WHO: Israel stimmt "humanitären Pausen" für Polio-Impfungen im Gazastreifen zu
Israel hat nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) "humanitären Pausen" für Polio-Impfungen im Gazastreifen zugestimmt. Nach Rücksprache mit den israelischen Behörden werde die Impfkampagne "am 1. September für drei Tage im Zentrum des Gazastreifens beginnen", sagte der WHO-Vertreter für die Palästinensergebiete, Rik Peeperkorn, am Donnerstag vor Journalisten. Es werde "jeden Tag mehrere Stunden lang eine humanitäre Pause" geben. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zufolge handelt sich jedoch nicht um "Kampfpausen".
Israel habe zudem zugestimmt, bei Bedarf einen zusätzlichen Tag für die Impfungen zu gewähren, fügte Peeperkorn hinzu. Vor allem wegen der beschädigten Infrastruktur könnten die Vereinten Nationen für jedes Gebiet einen zusätzlichen Tag benötigen, führte er aus. Die Übereinkunft sieht demnach vor, dass die humanitäre Pause, die jeden Tag zwischen dem frühen Morgen und dem frühen Nachmittag erwartet wird, dann verlängert wird.
Die israelischen Behörden bestätigten die WHO-Angaben. Wie ein israelischer Behördenvertreter mitteilte, stimmte Israel einer Reihe von "humanitären Pausen" von jeweils drei Tagen im zentralen, südlichen und nördlichen Gazastreifen zu, damit die Kampagne zur Impfung von Kindern gegen Polio am Sonntag beginnen könne.
Der Sprecher des israelischen Außenministeriums, Oren Marmorstein, teilte im Onlinedienst X mit, dass sein Land "mit der WHO und (dem UN-Kinderhilfswerk) Unicef eine groß angelegte Operation zur Impfung von Kindern gegen Polio im Gazastreifen" koordiniere.
Der israelische Ministerpräsident Netanjahu erteilte allerdings einer generellen "Waffenruhe" eine Absage. Am Mittwochabend hatte er erklärt, es sei "keine Waffenruhe" geplant. Nach seinen Worten handelt sich nicht um "Kampfpausen zur Verabreichung von Polio-Impfstoffen, sondern lediglich um die Zuweisung bestimmter Orte im Gazastreifen". Die radikalislamische Hamas erklärte, sie unterstütze eine "humanitäre UN-Waffenruhe".
WHO-Nothilfekoordinator Mike Ryan betonte indes, "wie wichtig es ist, dass alle Parteien ihre Zusagen bezüglich dieser Pausen einhalten". Es sei nötig, in jeder Phase der Kampagne mindestens 90 Prozent der Kinder zu impfen, um eine mögliche Epidemie frühzeitig "zu stoppen und eine internationale Ausbreitung zu verhindern". Ihm zufolge sagte Israel auch zu, "Evakuierungsanordnungen für die Ausführung beider Phasen der Kampagne auszusetzen".
Der stellvertretende US-Botschafter bei den Vereinten Nationen, Robert Wood, bezeichnete es als "lebenswichtig, dass die Kampagne ohne Verzögerungen vonstatten geht". Israel forderte er auf, "für ruhige Zeiten zu sorgen und während dieser Zeiten von Militäreinsätzen abzusehen". Zudem solle die israelische Armee während der Zeit "weitere Evakuierungsanordnungen vermeiden".
Die WHO hatte auf humanitäre Feuerpausen gedrungen, um rund 640.000 Kindern unter zehn Jahren ab Ende August den Polio-Impfstoff Typ 2 verabreichen zu können. Im Juli war das Virus nach palästinensischen und israelischen Angaben in Abwasserproben in der südlichen Stadt Chan Junis sowie im Zentrum des Gazastreifens nachgewiesen worden. Kürzlich wurde dann der erste Polio-Fall im Gazastreifen bei einem zehn Monate alten Baby in Deir al-Balah bestätigt.
Anfang August hatte die WHO angekündigt, mehr als eine Million Polio-Impfstoffdosen in den Gazastreifen zu schicken. Eine erste Lieferung gelangte nach Angaben israelischer Behörden vor drei Tagen in das Küstengebiet. Inzwischen sind laut WHO-Nothilfekoordinator Ryan bereits 1,26 Millionen Dosen des Impfstoffs vor Ort eingetroffen, zudem würden weitere 400.000 Dosen "bald" erwartet.
Die Krankheit Poliomyelitis - der medizinische Begriff für Kinderlähmung - wird durch ein akut ansteckendes Virus ausgelöst, welches das Rückenmark angreift und bei Kindern irreversible Lähmungen verursachen kann. Es gibt zwar keine Heilmittel gegen Polio, aber die Impfung verhindert die Ausbreitung.