangelnde Transparenz bei Verträgen über Impfstoffkauf
Die EU-Kommission hat bei den 2020 und 2021 mit Pharmaunternehmen geschlossenen Verträgen über Impfstoffe zu Unrecht Informationen zurückgehalten. Vereinbarungen über Entschädigungen und Erklärungen zu Interessenkonflikten sollten eingesehen werden können, erklärte das Gericht der Europäischen Union in Luxemburg am Mittwoch. Das ist auch eine juristische Schlappe für Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU), die sich am Donnerstag im Europaparlament zur Wiederwahl stellen will. (Az. T-689/21 u.a.)
Das Gericht gab den Klagen mehrerer EU-Abgeordneter sowie von Bürgerinnen und Bürgern teilweise statt. Mit den Verträgen, um die es ging, wurde in den ersten Pandemiejahren eine Milliarde Impfstoffdosen für insgesamt 2,7 Milliarden Euro bei verschiedenen Pharmaunternehmen bestellt. 2021 beantragten die Klägerinnen und Kläger Einsicht in diese Verträge und andere Dokumente, die damit zusammenhingen. Die Kommission stellte aber nur eine teilweise geschwärzte Fassung zur Verfügung.
Deswegen wandten sich fünf aktuelle und frühere Mitglieder der Fraktion der Grünen/EFA sowie zwei französische Rechtsanwälte im Namen zahlreicher Bürgerinnen und Bürger an das Gericht. Dieses erklärte nun die Entscheidungen der Kommission, die Dokumente nicht komplett zur Verfügung zu stellen, teilweise für nichtig - sie enthielten Fehler.
Der Grund für die vereinbarten Entschädigungsregeln - nämlich das hohe Risiko der Unternehmen - sei bereits öffentlich bekannt. Die Kommission habe nicht erklären können, warum die geschäftlichen Interessen der Unternehmen beeinträchtigt würden, wenn mehr von diesen Klauseln öffentlich gemacht würde.
Die Kommission hatte sich auf den Schutz der Privatsphäre berufen, um Einsicht in die Erklärungen des Verhandlungsteams zu nicht bestehenden Interessenkonflikten teilweise zu verweigern. Die Klägerinnen und Kläger hätten allerdings nachgewiesen, dass ein öffentliches Interesse an der Veröffentlichung bestehe, erklärte das Gericht. Nur wenn der Name sowie Beruf oder Amt bekannt seien, könne überprüft werden, ob wirklich kein Interessenkonflikt bestand.
Das Urteil des EU-Gerichts kann noch vor der nächsthöheren Instanz, dem Europäischen Gerichtshof, angefochten werden. Fehlende Transparenz bei den Verträgen mit den Impfstoffherstellern wurde immer wieder kritisiert. In dem Zusammenhang ermittelt auch die europäische Staatsanwaltschaft.
Unter den Klägerinnen in Luxemburg war auch die deutsche EU-Abgeordnete Jutta Paulus (Grüne). Sie sprach von einem "Sieg" und erklärte, das Urteil stärke "Transparenz und Kontrolle, auch für die Zukunft".
Die Kommission kündigte an, das Urteil und seine Auswirkungen sorgfältig prüfen zu wollen. Das Gericht habe der Klage nur teilweise stattgegeben, betonte sie. Es habe bestätigt, dass die Kommission nur einen teilweisen Zugang habe gewähren müssen. Die Kommission behalte sich rechtliche Möglichkeiten vor.